LEED Platinum
Cherokee Lofts, Los Angeles, Kalifornien/USA

Los Angeles hat eine lange Tradition von progressiven und experimentellen Architekturentwicklungen. Mögen auch die geschwürartigen Auswüchse von endlosen Reihen von „Spanish Colonial“ und einfältigen Tract Homes (Bauträger Modellen) das Bild bestimmen, so gibt es doch eine Reihe von avantgardistischen Architekturen mit sozialkritischem Ansatz.

Die Case Study Houses gehören sicherlich zur berühmtesten Ära des „Golden West“. Aber auch Frank Lloyd Wright, Richard Neutra und Rudolf Schindler bereicherten die Architekturlandschaft der Millionenmetropole nicht zu vergessen John Lautner mit seinem eigenwilligen Formenrepertoire.

In Bezug auf ökologische Aspekte der gebauten Umwelt, ohne die sich heute kaum noch etwas vermarkten lässt – und sei es nur als Garnitur – fällt einem sicherlich nicht Los Angeles ein, das eher für Energieverschwendung und die Huldigung der schönen Form, bzw. des Scheins steht. Aber genau aus den genannten Gründen bietet Los Angeles ein ungeheures Potential an Einsparmöglichkeiten und in ökologischer Hinsicht vorbildliche Bauten verdienen hier besondere Würdigung – auch wenn sie noch meilenweit von hiesigen Normen und Passivhausstandart entfernt sein mögen.


Angestrebt: Das erste LEED Platinum Zertifikat in Hollywood

Mit den Cherokee Lofts streben Pugh+Scarpa das erste LEED Platinum Zertifikat in Hollywood an, was zugleich die erste Auszeichnung der höchsten Kategorie für Gebäude mit einer Mischnutzung aus Wohnen und Gewerbe  in Südkalifornien wäre. Nun ist der mittlerweile international etablierte LEED-Begriff zwar kritisch zu hinterfragen, da er sich aus einer Summe von Einzelaspekten erzielen lässt und somit im wahrsten Sinne des Wortes sehr durchschnittliche Ergebnisse hervorbringen kann. Er sollte  aber zumindest als Ansporn gesehen werden, Gebäudeplanungen nicht primär nach formalen Aspekten zu betreiben.

Die Cherokee Lofts liegen an der North Fairfax Avenue, nur einen Block von der angesagten Melrose Avenue mit ihren Designerboutiquen und Cafés – und sammelt damit schon die ersten LEED-Punkte für fußläufige Einkaufsmöglichkeiten, also reduzierten Individualverkehr. Die Fairfax Avenue ist ein der übergeordneten Verkehrsadern von LA und machte somit auch erhöhten Lärmschutz erforderlich.

Mit einer GRZ von fast 1,0 und einer viergeschossigen Bebauung weist das Grundstück eine für Los Angeles seltene Dichte auf. Nichtsdestotrotz bietet das Gebäude mit seinen 12 Wohnlofts und ca. 250 m² Gewerbefläche nicht weniger als 27 Stellplätze an!

Die Tiefgarage besetzt das gesamte Grundstück. Darüber springen die vier Geschosse zu den benachbarten Grenzen fast zwei Meter zurück, reichen aber an den schmalen Erschließungsseiten bis an die Grundstücksgrenzen. Die öffentliche Fassade liegt nach Osten an der Fairfax Avenue und beherbergt im EG die Gewerbefläche. Die Zufahrt zur Tiefgarage und zum ebenerdigen Parken erfolgt nach Westen über eine schmale Anlieferungsgasse, was nicht nur zur Rush Hour enorme Vorteile bringt. Fußläufig lassen sich die Cherokee Lofts über den Bauwich zu beiden Seiten erschließen, wobei der offizielle Eingang auf der Nordseite liegt. Im für Los Angeles typischen, oft kontextlosen lockeren Gefüge der Baukörper wirken die Cherokee Lofts außergewöhnlich kompakt. Nach außen wirkt der Baukörper äußerst zurückhaltend, schlicht und klar durchstrukturiert.

Bei genauerer Betrachtung überrascht er aber mit einer komplexen Struktur und Vielgestaltigkeit. Vom Erdgeschoss gelangt man via Aufzug oder über zwei Freitreppen in die drei Wohngeschosse. Ab dem 1. OG beginnt der zentrale Innenhof, der das Gebäude in eine östliche Hälfte mit Balkonen zur Fairfax und eine westliche mit Balkonen zur schmalen Seitenstraße unterteilt. Das 1. OG bietet fünf Lofts, von denen drei über einen Splitt-Level und eine Galerie-Ebene verfügen. Das 3. OG enthält sieben Lofts, die als zweigeschossige Townhouses organisiert sind und jeweils im 2. OG ihre Schafräume und Bäder haben.

Die nach außen so klare Struktur der Cherokee Lofts weist in den Grundrissen und vor allem im Innenhof polygonale Zuschnitte auf, die nicht nachvollziehbar sind, aber wahrscheinlich zu erhöhter Identifikation führen und die Stringenz aufbrechen.

Die „grünen“ Aspekte der Cherokee Lofts werden nicht ostentativ zur Schau gestellt, sondern sind in der Summe der Einzelteile zu sehen und entsprechen somit dem Gedanken von LEED ... Was die Architekten als „passive Entwurfs-Strategien“ bezeichnen, kann am einfachsten als „gesunder Menschenverstand“ definiert werden. Denn anstelle von High Tech Gebäudeausrüstung treten zunächst einmal Erfahrung, Tradition und Vernunft. Dazu zählen Hüllflächenminimierung, große Fensterflächen mit Ausrichtung nach Osten und Westen sowie Querlüftungen für alle Wohnungen. Das signifikanteste Merkmal der Cherokee Lofts ist die monochromatische Hülle aus gleichmäßig durchgerasterten, perforierten Alupaneelen, die sich als schützende Hülle vor die Fassaden legen und eine formale Ruhe in die unterschiedlichen Geschosshöhen und Fensterformate bringen. Sie sorgen für Lärmschutz und Verschattung, lassen aber dank der Perforation auch im geschlossenen Zustand noch Ausblicke und Durchlüftung zu.

Die Vereinheitlichung durch die Paneele bringt gleichzeitig Individualität, da jede einzelne von ihnen individuell ausgeklappt werden kann und somit die Bewohner ständig die Gesamterscheinung beeinflussen und verändern können. Die Aluhaut ist eloxiert, weswegen auf eine Beschichtung verzichtet werden konnte, was wiederum potentielle Schadstoffquellen minimiert und die Unterhaltskosten reduziert. Diese Strategie bezieht sich auf alle Bauteile wo es möglich ist: Beton, der im Rohzustand belassen wurde, verzinkter Stahl, pigmentierter Putz, unbehandelte Estrichböden sowie geöltes Parkett.


Schützende Hülle, Dichte und begrüntes Dach

Durch die Dichte der Anlage und die schützende Hülle ist der besonnte Anteil der Außenfläche spürbar geringer und wird durch das teilbegrünte Dach noch weiter reduziert. Das begrünte Dach seinerseits sorgt für einen verminderten Regenwasserabfluss zu Spitzenzeiten, wirkt als  zusätzliche Dämmschicht und wurde nur mit heimischen Pflanzen bestückt, die der extremen Hitze standhalten können. Der restliche Teil des Regenwassers wird in einer Zisterne aufgefangen und zur Bewässerung genutzt. Teilflächen des Daches sind mit Photovoltaik ausgestattet, die mit 30 KW Leistung den gesamten Gemeinschaftsstrom und ca. 11,5 % des Heiz- und Warmwasserbedarfs deckt.

Zu den „Fleißpunkten“ für die Abarbeitung der einzelnen LEED-Kategorien zählen auch der Einsatz von weitgehend recycelten, schadstoffarmen bis -freien Baustoffen bzw. wiederverwendbaren Materialien, Energiesparleuchten, Toiletten mit Wassersparspülung, Armaturen mit vermindertem Wasseraustritt, Beton mit einem hohen Flugascheanteil und die Beschränkung auf Lieferanten und Handwerker aus der näheren Umgebung zur Verminderung unnötig langer Transportwege.


VRF-Anlage

Bemerkenswert ist der Einsatz einer VRF-Anlage (variable refrigerant flow), also einer Gebäudeteilaktivierung, die in fast allen Fußböden, Wänden und Decken verlegt wurde. Sie sorgt für einen Austausch von Temperaturspitzen und befördert kühleres Wasser in zu stark erwärmte Bereiche und umgekehrt warmes Wasser in kühlere Bereiche, was zu einer ausgeglicheneren Temperierung führt, ohne auf konventionelle Klimaanlagen zurückzugreifen. Hierdurch können bis zu 50% der Energieaufwendungen für Heizung und Kühlung eingespart werden.

Die Cherokee Lofts sind sicherlich nicht die Speerspitze der neuesten Ökostandards, zeigen aber dennoch, wie schon mit vergleichsweise einfachen Mitteln deutliche Energieeinsparungen erzielt werden können und gleichzeitig auch ein formales Ergebnis erzielt werden kann, dass nicht nach „Öko“ aussieht.

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