Sehr gut verdaulich
Lese-, Bilder-, Geschichtenstoff für längere Abende: fast 350 Seiten Aufarbeitung eines für die gesamte westliche Welt wesentlichen Zeitabschnitts, den man immer noch und nicht ganz zu Unrecht den „Kalten Krieg“ nennt. Wie sich dieser auf das Bauen auswirkte und ob der Kalte Krieg nicht auch und ganz besonders effektiv mit Mitteln der Architektur am Leben gehalten wurde – er wurde –, das ist die zentrale Fragestellung dieser Arbeit, die auch Begleitpublikation einer großen, gleichnamigen Ausstellung im AzW ist. Fokussiert auf Wien, das wie Berlin auch von den vier sogenannten Siegermächten besetzt war, wird dabei weniger eine reine bautypologische Interpretation der unterschiedlichen „Beiträge zur Demokratisierung“ versucht. Vielmehr schaut die Autorin auf die unterschiedlichen ideologischen Hintergründe, die die vier Protagonisten und ihren „Patienten“ Österreich in ihrem Handeln vorantreiben. Wobei das Ideologische in Zeitungsartikeln, Buchpublikationen und insbesondere Architektur- bzw. Bauausstellungen seinen Ort gefunden hatte. Dass dabei auch die alten Diskurse gegen die neuen (stellvertretend die der CIAM) gestellt werden, dass es konkret um Städtebau und Wirtschaftspolitik geht, macht die Lektüre dieser prall mit teils erstveröffentlichter Abbildungen gefüllten Arbeit sehr gut verdaulich, trotz der anspruchsvollen Thematik. Ob damit, wie vom AzW behauptet, „eine Neuvermessung der österreichischen Nachkriegsarchitektur“ vorliegt? Man schreibt tatsächlich vorsichtiger vom „Start“ dazu. Be. K.