Achtung: Kontrolle!
(Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 04.03.2021 - 2 U 1498/16)Wie weit gehen die Bauüberwachungspflichten in der Leistungsphase 8? Muss der Architekt minutiös den Baufortschritt überwachen, quasi stets und ständig ein Auge auf die ausführenden Gewerke haben? Oder genügt es, wenn der Architekt sich ein bis zweimal die Woche zur Baustelle bequemt, um nach dem Baufortschritt zu schauen?
Beides ist richtig und falsch. Es kommt nämlich wie immer auf den Einzelfall, bzw. auf die zu überwachende Bauleistung an. Das Oberlandesgericht Koblenz (folgend nur: OLG) hatte folgenden Fall zu entscheiden:
Ein Bauherr ließ auf seinem Grundstück ein Verwaltungsgebäude nebst Logistikhallen von einem Architekten planen, sowie die Bauausführung überwachen. Beauftragt waren Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 der HOAI. An einer Halle wurden auch vorbereitende Bodenarbeiten geplant und überwacht. Der Boden sollte für den zukünftigen Bau einer Lagerhalle vorbereitet werden. Das ausführende Gewerk hatte im Rahmen der Ausführung allerdings zu großes Bodenmaterial eingebracht, welches für eine ordnungsgemäße Verdichtung und Lastabtrag für die spätere geplante Bebauung nicht zulässig war. Der Architekt hatte eine Materialkontrolle unterlassen, was schließlich zu dem mangelhaften Bodeneintrag führte. Der Bauherr rügte gegenüber dem Architekten einen Mangel in der Bauüberwachung und verlangte Vorschuss für die Mangelbeseitigung.
Das OLG sah einen Bauüberwachungsfehler für gegeben:
„Wer vertraglich die Bauaufsicht übernimmt, hat schon während der Ausführung dafür zu sorgen, dass der Bau plangerecht und frei von Mängeln errichtet wird. Er muss die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen. Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist er zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet (BGH, Urteil vom 06.07.2000 - VII ZR 82/98, NZBau 2000, 525 - zitiert nach beck-online).“
Das Gericht stellte zwar auch fest, dass Selbstverständlichkeiten nicht zu überwachen sind. Der Bodeneintrag stellt normalerweise auch solche einfachen Leistungen dar. Aus der Bedeutung dieses Untergrundes für das zukünftige Bauvorhaben ergibt sich aber gerade keine Selbstverständlichkeit. Der Boden betrifft hier maßgeblich das Tragwerk der zukünftigen Lagerhalle. Diese das Tragwerk betreffenden Leistungen sind besonders gefahrgeneigt, weshalb sie im Rahmen der Bauüberwachung zwingend zu überwachen sind.
Das OLG verurteilte den Architekten daher in zweiter Instanz zur Zahlung eines erheblichen Vorschusses zur Mangelbeseitigung.
Im Ergebnis eine nachvollziehbare Entscheidung. Dieser Fehler hätte vermieden werden können und müssen. Der Architekt war es schließlich, der auch die zukünftige Bebaubarkeit mit einer Lagerhalle plante.
Autor:
Jochen Mittenzwey, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Gesellschafter bei MO45LEGAL Rechtsanwälte und Notare