Rechtsprechung

Wann ist die Nachforderung von Architektenhonorar treuwidrig?

(Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 10.08.2020 – 14 U 54/20)

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle musste einen Sachverhalt entscheiden, bei dem der Architekt mit einer sog. „Aufstockungsklage“ Architektenhonorar auf Basis der HO-AI-Mindestsätze begehrt, welches das vertraglich vereinbarte Honorar bei weitem über-steigt. Das OLG Celle hat diese Nachforderung des Architekten als treuwidrig einge-schätzt und die Klage abgewiesen. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Architekt und die Auftraggeber (AG) kannten sich persönlich. Sie waren seit vielen Jahren unmittelbare Nachbarn und Freunde. Die AG baten den Architekten sodann als Nachbarn und Freund, sich ein Einfamilienhaus anzuschauen, welches die AG erwer-ben und sanieren wollten. Die Parteien schlossen daraufhin einen Architektenvertrag. Dieser Architektenvertrag enthielt eine von dem Architekten vorgegebene (offenbar SEHR günstige) Vergütungsabrede. Die AG zahlten dem Architekten das vereinbarte Honorar. Nachdem es im Zuge der Leistungserbringung dann zwischen den Parteien zu einem Zerwürfnis kam, sah sich der Architekt nicht mehr an die im Vertrag vereinbarte Vergütung gebunden. In seiner Honorarschlussrechnung rechnete der Architekt sodann nach den HOAI-Mindestsätzen mehr als das Doppelte des vereinbarten und bereits ge-leisteten Honorars ab und erhob später in gleicher Höhe Klage.

Diesem Ansinnen erteilte das OLG Celle als Berufungsinstanz eine Absage. Die Hono-rarnachforderung verstoße gegen den zivilrechtlichen Grundsatz, sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verhalten. Das Gericht stufte die „Aufstockungsklage“ als rechtsmissbräuchlich ein. Das Gericht bezog sich dabei auf die ständige Rechtspre-chung des Bundesgerichtshofes (z.B. BGH, Urteil vom 27.10.2011 - VII ZR 163/10), wonach sich ein Auftragnehmer (AN) immer dann treuwidrig und widersprüchlich ver-hält, wenn er eine (bisher rechtswidrige) Pauschalvereinbarung unterhalb der Mindest-sätze abschließt, aber später nach den Mindestsätzen abrechnen will. Eine Geltendma-chung der Mindestsätze sei nach Treu und Glauben nämlich immer ausgeschlossen, wenn der AG auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und auch vertrauen durfte und sich darüber hinaus in der Folgezeit darauf eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen vereinbartem Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden könne.
So war der Fall auch hier. Die AG hatten auf die Richtigkeit und Verbindlichkeit der Vergütungsvereinbarung vertraut. Die AG vertrauten dem fachkundigen Architekten, dass dieser sie ordnungsgemäß berate. Der Architekt hat hier bewusst gesetzeswidrig ein zu niedriges Angebot abgegeben. Dies könne daher nicht zum Nachteil der AG aus-schlagen. Der Architekt musste sich daher an seinem (gesetzeswidrigen) Honorarange-bot festhalten lassen. Das Vertrauen der AG wurde zudem durch die Honorarermittlung des Architekten bestärkt. In dieser führte er aus, dass er der Honorarermittlung den Mindestsatz zugrunde gelegt habe. Von daher mussten die AG auch nicht damit rech-nen, dass hier ein Honorar unterhalb der Mindestsätze vereinbart wurde. Für die AG war demnach gar nicht erkennbar, dass es sich hierbei um ein gesetzeswidriges Hono-rarangebot handelte. Eine gesetzwidrige Mindestsatzunterschreitung hatte sich weder aufgedrängt noch hätte sie sich aufdrängen müssen. Die AG zahlten dem Architekten im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung das entsprechende Ho-norar. Die AG hatten sich also auf die Verbindlichkeit der Honorarvereinbarung einge-stellt. Sie mussten nicht damit rechnen, dass sie nun mehr als das Doppelte an Honorar an den Architekten zahlen sollten. Einen Hinweis des Architekten, dass die von den AG geleistete Zahlung nicht einmal die Hälfte des zu beanspruchenden Honorars ausmach-te, hat es ebenfalls zu keinem Zeitpunkt gegeben. Eine derartige Kostensteigerung über das vereinbarte Honorar hinaus und ohne vertragliche Grundlage stelle in der Regel für den eigenfinanzierenden privaten Bauherrn eine besondere Härte dar, weil sie Kredit-aufnahmen erfordert und/oder Belastungen andere Art nach sich ziehe (Grundpfand-rechte). Im Ergebnis hat das OLG Celle damit die Klage des Architekten abgewiesen.

Das Gericht sah hier die AG in der schutzwürdigeren Position. Zwischen dem fachkun-digen Architekten und den privaten Bauherren bestand eine vollkommen asymmetri-sche Informationslage, die der Architekt einseitig für sich ausgenutzt hatte. Eine im Er-gebnis zutreffende Entscheidung. Sinnvollerweise sollte der Leser sich aber besonders bei der Berufung auf „Treu und Glauben“ nur eingeschränkt darauf verlassen, dass ein anderes Gericht zu einer ähnlichen Bewertung käme. Dennoch liegt hier eine Entschei-dung vor, die insbesondere bei einem – nicht seltenen - Tätigwerden im Bekannten- und Freundeskreis dem Leser wertvolle Hinweise geben kann.

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