Max Dudler hält nichts von Modeströmungen
Wer viel baut, baut auch mal weniger Gutes. Oder er oder sie wiederholt sich, weil man sich, wenn man viel baut, nicht immer neu erfinden kann. Die Wiederholung kann auch die bewusste Markenpflege sein: Weil ich so oder so baue, sieht man schon in jedem Wettbewerb, von wem der Entwurf kommt … Es sei denn, ein frecher Epigone versucht hier sein Glück unter dann eben fremder Flagge. Oder, und damit ist auch Schluss mit allem Spekulieren, man setzt auf nur zehn Details, weil das der Gefahr, Beliebigkeit im Entwurf zu erzeugen, eine Schranke setzt. Max Dudler und sein Team sind solche ArchitektInnen, die auf zehn Details setzen, weil – so kann man es aktuell auf der Webseite des Büros lesen, „es […] einfach [ist], ein Haus mit 100 beliebigen Details zu bauen. Wenn man nur auf 10 Details setzt wie wir, muss jedes Detail perfekt sein.“
Damit reagiert der Architekt auf zunehmende Vorwürfe, überall nur noch das Gleiche zu machen. In Mannheim, Hannover, Zürich, Berlin, Bremen und aktuell auch in Nürnberg, häufig in bes-ten Lagen, häufig auch dort, wo man von einem Entrée sprechen kann, sei es stadtrandig oder zentral wie Ende des 20. Jahrhunderts in Mannheim. Dort erntete die Schaffung einer Torsituation durch links und rechts der senkrecht auf den Hauptbahnhof zielenden Straße platzierten Hochbauten noch viel Lob. Städtebaulich war das Projekt – und ist es bis heute – eine starke und aus dem Ort logisch entwickelte Geste. Kann man das Jahrzehnte später an ähnlichen Stellen in ähnlicher Weise widerholen?
In Nürnberg wird man das Tor am Bahnhof mit seinem weiten, aber auch ungerichteten Bahnhofsvorplatz nicht finden. Hier wurde der in mehrere Volumen gegliederte Neubau (für die Hubert Haupt Immobilien Holding) zur Seite gerückt. Leider auch dorthin, wo noch zu Wettbewerbszeiten (2015) der sogenannte „Kopfbau“ der alten Hauptpost stand, ein intakter, gestalteter Bau aus den ersten Jahren des letzten Jahrhunderts. Das Haus, dessen Verwandlungsgeschichte eine für die deutsche Architekturgeschichte beispielhafte und noch nicht zur Gänze ausgeforschte ist, wurde 2018 abgerissen. Unverzeichlich in Zeiten, in denen Bestand Goldene Energie darstellt. Sein Erhaltungswert – rein materiell – wurde aber missachtet, hier ist die Stadt Nürnberg verantwortlich. Es hätte sie nichts gekostet, den „Kopfbau“ im Wettbewerb als lediglich bearbeitbaren Bestand zu markieren. Tragwerk und Substanz hätten Neunutzungen zugelassen; ein gegenteiliges Gutachten dazu gab es jedenfalls nicht.
Und schaut man auf den Siegerentwurf von Dudler (damals noch mit Auer und Weber gleichrangig), der wie fast alle Architekturbüros im Wettbewerb den Kopfbau opferte, so nimmt er formal deutlich Bezug auf den abgerissenen Bestandbau. Der nun in frischerem Steinplattenton daherkommt und alle kleinen Kennzeichen zeitgenössischer Bautechnik zeigt – trotz der aus dem Ganzen wirkenden Anleihe an eine historische Formensprache. Als Einzige im Wettbewerb mit teils unglaublich faden Entwürfen hatten lediglich Morger Dettli (seit 2015 Morger Partner), Basel, den Bestandsbau erhalten. Selbst Kühn Malvezzi verweigerten den Versuch seiner Integration.
Die Neubauten mit dem – warum auch immer unter Denkmalschutz – erhalten gebliebenen Rundbau im Osten bilden zwei Höfe, die unterschiedliche Höhenniveaus haben und zwischen denen eine großstädtische Treppenanlage vermittelt. Als formales Zitat erhalten geblieben sind die Arkaden zum Bahnhofsplatz, die nach dem Leerstand der Postbestandsbauten Anfang der 1990er-Jahre Obdachlosen willkommenen Aufenthalt boten.
Zwei Hotelketten sind in den Neubau gezogen, die Post und Gastronomie im Erdgeschoss. Zudem gibt es Büroflächen. Zurzeit wird noch im Rundbau gewerkelt. Dieser wurde entkernt, lediglich die Fassade blieb erhalten und die Treppenhäuser mit Art Deco Elementen.
Aber noch einmal auf den Text geschaut, der vom Büro Dudler auf der Webseite zum Projekt notiert steht: „Die beiden neuen Türme bilden zudem eine Torsituation in Richtung Altstadt sowie in das Quartiersinnere aus. Diese einladende Geste des neuen Quartiers wird durch Arkaden zum Bahnhofsplatz unterstützt.“ Also doch Tor und Einladung? Dass das Tor zwar auf die nordwestlich liegende Altstadt, den historischen Mauerring hinter der vielspurigen Straße weist, stimmt. Doch muss man sich erst durch dieses Tor ins Sackgassenabseits der Höfe begeben, dann kehrt machen, um schließlich durch das Tor zurück auf die Stadt zuzugehen. „Wir halten nichts von Modeströmungen, die sich nur als kurzlebige Lösungen erweisen“ lautet der zweite Kernsatz auf der Webseite von Max Dudler. Hier in Nürnberg allerdings scheint das Modische eines vielzitierten Klischees stadtplanerischer Grundlagen ein wenig überstrapaziert. Doch vielleicht wird sich Nürnberg langlebig derart erneuern, dass einmal gewachsene Strukturen im Neuen keine Rolle mehr spielen und Tore einfach Tore sein dürfen?! Schöne altneue Stadt Nürnberg, du gehst voran! Be. K.