Mit der Erde versöhnt: Abrahams Haus
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Als Raimund Abraham am 4. März 2010 eine kleine Vorlesung in Los Angeles gehalten hatte, ahnte niemand, dass der 1933 im damals braunen Linz geborene Architekt nur wenige Stunden später tödlich verunglückte; sein Wagen war auf der Stadtautobahn mit einem Bus kollidiert. Da war sein wichtigstes Gebäude, das Österreichische Kulturforum ACT an der 11 East 52nd Street mitten in Manhatten seit acht Jahren fertig. Und sein vielleicht geheimisvollstes, das Haus für Musiker auf dem Gelände der Raketenstation bei Neuss noch lange nicht.

Immerhin stand schon der Betonrohbau (DBZ 4 2009), die Form war erkennbar, das Volumen vorhanden, der Ort bereit für erste Inbesitznahmen. Doch das Projekt geriet ins Stocken, 2007 war der Kunstsammler Karl-Heinrich Müller gestorben, ihm haben wir den Abraham-Bau zu verdanken. Nun war also der Kunstsammler nicht mehr, 2009 stand der Rohbau, 2010 starb sein Architekt. Doch weil er seine Bauten bis in die letzten Winkel hinein zeichnerisch erforschte, gab es lediglich das Problem der Initiative. Wer sollte Idee, Konzept und Konstruktion des Betonbaus seiner Fertigstellung zuführen? Und es gab das Problem der letztendlichen Schärfung der Nutzungsvorhaben, denn obwohl das Haus für Musiker auch ein solches sein könnte, sind vergleichbare (künstlerische) temporäre Inbesitznahmen erwünscht.

Bis heute suchen die Stiftung und mögliche Träger nach einer konkreten Nutzung. Vorstellbar sind Stipendiatenprogramme für Geiger, ein Artist-in-Residence-Konzept, temporäre Nutzungen für Konzerte oder Ausstellungen und so weiter. Was nicht infrage kommt sind rein kommerzielle Nutzungen. Für die Suche erleichternd kommt hinzu, dass Architekt und Kunstsammler davon überzeugt waren, Architektur und Kunstengagement müssten nicht bloß zweckgerichtet sein. Abraham war das Bauen nach eigenen Worten eine „Zwangsjacke“, die er in seinen späten Jahren gänzlich abgelegt habe.

Nun steht der Betonzylinder am westlichen Rand des Geländes Raketenstation, meist ist die Gitterpforte geschlossen. Wer hineingelangt steht unter der 33 m im Durchmesser großen, 50 cm dicken Betonscheibe, die auf 10 Stützpunkten gelagert ist und deren Ausstanzung den Himmel kantenscharf fasst. Der Bau ist achsensymmetrisch gegliedert und weist nach Osten. Vier  Studios finden sich in der Betonplastik, sie sind mit dem zentralen Veranstaltungsraum im Untergeschoss auf gleicher Ebene verbunden. Im Hof schweben zwei Treppenrampen zu den Wohnungen im Obergeschoss. Das helle Lärchenholz (Fensterrahmen, Lamellen) stehen im Kontrast zum roh geschalten Ortbeton, der in Ansätzen bereits erste Verwitterungsspuren trägt. Die wiederum reiben sich an den perfekten Oberflächen der im Licht schimmernden Schlosserarbeiten.

Dass Abrahams zweites in Deutschland realisiertes Gebäude mit seinem ersten in Berlin deutlich verwandt, aber radikaler und mehr ein Alterswerk ist, wird im Vergleich offenbar: Sein Wohn- und Geschäftshaus in der Friedrichstraße 32/33 (IBA 1984) ist wie der Ausgangspunkt einer längeren Suche, an dessen Ende das Künstlerische über den Zweck hinaus geht. Womit der Mann aus New York am Ende vielleicht die Erde versöhnt hat, die, wie er sagte, mit jedem neuen Bauen aufs Neue beschädigt wird. Be. K.

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