Das Stromhaus als Zukunftsmodell für klimaneutrale GebäudeIm Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch, TU Braunschweig

DBZ: Herr Prof. Fisch, wie wurde das Team zusammengestellt und was ist Ihnen bei der Zusammenarbeit der Studierenden aufgefallen?

Fisch: Unser „C-House“ wurde von einem internationalen Team aus Studierenden der South East University, Nanjing und der TU Braun­schweig bearbeitet. Das interdisziplinäre Team aus Studierenden reflektiert die an der TU Braunschweig vorhandenen Fachrichtungen Architektur, Bauingenieurwesen, Energie- und Umwelttechnik. Der Wettbewerb wurde in den Vorlesungen und auf der Homepage des Instituts angekündigt und zur Bewerbung eingeladen. Es folgten Informations-Veranstaltungen und Auswahlgespräche, um die Motivation und Qualifikation der Studierenden kennenzulernen. Die Zusammenstellung des Teams war dann eine Synthese daraus, wie der Studierende fürs Projekt „brennt“, der praktischen und theoretischen Qualifikation sowie dem Ziel, eine ausgewogene Interdisziplinarität zu erreichen.

Zu Beginn des Vorhabens wurden die Zuständigkeiten im Team entsprechend den zehn Bewertungskriterien des Solar Decathlon Wettbewerbs aufgeteilt. In regelmäßigen Arbeitstreffen wurde das Projekt entwickelt und das Team aus Studierenden und Betreuern des IGS hat sich geformt. Nicht nur die interdisziplinäre, sondern auch die internationale Zusammenarbeit über rund zwei Jahre hat die Studierenden gefordert und für ihr anstehendes Berufsleben enorme Erfahrungen gebracht. Die Meetings in Nanjing in der Planungsphase und insbesondere in der Bau- und Wettbewerbsphase in Dezhou waren einerseits sehr anstrengend, aber andererseits eine unglaublich tolle Erfahrung für die Studierenden und uns Betreuenden.

Trotz der extremen Bedingungen, einerseits der langen Planungs- und Vorbereitungszeit (zwei Jahre), die nicht in das typische Ausbildungsprofil von Studierenden passt, und anderseits der heißen und feuchten Wetterbedingungen beim Aufbau des Gebäudes in China, war die Stimmung im Team hervorragend. Die Kommunikation und Freundschaften, die in den internationalen Teams und während der Bau- und Wettbewerbsphase entstanden sind, waren toll und werden den Teilnehmern noch lange in Erinnerung bleiben.

DBZ: Worin liegt der Schwerpunkt des Wettbewerbs und wie geht der Prototyp „C-House“ darauf ein?

Fisch: Mit dem Wettbewerb wird die praktische interdisziplinäre Zusammenarbeit beim Planen und Bauen von Gebäuden in der Ausbildung vermittelt. Für Studierende und Lehrer ist dieser Wettbewerb eine unglaublich hohe Anforderung, die gleichzeitig einmalig im Ausbildungsprofil ist.

Durch die zehn Teilbereiche, die in diesem „Solaren Zehnkampf“ (Solar Decathlon) bewertet werden, wird den Studierenden die Komplexität des Bauens aufgezeigt. Nicht zuletzt ist das Ziel, ein Gebäude zu realisieren, dass eine hohe architektonische Qualität, innovative Gebäudetechnik, ausgezeichnete Energieeffizienz und einen großen solaren Deckungsanteil aufweist – ein Gebäude für die Zukunft.

Das zweigeschossige „C-House“ folgt diesen Zielen in allen Bereichen. Die kompakte kubische Form des Hauses mit dem separaten Technikkern ermöglicht eine flexible und offene Innenraumgestaltung. Die qualitativ hochwertige Gebäudehülle ist eine ausgewogene Mischung aus Transparenz (Ausblick, Tageslicht) und opaken Flächen zur aktiven Solarenergienutzung (gebäudeintegrierte Photovoltaik). Im Technikkern, der an der TU Braunschweig geplant und gebaut und in vier Teilen nach China transportiert wurde, sind nicht nur die Gebäudetechnik, sondern auch Küche, Bad, WC und die Treppe ins Obergeschoss integriert. Die Oberflächen des Technikkerns sind thermisch aktiviert und dienen zusammen mit einer Wärmepumpe zur Klimatisierung des „C-House“. Durch Eisspeicher, Strombatterie und durch ein Elektroauto wird der Anteil der Eigenstromnutzung gesteigert, d. h. das Stromnetz wird entlastet. Das realisierte „Stromhaus“ ist ein Zukunftsmodel für klimaneutrale Gebäude.

DBZ: Warum ist die modulare Bauweise entscheidend für das „C-House“?

Fisch: Die modulare Bauweise ist die Voraussetzung für das vorgefertigte industrielle Bauen. Sie erhöht die Qualität und reduziert die Baukosten künftiger Gebäude. Im speziellen Fall des Wettbewerbs in China war es dadurch möglich, den Technikkern an der TU Braunschweig zu entwerfen, zu bauen, im Vorfeld zu erproben und nach China zu transportieren. Der kompakte Kern ist „Herz“ und „Gehirn“ zugleich und bildet den hohen Qualitätsstandard der deutschen Gebäudetechnik und des German Engineerings ab. In China konnte damit die Bauzeit erheblich reduziert werden und die üblichen Probleme bei der Inbetriebnahme der Technik wurden damit reduziert.

DBZ: Für welche Bauaufgaben soll das Konzept des „C-House“ eingesetzt werden?

Fisch: Für nachhaltige Wohn- und Nichtwohngebäude der Zukunft. Im ersten Ansatz sind es Einfamilienhäuser, Doppel- und Reihenhaus-Siedlungen. Das „C-House“ lässt sich ideal zur Verdichtung in Städten einsetzen, entweder auf Dächern oder in Baulücken. Ein direktes Einsatzpotential besteht bei den Fertighausherstellern, nicht nur in Deutschland.

DBZ: Was hat Sie bei diesem Projekt am meisten überrascht?

Fisch: Die wahnsinnig schnelle Entwicklung und Realisierung der Infrastruktur des Wettbewerbsgebietes in Dezhou (China); die hohe Aufmerksamkeit, die die Politik in China dem Wettbewerb geschenkt hat; die überwiegend hohe Qualität der 20 Gebäude im Wettbewerb, die in weniger als vier Wochen Bauzeit errichtet werden mussten inkl. der Gebäudetechnik und Inneneinrichtung; die ausgezeichnete Stimmung, die während des Wettbewerbs und der Abschlussveranstaltung geherrscht hat.

Vielen Dank für das Gespräch!

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