Katholische Kirche lässt abreißen

Gefragt, mit welchem persönlichen Gefühl Max Dudler in Berlin für die Katholische Kirche baue, antwortete der Architekt in einem Interview auf katholische.de, er sei getauft und katholisch aufgewachsen. Messdiener sei er gewesen und mit 20 Jahren aus der Kirche ausgetreten. Doch dann erläutert er das Besondere, das Hochinteressante, Spannende, was ihm im Herzen Berlins der Wettbewerbsgewinn zur Neuplanung „Bernhard-Lichtenberg-Haus“ möglich mache: einen Ort zu schaffen, der jenseits der Menschenströme zwischen Bebelplatz und Französischer Straße Ruhe biete und „ein neues Forum im Gewebe der Stadt“ darstelle. Die wichtigsten Bausteine dafür seien das Café im Erdgeschoss und weitere öffentliche Räume, die Begegnung ermöglichen.

Der Entwurf Dudlers, Resultat eines Verhandlungsverfahrens (Anfang 2020, 1. Preis), sieht die behutsame Sanierung des Bernhard-Lichtenberg-Hauses vor, eigentlich ein Ensemble aus Altbau von 1914 und dessen Ergänzung aus den ersten 1970er-Jahren. Letztere wird durch einen Neubau ersetzt. Dudlers Entwurf ist in erster Linie ein städte­baulicher, was nicht überrascht, der Architekt und sein Team arbeiten immer zuerst im Stadtraum und weniger an den diesen Raum ­bildenen Stadtbaukörpern. Der Neubau hat etwa das gleiche Volumen wie sein Vorgänger, der längst abgerissen ist. Allerdings ist der kurze Flügel der L-förmigen Anlage nun vom Bestand durch einen recht einfachen Verbindungsbau abgesetzt – was einen direkten Zugang zur neuen Hofsituation schafft, zu der das Café ausgerichtet ist.

Dass ein Architekt den Ort, den er gestalten darf, spannend und hochinteressant findet, kann man verstehen. Er arbeitet zudem – wie er in einigen der letztjährigen städtebaulichen Interventionen in Münster beispielsweise oder in Nürnberg nachgewiesen hat – auf hohem gestalterischem Niveau. Dass die Bauherrin auch den Erhalt des 1970er-Jahre-Bauteils in den Wettbewerb aufgenommen hat, zeigt immerhin, dass das Abriss-Thema auch dort relevant ist, wo von der Bewahrung der (göttlichen) Schöpfung gepredigt wird. Dass die Kirche hier allerdings einen Dudler mit der Herausforderung, den Bestand für die Neuplanung zu nutzen, noch viel mehr gefordert und zu einem überzeugenden Ergebnis hätte locken können, das sollte sich an diesen höchsten Stellen kirchlicher Repräsentanz endlich einmal durchsetzen. Gleiche Kosten, weniger Fläche beispielsweise. 140 m²-Wohnungen für Alleinstehende sind ja nicht gerade wenig. Wieso kommt mir gerade Limburg in den Sinn? Be. K.

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