Aus der Rechtsprechung

Immer noch erfolgreich: Honorarverdoppelung durch Aufstockungsklage

OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022 - 4 U 142/20; BGH, Beschluss vom 14.02.2024 - VII ZR 221/22

Nach der Entscheidung des BGH vom 02.06.2022 - Az.: VII ZR 147/19 - wonach die gegen Europarecht verstoßenden Honorarmindestsätze der HOAI 2009/2013 weiterhin in Vertragsverhältnissen zwischen Privaten von deutschen Gerichten angewandt werden müssen, erfreuen sich Architekten (meist zurecht) weiterhin daran, ein einst unterhalb der Mindestsätze vereinbartes Honorar durch eine neue Schlussrechnung auf Basis der HOAI - Mindestsätze (HOAI 2009/2013) abzurechnen. Nicht selten gelingt so eine Honorarverdoppelung.

Bei dem hier vom OLG Karlsruhe und BGH entschiedenen Sachverhalt begehrte der Architekt für den Umbau und Anbau eines Gasthofes eine Honoraraufstockung auf Basis der Mindestsätze. Die zunächst auf Basis des vereinbarten Honorars gestellte Schlussrechnung wurde vom Bauherrn zurückgewiesen. Daraufhin stellte der Architekt erneut eine Rechnung über ein höheres Honorar auf Basis der HOAI-Mindestsätze. Nachdem der Bauherr auch hier wieder in Zahlungsverzug geriet, erhob der Architekt Klage. Er argumentierte damit, dass das vereinbarte Honorar wegen Formunwirksamkeit der Honorarvereinbarung insgesamt unwirksam sei und daher nach den HOAI-Mindestsätzen abgerechnet werden könne. Der Bauherr wandte dagegen ein, dass es vom Architekten treuwidrig sei, sich auf das höhere HOAI-Mindestsatzhonorar zu berufen, nachdem er ein geringeres Honorar vereinbart und sogar hiernach abgerechnet hatte.

Die Gerichte gaben dem Architekten Recht. Wegen Formunwirksamkeit - es gab keine schriftliche Honorarvereinbarung - konnte der Architekt sich auf die Honorarmindestsätze berufen. Nach dem BGH sind diese Honorarmindestsätze der HOAI 2009/2013 - trotz Europarechtswidrigkeit - weiterhin von Gerichten in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten anwendbar. Es sei auch nicht treuwidrig sich auf die Honorarmindestsätze zu berufen. Eine Treuwidrigkeit wird nur unter strengen Voraussetzungen angenommen, die der Bauherr vorzutragen und zu beweisen habe. Dies ist dem Bauherrn nicht gelungen. Er hätte nachweisen müssen, dass er sich auf die Honorarvereinbarung eingerichtet hat, indem er konkrete Dispositionen im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung getroffen hat und dass die Zahlung des höheren Mindestsatzhonorars für ihn eine unbillige Härte bedeuten würde. Hierbei gehen die Gerichte einzelfallgelagert grundsätzlich von einer prozentualen Billigkeitsschwelle aus, die aber einzelfallbedingt auch bei einem über 80% höheren Honorar nicht überschritten sein muss. Zudem kann nicht allein auf der prozentualen Höhe der Honoraraufstockung auf die Unbilligkeit geschlossen werden. Ferner hatte der Bauherr gerade auch in diesem Fall schon nicht die Rechnung nach der niedrigeren Honorarvereinbarung zahlen wollen.

Im Ergebnis eine nachvollziehbare Entscheidung, die auf Verträge unter der HOAI 2009/2013 weiterhin anwendbar ist. Auch eine bereits gestellte Schlussrechnung nach der niedrigen Honorarvereinbarung hindert den Architekten nicht an der erneuten Stellung einer Schlussrechnung nach den höheren Mindestsätzen! Hierauf müssen Bauherren gefasst sein und entsprechende Dispositionen treffen.


Foto: Privat

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