Weiterentwicklung und Neugestaltung
Domberg/Freising
Sie gilt als die jüngste Stadt Bayerns, jedenfalls gemessen am Durchschnittsalter ihrer rund 50 000 BewohnerInnen. Freising geht aber auch auf einen der ältesten Siedlungsplätze Süddeutschlands zurück und wer sich das Städtchen heute anschaut, kann – baustilistisch betrachtet – vom Mittelalter über Renaissance und vor allem das Barock bis hin zum Globaldesign alles ausmachen.
Um das alles im Stadtbild aufweisen zu können, braucht es einen Kern, um den herum sich die heutige Verwaltungs- und Universitätsstadt in dieser Art entwickeln konnte. Und nicht bloß, weil wir im katholischen Stammland sind, ist es in Freising die Kirche auf dem Berg, die – zumindest städtebaulich – das lebendige Städtchen an der Isar prägt. Nebensitz des Erzbistums München und Freising und vor längerer Zeit Fürstensitz, versammelt dieser in West-Ost-Richtung langgestreckte Hügel ein bauliches Ensemble, das heute nicht bloß die Kathedrale, ein Museum, Wohn-, Verwaltungs- und Schulhäuser der Kirche auf dem Rücken trägt, auch städtische Einrichtungen haben in der mehrheitlich barocken Anlage ihren Platz gefunden. Dazwischen Höfe, kleine Parks und viel Grün, das das Gebaute mit der Stadt ringsum so einigermaßen vernäht.
Zwar recht gut gepflegt und über die Jahrhunderte gerettet, musste das teils unter Denkmalschutz stehende Ensemble aber in vielem den heute gültigen Brandschutznormen angepasst werden. Und: Das wortwörtlich Herausgehobene sollte sich dem Stadtraum öffnen. Auch als dringend erwartete Geste für eine Öffnung der Kirche zur Gesellschaft. Ohne Masterplan für das ganze Ensemble starte die Kirche 2015 mit einem geladenen ersten Wettbewerb zur Sanierung und Weiterentwicklung des Diözesanmuseums, den Brückner & Brückner, Tirschenreuth, gewannen. Dann, 2017, wurde ein – ebenfalls geladener – Wettbewerb zur Sanierung der ehemaligen Fürstenresidenz und dem heutigen „Kardinal-Döpfner-Haus“ entschieden. Hier setzte sich gmp international, Berlin, gegen die beiden Büros Knerer und Lang, Dresden, sowie Schmidt-Schicketanz und Partner, München, durch. Beide landeten auf dem 3. Rang.
Im Dezember 2018 kam dann die Meldung aus dem Erzbistum, dass man den Siegerentwurf für Umbau und Sanierung des „Kardinal-Döpfner-Haus“ nicht umsetzen werde. Grund: Eine Realisierung würde, so der Finanzdirektor des Erzbistums, Markus Reif, mehr als 94 Mio. € kosten. Im Wettbewerb war eine Kostengrenze von 53 Mio. € gesetzt worden. Zum Wettbewerbsentscheid, am 20. Februar 2017, hatte derselbe Finanzdirektor noch mit Blick auf den Entwurf von gmp international angemerkt, dass zwar alle drei den Kostenrahmen einhalten, gmp sogar „ein ganzes Stück“ darunterliege. Jetzt also zieht das Erzbistum die Notbremse, die aber nicht bei der bereits gestarteten Sanierung des Diözesanmuseums greift, hier sind die geschätzten 46 Mio. € bereits jetzt um 10 Mio. € überschritten, offenbar hatte man noch einmal nachgerechnet. Gründe für den massiven Kostenanstieg seien, so die Kirche, einmal der aktuelle Anstieg der Baupreise ganz generell (plus ca. 9 Mio. €) sowie Flächenvergrößerungen (plus 8 bis 9 Mio. €). Teurer als veranschlagt würden auch die Brandschutz- sowie Statik- und Gründungsarbeiten. Ganz übersehen (!) habe man auch die nebenstehende Martins- und Marienkapelle, den Steinernen Saal und den nötigen Austausch der Fenster (plus 33 Mio. €).
Allein mit Korrekturen am Entwurf von gmp international ließe sich das Kostenproblem nicht managen, so Markus Reif. Immerhin könne man über die bisherige Planung, für die bereits rund 2,5 Mio. € angefallen sind, für die Sanierungsarbeiten im „Kardinal-Döpfner-Haus“ übernehmen. Die Erzdiözese begibt sich aktuell auf die Suche nach einem neuen Architekten, einen weiteren Wettbewerb soll es nicht mehr geben.
Da tun sich viele Fragen auf. So die nach allgemeinen Haftungs- und Vergütungsfragen, nach Urheberrechtsansprüchen aus der Vorplanung, nach möglichen Entschädigungsansprüchen etc. Ebenfalls muss man sich fragen, wie seriös die Kostenplanung für die Sanierung des Dombergs insgesamt anzusehen ist: Für die Neugestaltung des kompletten Dombergs mit 36 Einzelmaßnahmen hatte das Erzbistum auf Grundlage eines Gutachtens eine Obergrenze von etwa 215 Mio. € ermittelt. Jetzt machen allein Sanierung, Neu- und Umbau des „Kardinal-Döpfner-Haus“ mit anliegenden Kleinbauten knapp die Hälfte dieses Gesamtbudgets aus. Man kann überrascht sein, dass die Bauherrin vom Anstieg der Preisindizes so überrascht wurde, die Baupreise steigen seit 2010 kontinuierlich um jährlich durchschnittlich gut 2,5 % („Preisindizes für die Bauwirtschaft“, Statistisches Bundesamt, Frühjahr 2018). Fragen darf man sich auch, warum man beispielsweise erst jetzt feststellen musste, dass die Bestandsdecken maroder sind als „erwartet“ (warum wurde nicht „überprüft“?).
Nun wird also geschaut, was für die 215 Mio. € machbar und „vernünftig“ ist (Reif). Wahrscheinlich werden Planungen zur Vernetzung der Außenräume des Bergs mit denen im Tal erst einmal zurückgestellt werden. Brandschutz, Klima und Barrierefreiheit sowie Bestandserhaltungsmaßnahmen werden Priorität erhalten. Ob damit dem ersten großen Schwung die Luft genommen wird, den Domberg ins 21. Jahrhundert zu bringen, davon ist fast auszugehen. Es muss eben doch dringend ein Masterplan her, einer, der auch mit dem Schwierigsten, was kommen kann, noch rechnet. Be. K.