Verjährung beim Stufenvertrag – jede Stufe zählt!
(Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 18.11.2021 - 2 U 155/20)
Ein beliebtes Thema für Streitigkeiten zwischen Auftraggeber und Architekt ist Beginn und Ende der Gewährleistungsfrist. Wie lange die Vertragsparteien miteinander in Verbindung stehen, wie lange der Architekt für die von ihm erbrachten Leistungen gegenüber dem Auf-traggeber haften muss, besagt die Gewährleistungszeit. In dieser Zeit kann sich der Auftraggeber für Mängel und Schäden beim Architekten schadlos halten. Ist die Zeit abgelaufen, geht der Auftraggeber leer aus. Dies ist der Rechtssicherheit geschuldet. Irgendwann muss der Architekt von der Haftung befreit sein. Daher ist es immens wichtig, genau zu wissen, wann die Gewährleistungszeit beginnt und endet.
Noch wichtiger wäre es, diesen Zeitraum mitzugestalten. In der Praxis gibt es zum Beispiel die Vollarchitekturaufträge, bei denen der Architekt mit den Leistungsphasen 1 bis 9 beauf-tragt wird. Erst ab der Abnahme nach vollständiger Erbringung der Leistungsphase 9 beginnt für den Architekten die fünfjährige Gewährleistungsfrist. Dies ist also weit nach Abschluss des Bauvorhabens, erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist der Bauunternehmen. Nach der Baurechtsreform hilft dem Architekten nun zumindest der Anspruch auf Teilabnahme im Zeitpunkt der Erbringung der letzten Bauleistung, vgl. § 650s BGB. Mit einer sogenannten „echten“ Stufenbeauftragung könnte der Architekt dagegen schon viel früher aus der Haftung für die einzelnen Leistungen sein. Dann nämlich, wenn nach Abschluss jeder Vertragsstufe eine Abnahme zu erfolgen hat und die Gewährleistung für die in der Stufe erbrachten Leis-tungen zu laufen beginnt.
Einen solchen Fall hatte zuletzt das Oberlandesgericht Naumburg zu entscheiden. Dieses betonte, dass in den Fällen eines „echten“ Stufen- oder Optionsvertrag lediglich die Leistun-gen Vertragsbestandteil werden, die Inhalt der beauftragten Stufe sind. Beauftragt der Auf-traggeber anschließend weitere Leistungsstufen, stellen diese dann abgerufenen Stufen einen eigenständigen Vertrag dar. Dies hat Auswirkungen auf das anzuwendende Recht (jeder Ver-trag unterliegt dem Recht, welches bei Abschluss/Abruf der Stufe galt) sowie auf die Verjäh-rungsfrist für Mängelansprüche. Diese läuft dann für jedes Vertragsverhältnis (abgerufene Stufe/n) gesondert. Hierzu gibt es in der Literatur etwa von Koeble in Kniff-ka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, Teil 11, Rz. 78, abwei-chende Meinungen, wenn nach der Gesamtbetrachtung ein einheitliches Vertragsverhältnis besteht und sich die später abgerufene Vertragsstufe in ein einheitliches Vertragsverhältnis eingliedere. Von daher sollte bei der Vertragsgestaltung aufgepasst werden. Ein „echter“ Stu-fenvertrag - und kein einheitliches Vertragsverhältnis - wird zum Beispiel dann angenommen, wenn der Architekt keinerlei Anspruch auf die Beauftragung einer weiteren Stufe hat, vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, Urteil vom 16.03.2016 - 4 U 19/15.
Wie heißt es so schön: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Besseres findet!“ – In diesem Fall eine ausgewogene und klare Vertragsgestaltung.