Ganzheitliche Vision oder pragmatisches Stückwerk
Prof. Dipl.-Ing. Markus Neppl zum Thema „Stadtentwicklung“

„Noch nie wussten wir so viel über unsere Städte wie heute. Und noch nie waren sie so hässlich.“ Ulrich Maximilian Schuhmann schreibt dies im Katalog zur Ausstellung „New Urbanity“, die zu Beginn des Jahres im Architekturmuseum in Frankfurt gezeigt wurde. Man könnte jetzt darüber streiten, was hässlich und was schön ist, oder man könnte einwenden, dass es heute ausgesprochen schwierig ist, die Verheißungen der schönen Pläne in einer Wirklichkeit wahrhaftig werden zu lassen. Auf Immobilienmessen werden immer neue Großprojekte präsentiert und keine Stadt kann es sich leisten, hier nicht voller Selbstbewusstsein schönste Zukunftsbilder zu bejubeln. Die Realität aber sieht oft anders aus.

Die Strategie vieler Kommunen, sich aufgrund fehlender Mittel aus der aktiven Planung zurückzuziehen und die Realisierung ganzer Stadtviertel professionellen Entwicklern zu überlassen, geht oft nicht auf. Die gebauten Ergebnisse bleiben fragmentarisch und haben mit den schönen Planungsbildern nicht viel zu tun. Die räumliche Qualität der städtebaulichen Grids wird am öffentlichen Raum festgemacht, architektonische Fragen werden oft ausgeblendet. Wenn die Planwerke die rechtlichen und ökonomischen Prozeduren durchlaufen haben, bleibt von den ursprünglichen Zielen meist nicht viel übrig.

Unser Masterplan der Hafencity in Hamburg versucht, einen anderen Weg zu beschreiten. Er wurde als pragmatisch und wenig innovativ kritisiert. Uns wurde vorgeworfen, keine visionäre Antwort auf die zeitgemäße Fortschreibung der europäischen Stadt geben zu wollen.

Berühmte Hamburger Kollegen haben dann in prachtvoll inszenierten Paukenschlägen gezeigt, was sie unter Visionen verstehen. Das Hamburg Lighthouse auf der Spitze des Baakenhafens sollte Hamburgs Beitrag im globalen Wettkampf um das höchste Gebäude der Welt sein, und die Living Bridge soll den lange ersehnten Sprung über die Elbe realisieren. Beide Visionen sprechen die Sprache der rücksichtslosen ökonomischen Ambition und würden alleine durch ihre Größe jede Entwicklung in der Hafencity eher behindern als fördern. Unser Masterplan möchte dagegen Entwicklung stimulieren, eine offene Zukunft nicht mit großen Trugbildern verbauen. Er hat in der Zeit seines Bestehens (Senatsbeschluss vom März 2000) gezeigt, wie seine Konturen durch neue Planungsimpulse eher geschärft als verwässert werden. Die Entwürfe für eine Oper auf dem Kaispeicher A oder die phantasievollen Interpretationen der Freianlagen in der westlichen Hafencity zeigen deutlich, was wir unter einer stimulieren­den strategischen Stadtplanung verstehen.

Das Regelwerk ist kein Gesetz, es geht eher um einen Verhaltenskodex für alle an der Planung Beteiligten. Es sind neben den planerischen und ökonomischen Instrumenten vor allen die Umgangsformen und die Art und Weise der Kommunikation, welche die Qualität eines Plans letztendlich bestimmen. Es wurde schon oft versucht, städtebauliche Pläne, die bis ins Detail ausgearbeitet waren, durch komplizierte Gestaltungshandbücher und Baulinienfestlegungen zu fixieren und in der Umsetzung die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren. Diese Autopilotplanungen führen oft zu erstarrten Ergebnissen, die enttäuschen müssen.

Letztendlich wird der Erfolg der Hafencity aber von der Akzeptanz der Hamburger Bürger abhängen. Erst dann wird sich entscheiden, ob sie ein lebendiger und farbiger Stadtteil wie Altona oder Eppendorf­ wird, oder über eine bloße Zweckmäßigkeit wie die City Süd nicht hinauskommen kann.

Der Architekt:
Prof. Dipl.-Ing. Markus Neppl, geboren 28.05.1962 in Duisburg, 1983-1990 Studium RWTH Aachen, 1990 Diplom mit Auszeichnung. 1990 Gründung Astoc Architects & Planners, Köln, mit Kees Christiaanse, Peter Berner und Oliver Hall, seitdem Netzwerk mit Kees Christiaanse / KCAP, Rotterdam. Ab 1997 verschiedene Lehraufträge, 1999 Professur für Städtebau und Entwerfen, Universität Kaiserslautern; 2001 Mitglied BDA. 2003 Gründung ASTOC GmbH & Co. KG, Köln/Partner und Gesellschafter, 2003 Professur für Stadtquartiersplanung und Entwerfen, TH Karlsruhe. 1990-2007 zahlreiche Publikationen, Vorträge, Preisrichtertätigkeiten, Workshops sowie Preise und Auszeichnungen in nationalen und internationalen Wettbewerben. www.astoc.de

Zum Thema:
New Urbanity, Die europäische Stadt im 21. Jahrhundert. Hrsg. v. A. Becker, K. Jung u. P. Cachola Schmal. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2008

x

Thematisch passende Artikel:

Lokale Identität - Sehnsucht oder Wirklichkeit

Stadtgespräch am 9. Juni 2011, Oldenburg

Architekt Markus Neppl von ASTOC Architects and Planners/ Köln spricht im bau_werk über Lokale Identität. Kann unter den heutigen Bedingungen noch lokale Identität weitergeführt werden oder ist...

mehr
Ausgabe 07/2011

10. Brillux Architektenforum in Hamburg www. Brillux.de

Das wissen Architekten schon seit langem: Auf den Brillux Architektenforen werden aktuelle Architekturprojekte von den Entwurfsverfassern selbst konzeptionell vorgestellt und erläutert. Architekten...

mehr

New Urbanity

Ausstellung über die Europäische Stadt im 21. Jahrhundert vom 6. Dezember 2008 bis 22. Februar 2009, Frankfurt/Main

Die Ausstellung "New Urbanity - Die Europäische Stadt im 21. Jahrhundert" im Erdgeschoß des Deutschen Architekturmuseums stellt anhand von Fotografien, Plänen und Originalmodellen siebzehn...

mehr
Ausgabe 08/2011

Mann, Team, Apparat & Spagat: Der Architekt, Planer und Hochschullehrer Kees Christiaanse ,KCAP Architects & Planners

Es gibt einen schönen alten Witz über den früheren Bundesaußenminister Dietrich Gentscher, der sich ob seiner Umtriebigkeit manchmal in den Lüften mit zwei Regierungs­maschinen selber begegnet...

mehr

Wenn Du ein Haus baust, denke an die Stadt

Podiumsdiskussion am 9. Dezember 2011, Köln

Unter dem Leitsatz Luigi Snozzis, der auch exemplarisch für die Arbeit des Kölner Büros ASTOC stehen könnte, diskutieren die Architekten anlässlich einer kürzlich im Berliner Jovis Verlag...

mehr