Architekten einmal ganz persönlich
Im Gespräch mit Fermín Tribaldos, Hamburg

Ein junger spanischer Architekt mischt, so scheint es, mit seiner Veranstaltungsreihe „Architects, not Architecture“ landesweit die Architektenwelt neu auf. Weit entfernt von fortbildungspunktengetriggerten Veranstaltungen möchte Fermín Tribaldos hinter die Fassade schauen. Und lädt prominente Architekten und Architektinnen zum Gespräch. Zuletzt in Hamburg vor gut 400 begeisterten ArchitektInnen. Sein Konzept scheint einen Nerv getroffen zu haben jenseits von Fortbildungszwang und Werkschauprotzerei. Sein Rezept? Wir sprachen mit ihm nach dem Abend mit den gutgelaunten Benedetta Tagliabue, Ben van Berkel und Wolf D. Prix.

„Architects, not Architecture“, was kann ich mir darunter vorstellen?

Fermín Tribaldos: Ich möchte im Verlauf des Abends herausfinden – und mit mir auch die Zuschauer – was die meist ja sehr bekannten Architekten aus ihrer Arbeit fürs Leben gelernt haben. Als Mensch. Ich glaube, es gibt da nicht den großen Unterschied zwischen den Stararchitekten und uns anderen. Wir haben alle Träume. Aber es ist spannend, zu erfahren, wie die bekannten Architekten das geworden sind, was sie heute sind. Auch mit ihrer Arbeit, mit ihren Projekten. Mich interessiert darum, wie sie gelebt haben, was der persönliche Hintergrund der Architektur dieser Architekten ist.

Machen die Stars mit beim Blick hinter die Fassade?

Ich gebe wenig vor. Dass Ben van Berkel gestern abend ein Babyfoto von sich zeigt, ist natürlich schön und hat mich positiv überrascht. Aber in erster Linie möchte ich, dass sich meine Gäste bei mir wohlfühlen. Und hieraus dann davon reden, was ihnen wichtig ist. Gäbe ich einen Rahmen, könnte das langweilig werden. Ich meine, wer möchte sich schon eine chronologisch sortierte Biografie vortragen lassen! Da passiert am Ende gar nichts! Und wenn einer nichts von sich erzählen möchte, ist das meine Arbeit und die des Publikums auch, nach der Präsentation im Interview tiefer nachzufragen. Vielleicht auf Widersprüche zu verweisen, vielleicht Unklares klarer werden zu lassen, so in der Art.

Wonach wählst du deine Gäste aus. Gibt es hier ein Rezept für eine besonders gute Mischung?

Wenigstens sollte eine Frau auf der Bühne sein. Das ist ein Muss. Also eine Frau, zwei Männer.

Gehen auch zwei Frauen?

Klar! In Berlin werden zwei Architektinnen dabei sein: Fuensanta Nieto und Barbara Holzer. Sie haben schon zugesagt, der Termin ist geplant ... Ob es funktioniert? Mal gucken. Ansgar Schulz kommt noch dazu.

Du fragtest nach einem Rezept ... Am liebsten habe ich einen Speaker, der sich nicht mehr beweisen, nicht mehr zeigen muss. Der hat im besten Falle schon alles erreicht, kann also sehr entspannt, lässig sein. Das kann dann sehr unterhaltsam werden, je nach Kombination mit den anderen beiden. Prinzipiell frage ich herum unter Freunden, Bekannten, welche Architekten in der Stadt aus ihrer Sicht geeignet wären. Und immer bin ich daran interessiert, Architekten zu gewinnen, die spürbar Lebensfreude ausstrahlen. Dass sie ihren Alltag genießen können, das ist mir wichtig.

Es gibt auch Architektendiven. Wolf Prix fällt in diese Kategorie. Wie schafft man den nach Hamburg?

Also am Anfang habe ich eine Vorstellung von möglichen Namen. Ich mache mir hier eine Liste und die gehe ich mit Freunden durch. Zuerst probiere ich die Einladung alleine, wenn ich aber merke, dass das schwierig werden könnte, hole ich mir Hilfe über die Ex-Speaker. Das hat bisher super funktioniert.

Manche Veranstalter von Architekturabenden locken mit Fortbildungspunkten. Du ganz offenbar mit purer Unterhaltungshow. Stimmt das?

Also das Wort „Show“ klingt mir hier zu groß. Ich möchte die Erwartungshaltung kleiner halten, deutlich entspannter. Fortbildungspunkte ... das hat immer auch etwas von Zwang. Das möchte ich in keinem Fall. Es ist doch ihre Zeit, die sie mir hier schenken, ihre Entscheidung, ihr eigener Wunsch, sich abseits vom Business über das Business zu informieren.

Du hast es mal mit Crowdfunding probiert?

Ich habe das einmal gemacht. Für eine der ersten Veranstaltungen in Hamburg. Das lief überhaupt nicht gut! Ich möchte, dass sich die Leute ganz entspannt auf meiner Webseite anmelden und nicht den Weg über eine anonyme, vielleicht auch zu komplizierte Crowdfunding-Seite gehen müssen. Ich mache das jetzt allein über Sponsoren, was auch sehr gut funktioniert. Jetzt suche ich Sponsoren für das kommende Jahr.

Wie groß ist die Kontinuität bei den Sponsoren?

Also ein Sponsor hat schon für das kommende Jahr fest zugesagt. Das ist sehr wichtig für mich, bringt mir die Ruhe, die nötig ist. Und wenn einer da ist, kommt auch schnell der zweite. Das läuft gut. Und du kannst davon ausgehen, dass gestern abend Firmenvertreter unter den Zuschauern waren, die sich das sehr interessiert anschauen.

Ich glaube ohnehin, dass man als Sponsor diese Art meiner Veranstaltung erst einmal erleben muss, mitfühlen muss. Ich bin ziemlich gespannt, was in 2017 kommt.

Was in diesem Zusammenhang auffällt: Du dokumentierst jeden Abend detailliert über Fotos und Filme. Wofür machst du das?

Empfindest du das als zuviel?

Nein, aber das Film- und Kamerateam ist sehr präsent, scheint auch irgendwie dazu zu gehören.

Ich brauche das Material in dieser Menge, um hieraus meine Videos zu machen. Die Filme sind so gut, dass sie die besondere Atmosphäre des Abends einfangen. Und die in ungefähr zwei Minuten zu vermitteln ist wichtig und so schwer zugleich! Für die Teilnehmer sehe ich das als Geschenk, für die Neugierigen als Einladung.

Wieviele Veranstaltungen planst du für 2017?

Ich plane zehn Veranstaltungen ...

Alle in Deutschland?

Neun in Deutschland und eine in Kopenhagen. Dafür kannst du mir schon mal die Daumen drücken! In der ersten Jahreshälfte habe ich schon Termine in München, in Düsseldorf, Hamburg und Berlin. Die Berliner sind schon fest. In der zweiten Jahreshälfte wieder in den schon genannten Städten. Plus Stuttgart und eben Kopenhagen.

Architekturdiskurs auflockern oder schöner Abend für alle?

Also du kennst das sicher auch, dass man bei manchen Vorträgen zur Architektur auch gut einschlafen kann. Ich möchte mit meiner Veranstaltung eine Tür öffnen, um möglicherweise eine ganz andere, eine ganz fremde Seite des Speakers kennen zu lernen.

Stehst du dir als Architekt in dieser Rolle, die andere Seite sichtbar zu machen, nicht selbst im Weg?

Ich glaube, dass ich Architekt bin, hilft mir schon zu verstehen, wo persönliche, aber auch strukturelle Probleme liegen. Zu viele Stunden Arbeit am Tag, in der Woche, zu wenig Zeit zum Zeichnen, zum Nachdenken über das Bauen ganz generell etc.

Also wolltest du ohnehin nicht mehr ins Architekturbüo?

Doch, doch. Ich arbeite ja auch noch im Büro. Aber ich merke, dass ich durch die Veranstaltungen, die ich gemacht habe, viel näher an die Architektur gekommen bin und das macht mich glücklicher. Ich kann viel mehr lernen über das Bauen, als würde ich einen normalen Architektenalltag erleben. Ob ich nicht mehr als planender Architekt arbeiten werde? Im Augenblick habe ich die Möglichkeit, meine Idee von Architekturvermittlung zu entwickeln, ich stehe ja noch ganz am Anfang!

Macht ein glücklicher Architekt bessere Architektur?

Ich glaube, da gibt es keinen Zusammenhang. Es gibt doch sehr gute Designer, die unglücklich sind ...

Wer?

... aber sie sind einfach gut. Man soll das machen, was man möchte – wenn das geht, dann kommt das Glück. Und sicher auch die gute Arbeit am Schluss.

Wo könnte es hingehen, was wäre deine Traumveranstaltung in den kommenden zwei, drei Jahren?

Uff, das fällt mir nicht leicht, so weit in die Zukunft zu schauen. Vor einem Jahr hätte ich ja noch gar nicht gewagt, darüber nachzudenken, dass ich den oder die, einen oder drei internationale Architekten zu mir einladen könnte.

Ich würde diese besondere Stimmung – ich weiß selbst nicht genau, woher die kommt – auch in andere Städte bringen. Und vielleicht einmal eine größere Tour durch die europäischen Hauptstädte machen. Das wäre schon ziemlich cool. Aber das ist wirklich Zukunft!

Mit Fermín Tribaldos unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 25.11.2016 in einem Hamburger Café nach dem Abend im Miralles Saal.

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