Für höhere Semester

Scharouns Versuche, den, wie er es bürokratisch nannte, „Wohnvorgang“ neu zu entwerfen, kulminierten in den 1950er-Jahren in den Wohnhochhäusern „Romeo und Julia“ in Stuttgart. Der Weg dorthin ist die Quintessenz umfassender Studien Scharouns, die dieser für seine eigene Forschung ausgewertet und in seinen Vorlesungen aus den Jahren 1947 bis 1958 konkretisiert hat. Dass er dabei vor allem auf mathematische wie naturwissenschaftlich untermauerte Konzepte setzt, dass er sich Studienreihen vorgenommen hat, die mittels sich wiederholender Variationen am Optimalen sich selbst zu schärfen suchen, erscheint zeittypisch.

Das Resultat – bezogen auf die Hochhäuser in Stuttgart – ist allerdings derart nachhaltig, dass die Grundrisse, dass Erschließung und Wohntypenvarianz bis heute nachgefragt und gelebt werden. Das hier erstmals in dieser Fülle ausgebreitete Planmaterial aus dem Baukunstarchiv der Berliner Akademie der Künste macht teils nachvollziehbar, welche Wege „Romeo und Julia“ gehen mussten, um dort anzugelangen, wo sie heute noch stehen. Dass von hieraus nicht der Versuch gemacht wurde, Scharouns Grundriss­arbeiten über die sehr detaillierte Dokumentation hinaus für das Planen von gegenwärtigem Wohungsbau handhabbar zu machen, enttäuscht am Ende. So haben wir – neben historischen Fotos werden auch aktuelle Bilder gezeigt – eine Arbeit vorliegen, deren wissenschaftlicher Anspruch eingelöst, deren Praxisrelevanz allerdings kaum vorhanden ist. Lesestoff für höhere Architekten­semester; das unbedingt! Be. K.

Markus Peter, Ulrike Tillmann, Hans Scharoun und die Entwicklung der Kleinwohnungsgrundrisse. Die Wohnhochhäuser Romeo und Julia 1954–1959. In Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste, Berlin. Park Books, Zürich 2020, 232 S., 106 Farb- u. 152 sw-Abb.
58 €, ISBN 978-3-03860-156-2
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