Standpunkt Ingenieur

„Ingenieur-Bau-Kultur. Anspruch und Zukunft“

Dipl.-Ing. Rolf Jung

zum Thema „Ingenieurbauten“

Ingenieurbauwerke – also Brücken, Tunnel, Kraftwerke, Staudämme, Türme etc. sind wesentliche Teile unseres zivilen Lebens und in erster Linie durch Technik und Funktion geprägt. Da wir jedoch bewusst oder unbewusst ständig und über Generationen hinweg mit ihnen konfron­tiert werden und mit ihnen leben (müssen), sind Ingenieurbauwerke ein wesentlicher Teil unserer Baukultur.

Große Baumeister prägten das ästhetische Empfinden ihrer jeweiligen Epoche und schufen eine Baukultur, auf die Europa Jahrtausende lang stolz sein konnte. Damit wir diesem besonderen baukulturellen Anspruch auch zu­künftig genügen, müssen die Bauingenieure nicht nur die technischen und funktionalen Nachweise aus einem immer engeren Vorschriftennetz erfüllen, sondern sich in gleicher Weise mit der gestalterischen Qualität ihrer Bauwerke – den Ingenieurbauwerken – intensiv auseinandersetzen.

Beim Entwerfen von Ingenieurbauwerken müssen sich technische und wissenschaftliche Grundlagen mit Kreativität, Phantasie, mit Ideen und subjektivem Empfinden zu einer Harmonie zusammenfinden. Unterschiedliche Materialien müssen, sinnvoll dem Kraftfluss folgend, gut proportioniert und in respektvollem Maße, an dem individuellen Ort zusammengeführt werden, ohne die Funktion zu beeinträchtigen. Hierfür gibt es jedoch keine Vorschriften – zum Glück. Auch der Computer kann uns diese Aufgabe nicht abnehmen – er kann uns nur unterstützen. Dies macht den Reiz aus und stellt die Herausforderung an jede einzelne Aufgabe neu. Der Bauingenieur wird somit zum Baumeister im klassischen Sinn, der alle Komponenten des Bauens – im Besonderen auch die Gestaltung – zu einer gelungenen Einheit zusammenfügt.

Wenn es uns gelingt, den Anspruch an Baukultur zu erfüllen, entstehen zwangsläufig innovative Ingenieurbauwerke, die auch im internationalen Vergleich Beachtung und Anerkennung finden. Als rohstoffarmes Land sind wir heute und in Zukunft mehr denn je auf den Export von Kreativität und Ideen angewiesen. Lasst uns einen Ideenwettbewerb starten – keinen Preiswettbewerb.

Qualität hat auch ihren Preis – dies gilt selbstverständlich auch für die Ingenieurbaukultur. Planer und Bauherren müssen ihrer Verantwor­tung gerecht werden. Große öffentliche Bauherren wie das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Städtewesen und auch die Deutsche Bahn AG, widmen sich verstärkt den Ingenieurwettbewerben wie sie in der Architektur üblich sind. Diese Initiative für Baukultur ist ausdrücklich zu begrüßen und konsequent fortzuführen. Die Durchführung und Umsetzung solcher Wettbewerbe bedeutet selbstverständlich einen erheblichen Zusatzaufwand und eine Investition für alle Beteiligten. Investitionen in Baukultur sind jedoch immer auch Investitionen in Nachhaltigkeit und in die Zukunft. Die Fortführung einer hochwertigen Ingenieur-Bau-Kultur ist Anspruch und Zukunft zugleich.

Der Ingenieur

Dipl.-Ing. Rolf Jung, Jahrgang 1963, studierte in Coburg und Stuttgart Bauingenieurwesen und ist seit 1993 bei Leonhardt, Andrä und Partner tätig. Seit 2007 leitet er die Niederlassung in Dresden mit ca. 40 Mitarbeitern und ist seit 2010 Geschäftsführender Gesellschafter der LAP GmbH. Schwerpunkte der Tätigkeit sind der Entwurf und die Tragwerksplanung von Brücken- und Hochbauten im In- und Ausland. Über 10 Elbebrücken, mehrere Rheinbrücken, zahlreiche Wettbewerbsbeiträge für Ingenieurbauwerke, Krankenhäuser und Schulbauten tragen die Handschrift der Planer von LAP. www.LAP-consult.com

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