Alles Geier!
Eine Farce über Architektur, eine Zeitschrift und einen Verlag. Von Wolfgang Bachmann
Wenn eine Geschichte im vierten Wort mit dem A-Wort beginnt, liest man gerne noch die folgenden Sätze, ja vielleicht auch noch ein paar Seiten und sogar bis zum Schluss. Denn bereits der Titel des vom Buchformat her schmalen Romans verspricht Deftiges: Alles Geier! Oder, frei nach Karl May: Unter Geiern.
Nun ist es durchaus nichts Ungewöhnliches, dass der Verlag den Titel wählt und druckt, den sein Lektor ihm als verkaufsförderlich vorschlägt. Aber wer auch nur ungefähr weiss, wer der Autor ist bzw., wer er gedanklich war, als er das hier schrieb, und wer gleichzeitig im selben Arbeitsumfeld wie der Autor Meriten oder bloß Erfahrungen hat sammeln können, der kann dem "Alles Geier" gleich eine wohlvertraute Erkennungsmelodie ablauschen. Und ein Gefühl von "Genau so ist es!" überkommt diese LeserInnenspezies, die diese Erzählung aus der (Architektur)Verlagswelt dann auch gleich kaufen. Um eigenes Erleben gespiegelt zu sehen und sich auf vielen Seiten dieser sehr kurzweilig zu lesenden Geschichte wiederzufinden.
Und das ist zugleich auch das grösste Manko der Arbeit, die am besten da funktioniert, wo vergleichbare Erfahrungen vorhanden sind. Denn wahrscheinlich verhaken sich die zahllosen Andeutungen, Seitenhiebe und ansatzweise gekonnt grotesken Miniaturen nur da wirkungsvoll, wo all dieses auch verstanden werden kann.
Dem Rezensenten ist das alles bekannt, wobei er die Geier nicht bei den Unternehmensberatern oder Geschäftsführern sieht, sondern aus voreingenommener, grenzenziehender Redakteurssicht beim Anzeigenverkauf. Ein auch literarisch vielfach schon verarbeitetes Stereotyp mit diesem wesentlichen Wahrheitsgehalt, der es so lange vital sein lässt.
Aber geschenkt, die auf nur ein paar Tage beschränkte Geschichte ist, von seltenen Ausnahmen bitterer Rückschau abgesehen, wunderbar herunterzulesen auf einer Zugfahrt von Leipzig nach Bielefeld beispielsweise. Teils erfreulich (und erwartet, lieber Wolfgang!) überdurchschnittlich literarisch auf Erzählerniveau unterwegs reisst der Spannungsbogen fast an keiner Stelle ab. Und wenn man am Ende angekommen ist, fühlt man tatsächlich ein leises Bedauern, das sich wie nach einem guten Kinofilm verlässlich spätenstens dann einstellt, wenn der Abspann zuende ist und Licht die bildervollen Augen quält. Auszeitlektüre mit starker Wirkkraft und hoffentlich nur der Einstieg in einen Roman dieses Mal, zu welchem die Geschichte hier bloß die Ouvertüre war. Be. K.
Wolfgang Bachmann, Alles Geier. Eine Farce über Architektur, eine Zeitschrift und einen Verlag. Av edition, Stuttgart 2019, 159 S., Hardcover mit Lesebändchen, 19 €, ISBN 978-3-89986-300-0