Märchen sind manchmal wahrWarum meist weniger mehr ist und dennoch das Mehr schön sein kann
„Das Licht will durch das ganze All – und wird lebendig im Kristall“ dichtet die Architektin, man möchte fortfahren: „Ach wäre sie von diesem Licht ein wenig nur berührt, wir wären mehr als nur gerührt!“ Dass Frau Dr. Regina Dahmen-Ingenhoven sich lyrisch versucht, ist nicht neu, ihr Arbeitsschwerpunkt „Beauty-, Wellness-, Shop- und Fashion-Design“ verlangt nach Überhöhung. Dass sie dabei in Kisten greift, auf denen sie selbst ein New Age-Label kleben sieht, wäre noch erträglich. Schwierig wird es, wenn sie einem durchaus nicht minderwertigen Projekt küchenphilosophische Weisheiten anhängt; und beispielsweise den frühchristlichen Dogmatiker und frühesten Aufklärungsverhinderer, Irenäus von Lyon, mit Folgendem zu Worte kommen lässt: „nihil cavum sine signo apud deum“. Dieser aus der Schrift „Adversus haereses“ geliehene, von Dahmen-Ingenhoven nicht zugeschriebene und unübersetzt gelassene Satz aus dem 2. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung, sagt mehr über seine Zitierende aus als über einen rund 250 m langen und 10 m hohen Vorhang aus Ringgewebe. Und um den geht es.
Stünde er in Düsseldorf rund um die Plange Mühle, hätte die Architektin nach anderen Worten gerungen, er steht aber im österreichischen Wattens, an der Swarovskistraße. Welche Funktion der „Schleiervorhang Swarovski“ hat, wird in dem seitenlangen Gedicht zum Projekt nicht deutlich. Also das Deutliche: geladener Wettbewerb 2005 (1. Preis), Bauzeit Juni 2006 bis Oktober 2007, Projektpartner Jan Görgemanns. Der Vorhang, der eben auch ein Zaun ist oder die hohe Hecke aus Grimm’schen Märchen oder eine Lichtprojektionsfläche tags wie nachts, besteht aus 26 Millionen miteinander verketteten Ringen. Sie bilden den scheinbar schwebend leichten Vorhang vor der Pilgerstatt, zu welcher jährlich mehr Besucherscharen reisebusweise anfahren, das Wunder begreifen und einpacken wollen: das Sprühen des Lichtes im geschliffenen Glas. Wollen die Glasmacher, die auf der ganzen Welt ihre kleinen Strahlewunder feilbieten, mit diesem Vorhang das Drängende mit dem Verbot verstärken? Und es ist ein starkes Verbot, das scheinbar wehende, schwebende aber tonnenschwere Wunder ist fest an den Tragbäumen und zusätzlich im Boden verankert. Denn der „geheimnisvolle Ort“ soll, so Dahmen-Ingenhoven, „gesehen, erlebt und bewundert werden“, soll „Wunderkammer und Geheimnis“ bleiben. Darf er auch, wenn seine Märchenhecke schon so schön anzusehen ist!
Weitere Informationen unter www.drdi.de