Sehr gut verdaulich

Lese-, Bilder-, Geschichtenstoff für längere Abende: fast 350 Seiten Aufarbeitung eines für die gesamte westliche Welt wesentlichen Zeitabschnitts, den man immer noch und nicht ganz zu Unrecht den „Kalten Krieg“ nennt. Wie sich dieser auf das Bauen auswirkte und ob der Kalte Krieg nicht auch und ganz besonders effektiv mit Mitteln der Architektur am Leben gehalten wurde – er wurde –, das ist die zentrale Fragestellung dieser Arbeit, die auch Begleitpublikation einer großen, gleichnamigen Ausstellung im AzW ist. Fokussiert auf Wien, das wie Berlin auch von den vier sogenannten Siegermächten besetzt war, wird dabei weniger eine reine bautypologische Interpretation der unterschiedlichen „Beiträge zur Demokratisierung“ versucht. Vielmehr schaut die Autorin auf die unterschiedlichen ideologischen Hintergründe, die die vier Protagonisten und ihren „Patienten“ ­Österreich in ihrem Handeln vorantreiben. Wobei das Ideologische in Zeitungsartikeln, Buchpublikationen und insbesondere Architektur- bzw. Bauausstellungen seinen Ort gefunden hatte. Dass dabei auch die alten Diskurse gegen die neuen (stellvertretend die der CIAM) gestellt werden, dass es konkret um Städtebau und Wirtschaftspolitik geht, macht die Lektüre dieser prall mit teils erstveröffentlichter Abbildungen gefüllten Arbeit sehr gut verdaulich, trotz der anspruchsvollen Thematik. Ob damit, wie vom AzW behauptet, „eine Neuvermessung der österreichischen Nachkriegsarchitektur“ vorliegt? Man schreibt tatsächlich vorsichtiger vom „Start“ dazu. Be. K.

Monika Platzer, Kalter Krieg und Architektur. Beiträge zur Demokratisierung Österreichs nach 1945. Hrsg. v. AzW. Park Books 2019, 343 S., ca. 250 Farb- u. sw-Abb.58 €, ISBN 978­-3-­03860­-168-­5
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe DBZ Hotel 2024

Im Spiegel der Zeit

Das Hotel Orania.Berlin gehört zweifellos zu den architektonischen Juwelen des Oraniaplatzes in Berlin-Kreuzberg. Aus gutem Grund haben es sich die Autoren Wolfgang Schäche und David Pessier zur...

mehr
Ausgabe 01/2014

Neubau Seniorenwohnhaus, Hallein/A www.sps-architekten.com

Als der Wohnneubau für alte Menschen notwendig geworden war, stellte die Gemeinde Hallein die richtigen Weichen: Sie siedelte das Seniorenwohnhaus wieder am alten, zentral gelegenen Standort direkt...

mehr
Ausgabe 06/2019

Kulturhalle „Kraftwerk“, Schöppingen

Der Neubau, ein Funktionsriegel der u.a. die Heizung mit Hackschnitzellager und W?rmespeicher aufnimmt, erhielt eine vollfl?chige Haut aus Industrieglas, die in verschiedenen Farben beleuchtet werden kann.

Im Rahmen der Regionale ZukunftsLAND 2016, einem Strukturförderprogramm des Landes Nord­rhein-Westfalen für das westliche Münsterland, nahmen BOCK NEUHAUS PARTNER aus Coesfeld erfolgreich am...

mehr
Ausgabe 06/2014

Schlossbaumeister? Eine Vereinnahmung www.smb.museum

Dr. Hans-Ulrich Kessler ist ein eher stiller Mann, ein für seine Disziplin der Kunstgeschichte typischer Vertreter. Wenn man ihn aber fragt, warum wir überhaupt eine Ausstellung über einen...

mehr
Ausgabe 01/2022 Forschen

Abschluss gemacht – jetzt weiterforschen

Aktuell arbeite ich an zwei Forschungsprojekten. Im Rahmen meiner Dissertation beschäftige ich mich mit dem Thema „Bautechnische Entwicklung der Aluminiumvorhangfassade der Nachkriegsjahrzehnte“...

mehr