Hochschule Luzern – Design & Kunst, Emmen/CH
„Die Auseinandersetzung mit bestehenden Strukturen ist vielleicht eines der wichtigsten Themen der Architekten unserer Zeit. Dieses Projekt ist ein großartiges Beispiel für den sensiblen Umgang mit einem bemerkenswerten Altbau. Das ausgediente Gebäude wurde dabei äußerst erfolgreich der neuen Nutzung zugeführt. Durch die freie Zugänglichkeit der unteren Ebenen und die geschickte Anbindung an die angrenzende Parklandschaft ist die Hochschule mit der Öffentlichkeit vernetzt, Austausch und Kommunikation werden gefördert. Das robuste Gesamtkonzept wird den Anforderungen eines modernen Hochschulbaus mehr als gerecht.“
⇥DBZ Heftpate Andreas Schulte
Sechs Abteilungen vereint die Hochschule Luzern, dies aber an zahlreichen Orten in den Kantonen Luzern und Zug. Auch die Abteilung Design & Kunst fand sich bis 2017 auf sechs Standorte verteilt. Mit dem Blick auf das nordwestlich an Luzern angrenzende Emmen, genauer auf die Umplanung eines ehemalig reinen Industrieareals in Emmenbrücke, änderte sich das. Ab der Jahrtausendwende führten sowohl der Niedergang der ansässigen Garnindustrie als auch die Entwicklung des Emmenbrücker Zentrums zu einer Neuorientierung. Zunächst formulierte der Masterplan Stadtzentrum Luzern Nord Maßnahmen, die das Bauen und Planen in der Luzerner Agglomeration gemeindeübergreifend koordinieren. Für das Industrieareal westlich des Emmenbrücker Bahnhofs schrieb die Monosuisse AG, die hier heute noch Garne produziert, einen städtebaulichen Studienwettbewerb aus. Einige der industriellen Bauten auf dem 90 000 m² großen Areal standen leer, andere wurden genutzt oder eine Zwischennutzung diskutiert. Die Zürcher Architekten EM2N schlugen 2012 in ihrem Masterplan vor, mit Sanierungen und Neubauten ein durchmischtes Schul-, Wohn- und Arbeitsquartier zu schaffen. Die produzierenden Einheiten behalten dabei dennoch ihren Platz und das Areal seinen Industriecharme, die bisher „verbotene Stadt“ öffnet sich aber zur Umgebung und zum angrenzenden Fluss. Als Anker- und Leuchtturmprojekt fungiert die Hochschule Luzern – Design & Kunst, die eines der umgebauten und sanierten Gebäude beziehen sollte. Nach etlichen Jahren der Raumrochaden und des Platzmangels erhielten hier mehrere Bereiche des Departements erstmals passgenaue Räume. „Die Hochschule als Ankermieter war für die Entwicklung des Areals sehr wichtig», erläutert Bernd Druffel, Gesamtleiter bei EM2N. „Zwei Jahre nach Bezug von Haus 745 stellt nebenan Architekt Harry Gugger noch dieses Jahr den Erweiterungsbau fertig.“
Dem Masterplan treu bleiben
Der Masterplan für das mittlerweile Viscosistadt genannte Areal beinhaltete für die Architekten auch den Direktauftrag für das erste Gebäude, Haus 745. In dem sechsgeschossigen Industriebau von 1970 wurden einst in hellen, hohen Räumen Garne produziert. Da das Gebäude nicht denkmalgeschützt ist, gab es keine externen Auflagen – wohl aber selbst gesetzte. „Es wäre nicht im Sinne unseres Masterplans gewesen, gleich das erste Gebäude komplett umzuformen“, so der Architekt. Das Haus sei für die Spezialnutzung durch die HSLU prädestiniert gewesen. „Die vorgefundene Struktur mit weit gespannten, dünnen Rippendecken und enormen Raumhöhen von knapp 5 m ermöglichte es uns, wirklich große Studienbereiche zu schaffen.“ Bei allen Maßnahmen sollte zudem die Qualität dieser Ingenieursarchitektur erhalten bleiben und wieder nutz- und erlebbar werden.
Das Raumprogramm erarbeiteten Schule und Architekten gemeinsam mit dem Fachplaner für die Haustechnik der Hochschule. Es war klar, welche Abteilungen in der Viscosistadt neue Räume bekommen sollten, die genaue Aufteilung fand man anhand von Machbarkeitsstudien zu den einzelnen Platzbedürfnissen. Nach mehreren Varianten war die Anordnung der Gruppen klar und ebenso, welche Abteilungen erst im Neubau unterkommen würden. „Die jetzt integrierten Studienbereiche haben ihr komplettes Raumprogramm erhalten“, sagt Druffel. „Der Kostendruck war hoch, was sich vor allem in der technischen Ausstattung des Hauses niederschlägt.“ So ist Haus 745 in den Atelier- und Bürogeschossen ein Low-Tech-Gebäude geworden. Die neuen Fenster sind hochwertig und die Wände gedämmt, aber gelüftet wird manuell. Nur die innen liegenden Räume und solche mit erhöhten Anforderungen sind mechanisch belüftet. Bei den Umbaumaßnahmen griffen die Architekten so zurückhaltend wie möglich in den Bestand ein. Die großen Öffnungen mit neuen Verglasungen zwischen den nun gedämmten Betonelementen der Ostfassade blieben bestehen, um auch der Bestellung der HSLU gerecht zu werden: so viel Licht wie möglich.
Ein Herzstück für das Areal
Weil die extrem reduzierte Tragstruktur des Hauses weder für zusätzliche große Lasten noch Aussparungen verändert werden sollte, nutzten Architekten und Fachplaner das Vorhandene: Haustechnik-Leitungen führen durch bestehende Träger-aussparungen. Und statt eines weiteren internen Treppenhauses entschied man sich für eine außen vorgelagerte Stahlkonstruk-tion. Diese erweitert sich im Erdgeschoss sowie im ersten Obergeschoss zu einer Art Laubengang, der die stark frequentierten Räume dahinter zusätzlich anbindet und die Personenströme entflechtet. „Es war nicht einfach, ein veraltetes, vormals industriell genutztes Gebäude brandschutztechnisch auf eine Hochschule und große Menschenmassen zu adaptieren“, erklärt Bernd Druffel. Hierbei half aber auch, die Räume logisch im Haus zu verteilen – die Säle befinden sich in den unteren Geschossen, die weniger stark belegten Ateliers darüber und die Büros ganz oben. Das Media Lab im ersten Obergeschoss ist frei zugänglich, während die Nutzung der Ateliers und Schulungsräume den einzelnen Studiengängen der Schule vorbehalten ist. Das Erdgeschoss wiederum ist öffentlich und nimmt die Bibliothek, einen Ausstellungsraum sowie eine Bar auf. Hier will die Schule Treffpunkt sein, der mit dem Park verbunden ist und in der Entwicklung der Viscosistadt eine zentrale Rolle einnimmt.
Der zu früheren Zeiten als Erweiterung aufgesetzte Leichtbau im Dachgeschoss wurde lediglich renoviert; hier befinden sich Verwaltung, Direktion und Forschungsbereiche sowie zwei große Theorieräume. Während dieses sowie die meisten anderen Geschosse nur über eine Low-Tech-Ausstattung verfügen, braucht das Untergeschoss viel Technik. Als Haus-im-Haus-Konzept sind hier die Soundstudios untergebracht, mit schallsensiblen Räumen und Schnittplätzen. „Früher kannten wir das Gelände nur als Baustelle und hin und wieder gab es ein Atelier oder eine Werkstatt“, so Druffel. „Heute hingegen wirkt die Umgebung belebter, auch wenn wir uns zukünftig noch mehr Aktivität hier wünschen. Unseretwegen dürfte das Haus von der Schule und den Studierenden ruhig noch mehr beansprucht werden. Sprich: Die Kunst dürfte mehr nach außen ‚wuchern‘.“
Die langen Ansichten des Gebäudes unterscheiden sich aber schon deutlich und können als Symbol der Neuorientierung verstanden werden: Während sich die Fassade mit dem Haupteingang am Nylsuisseplatz mit der Sanierung optisch kaum verändert hat, entspricht die Westseite dem heutigen Zeitgeist. Die zum Emmenpark gerichtete Fassade befreiten die Architekten von dem vorgelagerten Hochregallager, öffneten die nun freie Wand und setzten neue Verglasungen ein.
Auf lange Sicht
Im benachbarten Neubau kommen nicht nur weitere Hochschulräume unter, sondern auch eine Mensa. Diese Versorgungsmöglichkeit vor Ort und die etappenweise Weiterbebauung und -umnutzung des Areals machten das Industriegebiet Stück für Stück lebendig. So wie der Einzug ein Befreiungsschlag für die Hochschule war, liegt auch in der künftigen Um- und Neunutzung der umstehenden Gebäude großes Potential für die Entwicklung des Ortes. Mit der HSLU scheint ein idealer Ankermieter gefunden, der das Leben förmlich anzieht.
Katinka Corts, Zürich/CH
Baudaten
Objekt: Hochschule Luzern Design & Kunst
Standort: Nylsuisseplatz 1, 6020 Emmen/CH
Typologie: Hochschulbau
Bauherr: Viscosistadt AG, Emmen/CH,
Nutzer: Hochschule Luzern
Architekt: EM2N Architekten AG, Zürich/CH,
Bauleitung: Architektur & Baumanagement AG, Luzern/CH, www.archbau.ch
Bauzeit: 2014 - 2016
Fachplaner
Landschaftsarchitekt: Studio Vulkan, Zürich/CH, www.studiovulkan.ch
Bauingenieur Hochbau: Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel/CH, www.schnetzerpuskas.com
Bauingenieur Tiefbau: Emch+Berger WSB AG, Cham/CH, www.emchberger.ch
HLKKS-Planung: Josef Ottiger & Partner AG, Rothenburg/CH, www.jop.ch
Elektroplanung: Jules Häfliger AG, Luzern/CH,
Bauphysik: Ragonesi Strobel & Partner AG, Luzern/CH, www.rsp.lu
Projektdaten
Grundstücksgröße: ca. 5 900 m²
Nutzfläche gesamt (Schweiz Geschossfläche SIA 416): 13 752 m²
Technikfläche / Funktionsfläche: 344 m²
Verkehrsfläche: 1 453 m²
Baukosten
Baukosten gesamt: 24 Mio. CHF
Gebäudehülle
Holz-Metallfenster 3-fach IV, Festverglasung
Ug (Glas) = 0,6W/m²K, g-Wert = 55%
Uf (Rahmen) = 1,5W/m²K
Hersteller
Fenster: Baumgartner Fenster,
Türen: RWD Schlatter AG, www.rwdschlatter.ch
Sonnenschutz: Griesser AG, www.griesser.ch
Bodenbeläge (Linoleum): Forbo Flooring GmbH, www.forbo.com
Trockenbau: Knauf Gips KG, www.knauf.ch
Aufzugsanlage: Schindler Aufzüge AG,