Die EZB. Eine vielleicht letzte Innensicht

Ende letzten Jahres wurde der mächtige Glas-turm am Ostende Frankfurts bezogen und langsam ebbt die Berichtwelle in den Medien ab. Dabei könnte man jetzt doch in aller Ruhe nach innen gehen, ins Haus. Und dort, wie es dem Autoren geschehen ist, auf einen hochgewachsenen Banker stoßen, der einem zuraunt, die Presse solle doch endlich einmal genauer hinschauen auf diesen größten aller Bauschäden. Und schon ist er fort, der seriös wirkende Mann, er eilt den verglasten Gang hin­unter, der den Turm mit der sanierten und umgebauten und verbauten Großmarkthalle verbindet. Wohl in Richtung Ausgang?!

Kosten: 1 300 000 000 €

1,3 Mrd. € soll – soll! – der Bau gekostet haben, es liegen noch keine abschließenden Zahlen vor. Und weil die Bank ihre neue Zentrale gleichsam aus eigener Tasche, also Gewinnen aus Geschäften mit anderen Banken, zahlte, will auch so recht niemand wissen, wieviel der Bau denn wirklich gekostet hat. Obwohl, und das sollte nicht vergessen werden, es am Ende doch die Steuergelder sind, auf deren Ver(sch)wendung die Medien meist mit der ersten Frage in sämtlichen Pressekonferenzen zielen: „Können Sie uns sagen, wieviel das alles gekostet hat?“

Wollen die Banker nicht, noch nicht. Die Architekten winken ab, verweisen auf die Banker. Mehr als 850 Mio. €, die waren am Anfang im Gespräch. Mehr als das, das könne man sagen. Aber für die Kostensteigerungen seien sie nicht verantwortlich, gestiegene Baupreise in der langen Planungs- und Genehmigungsphase, die üblichen Unsicherheiten in der Kalkulation der Bestandssanierung und die ständig gestiegenen Sicherheitsanforderungen hätten die Bausumme nach oben getrieben. Nein, nicht 185 m hoch, so hoch ist der Nordturm mit seinen 43 Geschossen. So hoch ist auch der Tower 185, alias PWC Tower von Christoph Mäckler vis-a-vis in der Ferne, hinter den anderen Türmen in Downtown Mainhattan. Aber der Turm von Mäckler wirkt irgendwie höher, vielleicht, weil er schlanker aufragt, übersichtlicher irgendwie.

Die EZB, eine mächtig mächtige Institution nicht nur in Europa, residiert also in einem nicht ganz so hohen Turm. Höher sind die Commerzbank, der Messeturm, der Westend Tower, der Main Tower, ja auch das Trianon ist höher, allerdings nur einen Meter. Die Deutsche Bank ist 30 m kleiner, hat allerdings zwei Türme. Pardon, die EZB ja auch, nur sieht man das nicht sofort. Oder besser: nicht von jedem Standpunkt aus.

Spaltung per Beilhieb

Die Idee der Längsteilung des vertikalen Volumens hat in ihrem kolportierten archaischen Akt seiner Herstellung mittlerweile mythologische Züge angenommen: Spaltung per Beilhieb oder auch per Handkantenschlag. Die so hergestellten, ungleichen und gegeneinander um 180 Grad verdreht wieder zusammengestellten (Nord)- und (Süd)türme fassen zwischen sich ein 185 m hohes Atrium. Das aus Gründen der Statik und einer
effizienteren Erschließung allerdings in drei Volumina aufgeteilt wurde.

Hier, im Herzen der Doppelturmanlage, sausen die Fahrstühle in gläsernen Hüllen, und queren schmale Brücken den bis zu 48 m hohen Luftraum. Von hier aus schaut man in Büros, Besprechungsräume, Flure, auf großflächige Sitzlandschaften, Meetingpoints, Infotheken … oder auf Downtown Frankfurt.

Die quer und diagonal durch den Raum schießenden Stahlbetonträger des das Ganze aussteifenden Fachwerks sind von 100 mm dicken Blechen ummantelt, unkenntlich gemacht, mäßig elegant domestiziert.

Dort, wo kein Estrich liegt dämpft Teppichboden den Tritt, dunkelblau ist er in der Konferenzzone, mit eigenartiger aber sicherlich zweckmäßiger Musterlandschaft. Zweckmäßig sind auch die Büros mit graumeliertem Teppich. Die eher kleinen Einheiten entziehen sich wie immer bei CoopHimmelb(l)au dem unregelmäßigen Raster der Großstruktur mit überall rechten Winkeln und sind so Inseln der Normalität im aufgeregten Raumlandschaftsgewoge. Ganz oben im Südturm (also nicht ganz oben, das ist nebenan, im Nordturm) der große Sitzungssaal des EZB-Rats. Hier kann man die Dynamik der Architektur körperlich nachvollziehen: Steht man direkt an der mainwärts geneigten dreischichtigen Schild-Hybrid-Fassade, geht der Blick nach unten weit über den erwarteten Lotpunkt hinaus, es stellt sich ein mulmig schönes Gefühl von Abheben, Fliegen ein.

Die auffällige Möblierung des teils großzügig weiten Umraums in der glatt sanierten Gemüsehalle, aber auch im Foyer, in den Atrien und anderen großen Binnenräumen mit rollenden Pflanzkästen verbreitet ein angenehm normales, man möchte schreiben Sparkassenambiente. Dass Sicherheits- wie auch Klimaschleusen schon mal so gesetzt werden, dass durch ihre Gläsernheit Beton­streben offensichtlich mißmutig durchgestoßen wurden … Nun ja, das verliert sich im Raunen der großen Architektur.

Bravouröses Spiel mit dem Risiko

Die knapp 3 000 Angestellten gelangen von Osten über eine Tiefgarageneinfahrt zu ihrem Arbeitsplatz. Sie fahren dann an den aus dem EZB-Budget finanzierten Ausgleichsflächen mit Fußball- und Basketballplätzen vorbei. Und an einer großdimensionierten Skateranlage mit Street- und Bowl-Landschaft, wo Jugendliche ihr Können in Szene setzen. Die hier gezeigten Tailslides, Airs oder Stand Up Grinds im Deepend scheinen so gar nicht zu dem zu passen, was im Hintergrund mit Hilfe von Architekten und Ingenieuren und sehr viel Geld am nördlichen Mainufer gewachsen ist. Andererseits ist das Bankengeschäft doch genau das: ein mehr oder minder bravouröses Spiel mit einem Risiko, das man immer zu kalkulieren glaubt. Be. K.

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