Geregelte Nachfolge

Am Ende des Arbeitslebens ist es geschafft: Was als Planungs-, Architektur- oder Ingenieurbüro begann, ist nun eine etablierte Marke, deren Wert weit über die ursprüngliche Investition in Büromöbel und -räume, Hard- und Software und nicht zuletzt spezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinausgeht. Doch wem soll man diesen Mehrwert anvertrauen, wenn der Ruhestand bevorsteht? Eine Entscheidungshilfe anhand von vier ­Szenarien.

Bei der Übergabe eines Unternehmens stehen personelle, finanzielle, rechtliche und ideelle Fragen Im Zentrum. Deshalb gleich vorab: Um eine eingehende Rechtsberatung, wirtschaftliche Prüfung und Klärung der Finanzierungskonditionen kommen weder die veräußernde noch die erwerbende Person umhin. Hierzu finden sich am Ende des Textes einige hilfreiche Links. Im Vorfeld sollten sie jedoch jeder für sich die eher „weichen“ Fragen klären, denen gemeinhin weniger Aufmerksamkeit gewidmet wird, die aber insbesondere für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg entscheidend sind. 

Zu unterscheiden sind dabei vier unterschiedliche Szenarien:

Familienübergabe

Traditionell rekrutieren Mittelständler die Nachfolge für ihr Unternehmen gerne aus dem eigenen Familienkreis. Dabei ist die direkte Nachfolge heute jedoch weniger selbstverständlich als sie es noch vor einigen Jahrzehnten war. Das liegt nicht nur daran, dass die Familienbande heute oft vermeintlich weniger eng geknüpft sind als anno dazumal, sondern auch daran, dass heute in fast allen Professionen eine stärkere Spezialisierung gefragt ist. Allrounder, wie zu Zeiten der Gründergeneration, werden seltener. Deshalb sollten Familienmitglieder ebenso eingehend auf ihre Eignung geprüft werden wie interne oder externe Bewerber. Darüber hinaus sollten aber auch folgende Fragen offen und ehrlich geklärt werden, bevor es zu einer Übergabe kommt:

– Welche Rolle übernimmt die Gründergeneration nach der Übergabe? Behält sie ein Mitspracherecht bei finanziellen oder personellen Entscheidungen? Übernimmt sie eine beratende Funktion? Oder hält sie sich künftig aus allen geschäftlichen Überlegungen heraus? Für welche Rolle sich die Gründergeneration auch entscheidet: Sie sollte sicherstellen, dass ihre Nachfolger das gleiche Verständnis und Einverständnis für diese Rolle teilen.

– Teilen die Generationen eine gemeinsame ­Vision für die Zukunft des Unternehmens? Darüber zu sprechen und eigene Ziele und Erwartungen zu artikulieren trägt dazu bei, dass es später nicht zu Zwistigkeiten innerhalb der Familie kommt. Verletzter Stolz oder Idealismus wiegen hier weit schwerer als bei einer externe Lösung, da oft auch weitere Familienteile einbezogen werden oder Partei ergreifen.  

- Wurden alle juristischen und finanziellen Fragen professionell geklärt? Nicht selten ersetzen in Familien lose Absprachen zu diesen Themen einen Vertrag, der klare Verhältnisse schafft. Streits und Unstimmigkeiten sind so programmiert.

- Ist das Familienmitglied wirklich für die Rolle geeignet? Das Familienmitglied muss das Talent und den Willen mitbringen, die Geschäfte in die eigenen Hände zu nehmen und zu gestalten. Wer nur familiäre Erwartungen erfüllen will, ist fehl am Platz. Externe Kandidatinnen haben es hier meist leichter, aus dem Schatten ihres Vorgängers zu treten.

– Hat das Familienmitglied ausreichend Erfahrung außerhalb des Unternehmens und im Unternehmen selbst gesammelt? Eine solide ­Ausbildung im jeweiligen Fachbereich ist selbstverständlich die Grundlage. Doch die ist mit einem Hochschulabschluss noch nicht fertig. Es gilt, verschiedene Arbeitsweisen kennen zu lernen, um eigene Urteilskraft zu entwickeln. Es gilt aber auch, sich das konkrete Unternehmen in zunehmend verantwortungsvollerer Position zu erarbeiten. Dabei geht es sowohl um Kundenkontakt als auch darum, ein gewachsenes Verhältnis zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufzubauen. Über Kompetenz entsteht Loyalität, die der reine Titel allein nicht kaufen kann.

Interne Übergabe

Langfristigkeit in der Planung ist für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe unerlässlich – insbesondere bei der internen Übergabe an eine langjährige Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter. Die Berufsverbände und -kammern empfehlen einen Übergangszeitraum von drei bis fünf Jahren. Doch sobald sich eine Lösung herauskristallisiert, sollte Klarheit geschaffen werden. Das sorgt für Sicherheit unter den Beschäftigten, deren eigene Karriereplanung von solchen Entscheidungen beeinflusst wird. Und es verschafft dem oder der Nachfolgerin mehr Zeit, in die neue Rolle zu wachsen. Grundsätzlich ähneln sich die Überlegungen bei einer familiären und einer internen Lösung, es gibt aber auch Besonderheiten:

– Wie ist die Stellung der Kandidatin oder des Kandidaten innerhalb der Belegschaft? Wird er oder sie fachlich und menschlich geschätzt? Sind alte Rivalitäten im Spiel? Fühlen sich Mitarbeitende ähnlicher Zugehörigkeitsdauer und Kompetenz übersehen oder zurückgesetzt? Gerade für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ist die Akzeptanz der Entscheidung innerhalb der Belegschaft elementar.

– Übernimmt sich der oder die Kandidatin wirtschaftlich? Auch wer lange Zeit in Führungsposition in einem Architektur- oder Inge­nieurbüro gearbeitet hat, verfügt in der Regel nicht über die gleichen finanziellen Mittel wie die Inhaberin oder der Inhaber – und daher auch nicht über den gleichen Rückhalt bei den ­finanzierenden Banken.

Externe Übergabe – Allgemeines

Diese Lösung ist ein klarer Schnitt – der aber nicht nur Vorteile mit sich bringt. Ob und in welcher Form der Firmenname und die Firmenphilosophie überlebt, ist dem Verhandlungsgeschick des Verkaufenden geschuldet und selbst dann keineswegs gesichert. Andererseits schuldet der oder die Veräußernde dem oder der Erwerbenden nichts weiter als saubere Zahlen und juristisch einwandfreie Verträge. Dennoch gibt es auch hier einiges zu berücksichtigen, das zum Teil allerdings auch für die vorhergenannten Fälle gilt:

– Bekanntmachung des Übergangs bei Geschäftspartnern, dem Finanzamt, der Berufsgenossenschaft, der jeweiligen Kammer und ggf. dem Arbeitsamt. Lose Enden sind nicht nur aus Haftungsgründen zu vermeiden. Eine klare und transparente Kommunikation erleichtert es auch den ehemaligen Beschäftigten sowie dem weiteren Umfeld, sich auf die neue Inhaberschaft und deren Unternehmensausrichtung einzustellen und bestenfalls einzulassen.

– Hat die externe Kandidatin oder der externe Kandidat einen ausreichenden Einblick in die Ausrichtung und Funktionsweise des Büros erhalten und bestenfalls zumindest die wichtigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen gelernt? Wer nicht nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut“ agiert, kann so herausfinden, ob Bewerber, Büro und Belegschaft zu einander passen oder ob es grundsätzliche fachliche oder menschliche Divergenzen gibt. 

– Versicherungen und Verträge kündigen: Neben den materiellen Gütern wie Büromöbel, Computer möchten die oder der neue Eigentümer möglicherweise auch Softwarelizenzen, Reinigungsdienste, Versicherungen und ähnliches übernehmen bzw. fortführen. Kündigungen und Neuverträge sind dennoch selbstverständlich, werden aber oftmals nicht zeitnah oder vollständig durchgeführt. Vor allem die fristgerechte Kündigung der Altverträge ist ein Problem, da unterschiedliche Laufzeiten in der Regel nicht auf ein gemeinsames Enddatum zulaufen. Hier ist besonderes Augenmerk  auf die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen zu legen.

Übernahme durch externes Unternehmen

Bereits seit einigen Jahren operieren Architekturbüros am Markt, die selbst eigentlich schon kleine Konzerne sind und sich durch strategische Zukäufe Regionen oder Fachrichtungen erschließen. Dies kann eine lukrative und „saubere“ Möglichkeit sein, die eigene Unternehmensnachfolge zu regeln. Allerdings muss man bedenken, dass hierbei auch das intellektuelle „Erbe“ in den Konzern übergeht. Vorab sollte man daher einige Fragen für sich klären:

– Kann ich mich mit den Idealen und Zielen des Fremdunternehmens identifizieren? Gefällt mir sein Gebahren am Markt und bin ich bereit, meinen eigenen Ruf mit dem des Fremdunternehmens zu verbinden? Je nach Ausgestaltung der Verträge ist es möglich, dass der Name oder Bestandteile davon fortgeführt werden sollen.

– Welche Rolle nehme ich nach der Übernahme ein? Oft werden den Inhabern beratende oder überwachende Tätigkeiten angeboten. Möchte ich künftig ein Angestellter oder eine Angestellte in meiner eigenen Firma sein?

– Gerade bei der Ausgestaltung der Verträge mit großen Unternehmen sollte man bei der Kammer oder Berufsgenossenschaft um Rat und Unterstützung fragen und spezialisierte Juristen hinzuziehen.

Abschließend lässt sich festhalten: Die Ideallösung für den Übergang gibt es nicht. Doch je frühzeitiger man sich mit dem Thema auseinandersetzt, desto eher zeichnet sich ein Bild ab, in welche Richtung man selbst tendiert. Das erleichtert es, den Prozess gezielt in Gang zu setzen und nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Im Grunde ein Vorgang, der jeder Bauingenieurin und jedem Architekten wohl vertraut sein sollte.

⇥Jan Ahrenberg/DBZ

Links:
Zahlreiche Architektenkammer informieren auf ihren Seiten zum Thema. Hier einige Beispiele:
Architektenkammer Niedersachsen: >Mitglieder >Architekturbüro >Unternehmensnachfolge
Infos und Nachfolgebörse der Bayerischen Architektenkammer: www.byak.de, >Architektenkammer >Unser Service >Nachfolgebörse
Büro anbieten oder kaufen:
Deutsche Unternehmerbörse: www.dub.de, Suche: Architektur-  oder Ingenieurbüro etc.
Nachfolge Börse: www.nachfolge-boerse.de
Architektenkammer Nordrhein-Westfalen: Berufspraxis >Bürovermittlungsbörse

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