Akademische Tour de Force
Uff. Die Fakten – Seitenzahl zu Zahl der Abbildungen – verraten es nicht, doch wer diese, man muss es gleich schreiben, Ausnahmearbeit aufschlägt, wird zurückzucken. Und in diesen lesefernen Zeiten möglicherweise davon beeindruckt sein, dass wir Leser:innen seitenweise mit Text alleine gelassen werden, der zudem in einer nach der Lesebrille schreienden ca. 8.5 pt-Schrift gesetzt wurde. Man möchte gleich weiterblättern zu den getrennt gefügten Fototeilen (Hochglanz), zumal zumindest die einleitenden Texte überakademisch gestelzt daher kommen zu einem Thema, das uns Leser:innen alle angeht. Ein kleines Beispiel: So wird „das Wohnen zur individuellen Praxis und zum gesellschaftlichen Feld“, es gibt „die Vermarktlichung der Wohnungsversorgung“ oder auch die „Restrukturierung des Wohnungsmarktes durch die Finanzialisierung von Wohnraum“ etc. Finanzialisierung, darauf muss man erst einmal kommen.
Beschrieben wird in dem umfangreichen Buch das hier sogenannte „inter- und transdisziplinäre Forschungsprojekt ‚Drei Zimmer, Küche, Diele, Bad‘“, wobei nicht ganz klar wird, wo das Interdisziplinäre denn stattgefunden hat, wesentliche Beteiligte sind Planer:innen. Das Projekt, das von 2017 bis 2021 als Kooperation zwischen der Bauhaus-Universität Weimar, der Thüringer Aufbaubank und des kommunalen Wohnungsunternehmens Weimarer Wohnstätte GmbH entwickelt und realisiert wurde, versucht über eine sehr klar formulierte Projektstruktur herauszufinden, wie denn das Wohnen (im Bestand) in der (näheren?) Zukunft aussehen könne. Dabei gibt es Rückblicke in die Historie, Bestandsaufnahmen und Diskussionen aktueller Diskurse, die Beschreibung des Projekts in jedem seiner Schritte bis hin zu Kommentaren, Faziten, Schlussfolgerungen für das weitere Schauen auf die Planungsaufgabe „Wohnen mit Optionen“.
Man muss mit Zettel und (Blei-)Stift lesen, man sollte sich einlassen auf die Härte der auch Rechenschaftsforschungsergebnisberichts seienden Dokumentation. Und vielleicht sollte man auch zu der Gesellschaftsgruppe gehören, die das hier beschriebene Wohnprojekt in der Realität bewohnen konnten nach Anschauen, Diskussion, Planung und Umbau der Bestandswohnung in Weimar. Denn die kamen nach einer offenbar zwangsläufig in Gang gesetzten „Homogenisierung des Bewerberfeldes“ an Ende zum Zuge, wahrscheinlich, weil ihr akademischer Horizont weit genug war, das nicht gerade einfach hinnehmbare Konzept als etwas Herausforderndes zu akzeptieren.
Ob wir Zuschauer:innen/Leser:innen hier etwas lernen für das eigene Arbeiten? Definitiv, selten jedenfalls wurde derart akribisch das dokumentiert, was vorher in unzähligen Schritten formuliert, erarbeitet und umgesetzt wurde. Allerdings: Dessen Horizont nicht weit genug ist … s. o. Be. K.
sw-Abb.38 €,
ISBN 978-3-86859-705-9