Fließende Raumsequenz
White O House, Marbella, Chile

Im Ferienort Marbella in Chile werden Ferienhäuser gebaut, 64 Häuser sollen es werden. Bisher gebaut haben fast ausschließlich lokale Architekten wie Mathias Klotz oder Christian de Groote. Nun aber in der Phase 2 der Architekturoffensive kommen auch internationale Architekturbüros zum Zuge, wie Toyo Ito mit seinem Entwurf des White O House. Christian de Groote war Architekt vor Ort.

Das White O House von Toyo Ito ist Teil einer breit angelegten Architektur-und Medienoffensive im chilenischen Ferienort Marbella. Im Rahmen des Projektes Ochoalcubo, das auf mehrere Phasen angelegt ist, wurden preisgekrönte Architekten eingeladen, ihre spezielle Interpretation in Form eines Ferienhauses abzuliefern. Ein einfacher Regelkatalog bildete die Vorgabe und bezog sich dabei auf klar messbare Kenngrößen wie Gebäudeabmessun­gen, Baukosten pro Flächen­einheit, Materialien und regelte mit streng definierten Sichtlinien die grundlegende Forderung nach einer harmonischen Beziehung mit der umgebenden Natur.

Während in der ersten Bauphase ausschließlich lokale Architekten zum Zug kamen, wurde die zweite Bauphase auch für internationale Architekturbüros geöffnet. Das ambitionierte Ziel von 64 Projekten wurde zwar bislang noch nicht erreicht, ein kurzer Blick auf die realisierten Bauten spricht aber für das Konzept einer auf Qualität orientierten Projektentwicklung. Neben der gelungenen Einbettung der Architekturen in die sanft hügelige, mit Waldhainen durchsetzte Landschaft ist die Konzentration einer Vielzahl von Projekten hoher architek­tonischer Qualität auch eine klare Standortbestimmung zeitgenössischer Architekturproduktion. Die mediale Resonanz des Projektes Ochoalcubo ist dem kommerziellen Gedanken dahinter eindeutig dienlich und wurde in der Projektentwicklung klar ins Kalkül gezogen.

Toyo Ito greift mit dem White O House ein Konzept auf, das er bereits 1976 in einem anderen Kontext mit dem White U House erprobte. Ito suchte mit dem White U, das im Jahr 1997 in Tokyo-typischer Manier nach gut 20 Jahren abgerissen wurde, vor allem eine Antwort auf die Realisierung von privater Zurückgezogenheit und Erdverbundenheit in einer dichten urbanen Agglomera­tion. Nach außen hermetisch abgeriegelt, hat sich das White U House ausschließlich über spärlich gesetzte Verglasungen zum kahlen Innen­hof geöffnet. Ähnlich den frühen Konzepten Andos, wie dem Sumiyoshi House, stand dabei die vollständige Ausblendung des urbanen Kontextes im Vordergrund. Das Leben der Bewohner spielte sich in einer sequentiellen Abfolge innerhalb der U-Form ab. Durchblicke zu den gegenüber liegenden
Seiten überlagern sich mit dem Eindruck des privaten
Innenhofes und erzeugen eine introvertierte Stimmung, die trotzdem den Bezug nach Außen thematisiert.

Das White O House in Marbella basiert zwar räumlich auf ähnlichen Ansätzen wie das U House, die topographischen Voraussetzungen
als auch der gewünschte Bezug zur Umgebung stellen allerdings konzeptuelle Erweiterungen dar. Das roh anmutende Betongebäude liegt an einem sanft ansteigenden Hang, der um eine Geschosshöhe bezogen auf die Gebäudetiefe ansteigt. Die streng gerasterte Ge­bäu-defront an der Zugangsseite mit den durchlaufenden, tragenden Wand­scheiben lässt kaum etwas von der räumlichen Komplexität dahinter erahnen. Ein mit Natursteinen gepflasterter Weg führt unter dem Gebäude in einen Innenhof, der neben dem vom Betonband des Daches gerahmten Blick auf den Himmel auch einen Blick auf das
Innenleben des Gebäudes zulässt. Es wäre zwar zu einfach, Itos Zugangskonzept allein mit Hilfe der japanischen Tradition zu erklären, doch lassen sich darin Anspielungen auf das „Roji“-Konzept, das den aufwändig gestalteten Zugang zu Teehäusern in japanischen Gärten beschreibt, erkennen. Zum Innenhof hin ist das Gebäude in unterschiedlichen Transparenzabstufungen vollständig verglast. Raumhohe Verglasungen wechseln sich in privaten Bereichen mit transluzenter Profilverglasung ab. Zur Gartenseite mit dem Pool wird das O vollständig aufgebrochen, eine leicht ansteigende Rampe thematisiert den Höhenunterschied innerhalb des umlaufenden Raumbandes. Ähnlich wie beim U House konzentrieren sich die einzelnen Wohnbereiche in kompakten Clustern. Diese ordnen sich der räumlichen Idee eines umlaufenden, fließenden Raumes unter. Die einzelnen Wohnzonen sind zwar eigenständig artikuliert, lassen aber einen Blick auf die anderen Bereiche zu. Das Gebäude wird zu einem lebendigen Organismus, der den Tagesablauf der Bewohner in das Zentrum setzt.
Das Dach des Gebäudes eröffnet einen grandiosen Blick auf die umliegende Naturkulisse. Erreichbar über eine angedockte Freitreppe wirkt es nicht wie eine Erweiterung des räumlichen Schleifenkonzep­tes, sondern wie eine isolierte eigenständige Plattform. Die eingesetzten wenigen Materialien bleiben natürlich und ergeben eine harmonische Montage mit dem Umfeld. Rohe Betonflächen und groß­-
zügige Verglasungsflächen grenzen die Hülle nach Außen ab. Die einzelnen Raumzonen artikulieren sich als Inseln in einem großen Ganzen und erhalten ihre Identität durch freistehende Möbelobjekte und textile Flächen.


Ito und sein Verständnis von organischer Architektur

Toyo Ito hat in seinen letzten Projekten immer wieder versucht, den organischen Aspekt in seiner Architektur zu thematisieren. Das Projekt für das Taichung Metropolitan Opera House erscheint in diesem Zusammenhang am radikalsten. Othogonale Ordnungsmuster sind im Projekt völlig aufgebrochen, das Gebäude wird zu einer vollständig dreidimensional geformten organischen Struktur. Ähnliche Konzeptansätze sind an einigen Geschäftsprojekten der letzten Jahre in Tokyo (Tods, Mikimoto) abzulesen. Der Grat zwischen formaler Spielerei und räumlicher Innovation ist dabei ausgesprochen schmal. Aufgrund fehlender konzeptueller Anknüpfungspunkte zum Umfeld bleiben manche Projekte, vor allem im urbanen Kontext, verstörend formal und gänzlich auf sich selbst bezogen.

Ganz anders und ähnlich wie bei der Mediathek in Sendai, mit der bewussten räumlichen Bezugnahme auf die im Vorbereich liegenden Baumallee, sind die Muster des White O House. Der Bezug zum Außenraum wird als integrale, konzeptuelle Qualität thematisiert, die formale Ausprägung rückt dabei in den Hintergrund. Weniger die organisch durchgeformte Gebäudestruktur als vor allem die komplexen Sichtbeziehungen innerhalb des Gebäudes und zur umliegenden Natur erweitern den Begriff einer organischen Architektur. Die Natur wird weniger formal simuliert, der Mensch wird, geschützt von der umgebenden architektonischen Hülle, als Teil der bereits vorhanden Natur begriffen. Die Architektur wird zu einer Bühne, auf der die Bewohner geschützt vor der Unbill der Natur permanent in Relation zu dieser gesetzt werden. Kurt Handlbauer, Tokyo

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