Haftung des Bauüberwachers für fehlende oder fehlerhafte Ausführungspläne
Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 08.05.2024 — 6 O 300/17Die Überschrift ist zugegebenermaßen irreführend. Warum sollte der Bauüberwacher für die Ausführungsplanung des planenden Architekten haften, wenn diese fehlerhaft ist oder z.B. Details wie Abdichtungsebenen oder Anschlüsse gänzlich fehlen. Das ist doch Sache des Planers oder des Bauherrn denken Sie jetzt vielleicht, und damit haben Sie grundsätzlich recht. Aber der Teufel versteckt sich sozusagen im Einzelfall.
Bei dem hier vom Landgericht Karlsruhe entschiedenen Fall hatte der Bauherr ein Architektenbüro mit der Bauüberwachung für den Umbau eines Hauses beauftragt. Nach Fertigstellung wurden zahlreiche Ausführungsmängel festgestellt, u.a. eine mangelhafte Abdichtung. Der Bauherr nahm den Bauüberwacher vor dem Landgericht Karlsruhe auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung in Höhe von 200.000 € in Anspruch. Der Bauüberwacher verteidigte sich u.a. damit, dass die seinerzeit übergebenden Pläne nur Vorabzüge waren, die der Bauherr nicht freigegeben hatte. Aus diesem Grund wurde nach diesen Plänen nicht gebaut. Eine Abdichtungsplanung hatte es insgesamt nicht gegeben.
Begründung des Landgerichts
Das Landgericht befand, dass der Bauüberwacher seine Aufgabe mangelhaft erbracht hatte und dies ursächlich für die im Bauwerk manifestierten Mängel war. Der Bauüberwacher war nach dem Vertrag verpflichtet, die Bauüberwachung nach den von dem planenden Architekten erstellten Ausführungsplänen zu erbringen. Das Gericht erkennt schulmäßig, dass grundsätzlich die ordnungsgemäßen Ausführungspläne vom Bauherrn an den Bauüberwacher übergeben werden müssen, selbst wenn dies nicht explizit im Vertrag stehen würde (Obliegenheit), da sie Grundlage für die Leistungserbringung des Bauüberwachers sind. Sofern eine solche Verpflichtung des Bauherrn sogar im Vertrag geregelt wird, wird aus der Obliegenheit eine echte Leistungspflicht, die einklagbar ist.
So sei es vorliegend geschehen, da im Vertrag ausdrücklich geregelt worden ist, dass die Bauüberwachung nach den Ausführungsplänen des Architekten erfolgen sollte. Aufgrund dieser Vereinbarung hat der Bauüberwacher einen einklagbaren Anspruch auf Übergabe der Ausführungspläne gegen den Bauherrn. Die Verletzung dieser Pflicht durch den Bauherrn kann zu einem Schadensersatzanspruch des Bauüberwachers führen. Ferner stellte das Gericht fest, dass der planende Architekt verpflichtet ist, eine vollständige, mangelfreie und funktionsgerechte Ausführungsplanung zu erstellen. Besonders schadensträchtige Details müssen in einer jedes Risiko ausschließenden Weise dargestellt werden. Der ausführende Unternehmer muss zweifelsfrei die Anforderungen z.B. an eine Dickbeschichtung hinsichtlich Stärke und Materialverbrauch erkennen können. Der Bauüberwacher ist dazu verpflichtet, die Ausführungsplanung auf offensichtliche Fehler hin zu überprüfen. Er muss die mangelfreie Ausführung gewährleisten und muss dementsprechend die Pläne prüfen, ob diese für eine mangelfreie Ausführung tauglich sind.
Im entschiedenen Fall hat z.B. eine Abdichtungsplanung vollständig gefehlt, die für das Bauen im Bestand aber zwingend notwendig gewesen wäre. Der Bauüberwacher hätte dies erkennen und eine Klärung herbeiführen müssen. Im Zweifel hätte der Bauüberwacher die Übergabe der Pläne einklagen und die Arbeiten einstweilen einstellen müssen. Da der Bauüberwacher aber untätig geblieben ist, haftet er nun für die Schäden, die sich aus der mangelhaft ausgeführten Abdichtung ergeben.
Mitverschulden des Bauherrn
Das Gericht hat aber auch darauf erkannt, dass dem Bauherrn ein Mitverschulden in Höhe von 50% angelastet werden muss. Dies folgt aus der Leistungspflicht des Bauherrn, dem Bauüberwacher ordnungsgemäße Ausführungspläne zu übergeben. Hierdurch wird ein eigener Schadensersatzanspruch des Bauüberwachers begründet, der im Rahmen des Mitverschuldens beachtet werden muss. Das Landgericht Karlsruhe hat sodann in einer Abwägung der Verursachungsbeiträge (Einzelfallentscheidung) darauf erkannt, dass der Bauherr aufgrund der mangelhaften Architektenpläne 50% Mitschuld am entstandenen Schaden zu tragen hat.
Diese Entscheidung – die in den Urteilsgründen sehr ausführlich begründet ist – zeigt auf, wie weit die Leistungspflichten von Bauherrn, planenden und bauüberwachenden Architekten gehen und von wem im Schadensfall der Schaden zu ersetzen ist. Für den Bauüberwacher gilt der allgemeine Grundsatz stets wachsam zu sein und im Zweifel einmal mehr die Entscheidung des Bauherrn bei Unklarheiten, gerade bei den gefahrenträchtigen Bereichen, nachweislich einzuholen.