Fassadenspiel aus
Holz und Beton
Holzwohnbau, Seestadt Aspern, Wien/AT

Zwei Architekturbüros aus Wien, Berger+Parkkinen Architekten und querkraft architekten, haben einen Geschosswohnungsbau mit 213 Wohnungen gemeinsam entworfen und realisiert. Holz und Vorfertigung waren von Anfang an Leitideen in der Planung. Es ist das erste Gebäude in Wien mit einer sichtbaren Holzfassade bei einer Gebäudehöhe von 21 m.

Die „Seestadt Aspern“ ist das größte Städtebauprojekt, das zurzeit in Europa realisiert wird. Auf dem Gelände eines ehemaligen Flughafens vor den Toren Wiens sollen einmal ca. 10 500 Wohnungen und 20 000 Arbeitsplätze entstehen. Das Projekt von Berger+Parkkinen Architekten und querkraft architekten steht auf einem Baufeld im Südosten des ersten Bauabschnitts. „Ich will mal mit dem Unwichtigsten beginnen“, sagt Peter Sapp von querkraft architekten. „Das sind die Stellplätze.“ Auf dem Grundstück mussten die Architekten Stellplätze für mehrere umgebende Baufelder im Stadtteil unterbringen. Als Lösung schufen sie eine Sockelzone in Form einer begehbaren, gestalteten Landschaft, in der sie die Garage unterbrachten. Um an den Straßen nicht in ein Parkhaus blicken zu müssen, platzierten sie zweigeschossige Gewerbeeinheiten und Atelierwohnungen an den Rändern. Im östlichen Sockelrand befinden sich Gemeinschaftsflächen mit einem Wellnessbereich für die Bewohner. Der Clou ist ein öffentlicher Weg, der sich im Erdgeschoss von Ost nach West wie ein Canyon durch die Sockellandschaft zieht. Über diese Landschaft legten die Planer drei, vier- bis siebengeschossige Riegel mit Wohnungen, die in Nord-Süd-Richtung verlaufen und so optimale Lichtverhältnisse schaffen. In einem lockeren Wechselspiel von Einbund und Zweibund wandelt sich die Erschließung mal vom Laubengang zum innenliegenden Flur und ermöglicht so angenehme Ein- und Ausblicke auf die darunterliegende Landschaft. Die Wohnriegel bestehen aus verschiedenen Wohnungstypen von der Einzimmer- bis zur Fünfzimmerwohnung. Dazu merkt Architekt Peter Sapp an: „Das vielfältige Typenspiel entspricht den Bedürfnissen der Bewohner und des Bauträgers, dessen Prämissen Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Flexibilität waren.“

Konstruktion und Fertigteile

„Nachhaltigkeit spielte eine große Rolle im Planungsprozess“, erklärt Architekt Sapp. „So haben wir uns schon im Wettbewerb für eine Konstruktion entschieden, die eine große Flexibilität – auch in der Nachnutzung zulässt.“ Eine Betonskelettkonstruktion mit einer Nebenraumzone entlang der Erschließung und mit zentralen Versorgungsschächten ermöglicht variable Grundrisse. Die Wohnungstrennwände waren im Wettbewerb auch als Holzfertigteile vorgesehen, sind aus Kostengründen jedoch im Trockenbau ausgeführt worden und können bei Bedarf jederzeit entfernt und an anderer Stelle neu gesetzt werden. Das Gleiche gilt für die Fassaden, die aus einem Wechselspiel von Balkonen aus Betonfertigteilen und geschosshohen Holzelementen bestehen. Dass die Tragkonstruktion als Betonskelett ausgeführt worden ist, brachte einige Herausforderungen in Logistik, Terminen und Toleranzen für die Montage der Fassadenelemente.

Vorteile von Fertigteilen

„Wir beginnen immer mit dem Fenster“, beschreibt Produzent Christof Müller die Herstellung der Holzfassadenelemente. „Das Fenster muss als erstes geplant werden, weil es aus vielen verschiedenen Elementen besteht, die angeliefert und zusammengesetzt werden müssen. Beim Massivbau ist es genau anders herum. Da wird erst gemauert, und dann kommen die Fensterbauer und messen die Öffnungen, um die Fenster passend bauen zu können.“ Sind die Fenster in der Produktionshalle eingetroffen, dauert die Fertigung der Fassadentafeln nur noch ein bis zwei Tage. Alles wird so präzise geplant, dass die Holzelemente auf den Tag genau zur Baustelle kommen und eingebaut werden. „Die Planungsphase für die Fertigteile ist also aufwändiger. Jeder Nagel muss sitzen. Dafür bietet die Vorfertigung danach sehr viele Vorteile“, fährt Müller fort. Die Produktion der Elemente erfolgt witterungsunabhängig in der Halle. Seine Mitarbeiter können am Boden arbeiten und benötigen keine Gerüste. Das führt zu qualitätsvolleren Ergebnissen. Alles ist CNC-gesteuert, sodass später jederzeit ein Element nachproduziert und ersetzt werden kann. Ein weiterer wesentlicher Vorteil von Holzfertigteilen in der Fassade ist der geringere Wandaufbau im Vergleich zum Massivbau, da die Konstruktion in der Dämmebene liegt. „Durch die schlanke Gebäudehülle haben wir beim Wohnprojekt in Aspern rund 100 m² an Nutzfläche gewonnen“, betont Müller. Die Holzkonstruktionen sind zudem sehr ökologisch, bestehen aus natürlichen Materialien und können – ohne Sondermüll – recycelt werden. Fazit: Ist die Planung auch zeitintensiver, so sind Produktion und Montage auf der Baustelle wesentlich schneller und effektiver.

Besondere Herausforderungen bei der Montage

„Wir haben mit der Fixierung der Betonbalkone begonnen“, beschreibt Robert Haranza, Projektleiter bei querkraft architekten, die Errichtung der Fassaden. Die Fassadenelemente wurden dann nacheinander Geschoss für Geschoss am Rohbau angebracht. Architekt Haranza fährt fort: „Wir haben zunächst die Betonbalkone an vier Punkten am Rohbau befestigt. Diese Punkte mussten die Toleranzen zwischen Rohbau und Fassadenfertigteilen auffangen.“ Man hatte sich im Vorfeld darauf geeinigt, zwischen den Betonfertigteilen und den Holzfassadenelementen grundsätzlich eine Toleranzfuge von 2 cm einzuplanen. Diese Fugen mussten vor Ort auf der Baustelle geschlossen werden. „Innen gibt es eine Vorsatzschale aus Gipskarton“, erklärt Robert Haranza. „Die Handwerker füllten den Spalt mit Steinwolle und dichteten ihn von außen ab.“

„Die Entscheidung, die Fertigteile geschossweise zu montieren, stellte uns vor besondere Herausforderungen“, betont Produzent Christof Müller. „Im Fertigteilbau ist es grundsätzlich einfacher, Baukörper für Baukörper zu richten. Denn dann können wir alles am Stück mit einem Montagekran erledigen.“ In Aspern musste sich die Anbringung der Fassadenfertigteile jedoch nach dem Fortschritt des Rohbaus richten. Während in den oberen Geschossen noch betoniert wurde, wurden unten schon Fassadenelemente montiert. Der Rohbau und das vorgegebene Betonstützenraster führten auch dazu, dass nicht alle Fassadenbereiche mit vorgefertigten Elementen geschlossen werden konnten. „Besonders im Bereich der Eckstützen mussten wir vor Ort nacharbeiten“, beschreibt Christof Müller.

Brandschutz

Das gelungene Fassadenspiel mit den Betonloggien ist nicht nur Gestaltung. Es hat durchaus einen funktionalen Aspekt. „Um Brand­überschlag zu vermeiden, sind die Balkone versetzt, keine Balkontür liegt über der anderen“, erklären beide Planer. In Sachen Brandschutz erfüllen die Holzfassadenelemente den Brandschutzstandard EI 90. Der Wandaufbau wurde im Vorfeld von den Brandschutzplanern mit den Behörden ausgehandelt. „Außerdem ist das Gebäude an eine Brandmeldeanlage angeschlossen, sodass die Feuerwehr im Brandfall binnen fünf bis sechs Minuten vor Ort sein kann“, fährt Architekt Haranza fort. So ist der vielseitige und attraktive Wohnungsbau das erste Gebäude in Wien mit einer sichtbaren Holzfassade bei einer Gebäudehöhe von 21 m. Um den Brandüberschlag von Geschoss zu Geschoss zu vermeiden, sind zwischen den Holzfertigteilen Brandüberschlagsbleche montiert, die ca. 12 cm aus der Fassade herausragen. Wie beim Versatz der Balkone ist dieses funktionale Brandschutzelement zugleich ein sehr gelungenes Gestaltungsmerkmal in den Fassaden. Susanne Kreykenbohm, Hannover

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