Verjährung bei Stufenverträgen
OLG Köln, Urteil vom 28.03.2018 - 17 U 110/15; BGH, Beschluss vom 27.01.2021 - VII ZR 97/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)Die Verjährung bei Architektenverträgen beginnt grundsätzlich mit der Abnahme der vollständig erbrachten Leistungen. Bei einem gewöhnlichen Architektenvertrag, mit dem die Leistungsphasen 1 bis 9 beauftragt wurden, ist dies grundsätzlich erst mit Abschluss und Abnahme der im Rahmen der Leistungsphase 9 erbrachten Leistungen möglich (die Teilabnahme nach Beendigung der Bauarbeiten in Leistungsphase 8 mal ausgenommen). Die übliche fünfjährige Verjährungsfrist beginnt damit erst sehr spät zu laufen. Die Gefahr, dass der Architekt für frühe Fehler in den früheren Leistungsphasen auch noch nach weitaus mehr als fünf Jahren nach Leistungserbringung/Mangelsetzung haftet, ist groß. Bei Stufenverträgen ist der Beginn der Gewährleistungspflichten gesondert und am Einzelfall zu betrachten. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln, nachfolgend durch den Bundesgerichtshof bestätigt, hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es maßgeblich darauf ankam, was genau für ein Vertrag vorlag und wann die Verjährungsfrist tatsächlich zu laufen begann.
Ein Auftraggeber beauftragte ein Architekturbüro zunächst mit den Leistungsphasen 2 bis 4 sowie mit der örtlichen Bauüberwachung (HOAI 1996). Zwei Jahre später wurde ein weiterer Vertrag über die Leistungsphasen 5 bis 8 sowie erneut über die örtliche Bauüberwachung geschlossen. Das Architekturbüro veranlasst ohne vorherige Einholung einer Baugenehmigung die Bauarbeiten, stellt später aber auf Hinweis des Auftraggebers dennoch einen Bauantrag. Es kam wie es kommen musste: Eine Baugenehmigung wurde nicht erteilt. Der Auftraggeber kündigte den Architektenvertrag außerordentlich. Der Auftraggeber erhebt nach fehlgeschlagenen außergerichtlichen Verhandlungen mit dem Architekturbüro Klage auf Schadensersatz. Das Architekturbüro berief sich unter anderem auf Verjährung.
Die Gerichte gaben dem Auftraggeber Recht! Zwar trifft die Auffassung des Architekturbüros grundsätzlich zu, dass bei einer echten stufenweisen Beauftragung nicht nach einer einheitlichen Verjährungsfrist hafte, sondern die jeweils beauftragten Stufen als gesonderte Verträge anzusehen und demnach auch entsprechend getrennt zu untersuchen seien, so z.B. auch OLG Dresden, Urteil vom 17.06.2010, Az. 10 U 1648/08; BGHZ 136, S. 342 ff, BGH, Urteil vom 10.10.1996, Az. VII ZR 250/94.
Aber! Im zu entscheidenden Fall sei kein Stufenvertrag, sondern ein einheitlicher Architektenvertrag gegeben. Bei einem solchen liege die Abnahme nicht erst im Zeitpunkt einer ggf. erteilten Genehmigung und anschließenden Verwertung durch den Auftraggeber vor, sondern bei Fertigstellung aller Leistungen des Architekten.
Darüber hinaus fange der Lauf der Gewährleistungsfrist bei der Beauftragung nur der Leistungsphasen 2 bis 4 auch erst bei Erteilung der Baugenehmigung sowie Verwertung derselben an. Der Architekt schuldet insoweit eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung, vgl. auch BGH, Urteil vom 10.02.2011, Az. VII ZR 8/10. Vorher sei es nicht möglich, dass sich Planungsmangel verwirklichen.
Darauf kam es allerdings gar nicht an.
Die Leistungsphase 4 wurde nämlich nie erbracht, da ein Genehmigungsantrag nicht gestellt wurde. Die Leistungen waren damit unvollständig und nicht abnahmefähig. Außerdem wurde auch in der „1. Stufe“ die örtliche Bauüberwachung beauftragt, die im Zeitpunkt der Kündigung und Geltendmachung noch lange nicht verjährt sein konnte, da die Bauarbeiten noch nicht beendet waren.
Das OLG traf unabhängig vom tatsächlichen Sachverhalt im groben folgende zusammengefasste Aussage:
Auch wenn ein Vertrag als Stufenvertrag bezeichnet wird, heißt es nicht, dass es sich auch um einen Stufenvertrag handelt, bei dem die Leistungen der jeweiligen Stufen gesondert zu betrachten sind. Wenn es sich um einen einheitlich zu betrachtenden Vertrag handelt (z.B. auch die klassischen Optionsverträge), beginnt die Gewährleistungsfrist erst mit Erbringung und Abnahme aller beauftragten Leistungen zu laufen. Hier kommt es also auf den Einzelfall an.
Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.