Historisches Museum Frankfurt a. M.

Am Ende, das im Entstehungsprozess eines Gebäudes meist auch ein Anfang ist, zeigte sich Arno Lederer gemischt in der Stimmungslage. Wir saßen nach einem längeren Rundgang durch den Neubau des Historischen Museums im kleinen Café auf der Terrasse. Die liegt tief und hinter dem Platz, der sich zwischen Empfangsriegel im Süden mit Büro- und anderen Nebenräumen und dem Ausstellungsriegel auf der nördlichen Platzkante öffnet. Der Platz ist neu in Frankfurt und er ist etwas, auf das der Architekt stolz ist. Für seine Partnerin, Jórunn Ragnarsdóttir, die wesentlich den Wettbewerb gestaltet hat, ist der Platz gar „der erste Ausstellungsraum“.

Diese besondere städtebauliche Konzeption, so Arno Lederer im Gespräch, habe wesentlich mit dazu beigetragen, dass Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart, 2007 den beschränkten, einstufigen Realisierungswettbewerb für sich entscheiden konnten. Natürlich vieles andere auch, aber gerade das Offenhalten, die Schaffung öffentlichen Raums im Herzen der Bankenstadt hatte überzeugt. Vorher stand an dieser Stelle einer dieser „Betonklötze“, denen zurzeit überall der Garaus gemacht wird. In Frankfurt war das – neben seinem prominenten Beinahegegenüber Technisches Rathaus – eben das Historisches Museum am Römer. Das hatte auch einen Hof, der lag allerdings innen. So war das damals üblich. Man sollte, vom Eindruck der ausgestellten Objekte noch ganz erfüllt, hinaus gehen können, Luft holen ohne gleich auf der verkehrslauten Straße zu stehen. Nun, die Straße ist längst verkehrsberuhigt und so durften LRO einen sich zu eben dieser Straße öffnenden Hof platzieren. Ansonsten nehmen die diesen Hof bildenden Riegel des Neubaus historische Straßen- bzw. Grenzverläufe wieder auf.

Der Abriss des Betonklotzes stand im Zusammenhang mit dem sogenannten „Dom-Römer-Projekt“, das kurz vor dem Wettbewerb über einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung festgeschrieben worden war. Gleichzeitig wurde das Technische Rathaus abgerissen, auf dessen Trümmern jetzt verschiedene Architekten verschieden gekonnt versuchen, Altstadtflair zu verbreiten: schmale Gassen, antiquierte Giebelfassaden, Gauben und das Kopfsteinpflaster nicht zu vergessen.

Der Entwurf des Museums ist so schlicht wie zwingend logisch: Aufgeteilt in Ausstellung einerseits und Verwaltung mit zentraler Erschließung und Nebenräumen andererseits, wird beides über einen großen Raum unterhalb des Platzes verbunden. Hier finden sich auch die Toiletten, Garderoben und ein mittig platzierter kreisrunder Raum, der ursprünglich einmal eine Art Tageslichtbrunnen hätte sein sollen/können. Man könne sich das doch vorstellen, so Arno Lederer: Die Menschen sitzen vor oder nach dem Besuch noch auf den Bänken und fühlen sich möglicherweise magisch angezogen von der Lichtquelle, die diffuse Helligkeit ins Runde streut.

Aber jetzt ist dieser Raum grell hell, Kunstlicht leuchtet allen ins Gewissen und was hinter der hölzernen Verkleidung demnächst enthüllt wird und von oben durch einen Messingguckkasten zu bewundern ist, hat der Autor nicht verstanden. Die Ausstellungsräume waren – sie sind jetzt ja gefüllt mit allem Möglichen – vier weite Ebenen eines großen Lagerhauses vielleicht, in dem man hätte spielen können. Ohne zu stopfen, ohne farblich und mit Ausstellungsmöbeln zu schreien. Lagerflächen für das Historische. Stückgut hätte es sein können, Gabelstapler würden Kisten fahren, Inventurlisten auf Monitoren strahlen. Davon ist leider nichts, das Ausstellungskonzept, die Didaktik macht ein anderes Büro. Weil man das den Architekten nicht zugetraut hat? Arno Lederer sagt dazu nichts.

Er fühlte sich aber nicht sonderlich wohl in dem vom Aufbau noch gekennzeichneten Ausstellungskonzept, das das Erleben der Dinge befördern möchte. Vielleicht in die Köpfe der Betrachter, vielleicht woanders hin. Bunte Kistenwaren sehen wir nun, nett in Form gebracht. Die Frankfurter werden es lieben, so wie sie ihre neue Altstadt gegenüber auch lieben werden.

Dass LRO sich mit dem Neubau von der Altstadtrekonstruktion distanziert, sieht man. Man habe, so Jórunn Ragnarsdóttir, eine
Architektur gewollt, „die Vergangenes vermittelt, ohne selbst wie Vergangenes auszusehen.“ Dass der Neubau schon 2012 eröffnet werden sollte, was aber aus verschiedenen Gründen erst fünf Jahre später geschieht, ist ein wesentlicher Grund für die oben genannte Gemengelage der Architektengefühle. Archäologische Funde, ihre Dokumentation und  ihre Einarbeitung in den Entwurf sowie Insolvenzen von Bauunternehmen haben das Stuttgarter Büro viel Leerlauf und also Geld gekostet. Dass sie dennoch das Budget von rund 54 Mio. € haben halten können, weist darauf hin, woher das Ansehen von LRO in der deutschen Architekturlandschaft eben auch kommt.

Als wir uns verabschiedeten – Arno Lederer hatte eine weitere Führung durch das Haus auf sich genommen – meinte der Architekt noch, dass weitere schöne Aufgaben auf ihn und sein Team warten und dass das Museum in Frankfurt doch ganz gut geraten sei, oder?! Ja, es gehört sicherlich zu den besten Neubauten in der sich gerade heftig neu modellierenden Mainmetropole. Be. K.

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