Aus der Rechtsprechung

Bleibt wachsam! Wer überwacht den Bauüberwacher?

Landgericht Stuttgart, Urteil vom 24.01.2024 – 21 O 380/17

Die die Bauarbeiten ausführenden Bauunternehmen werden vom Bauüberwacher, ein vom Bauherrn beauftragter Architekt überwacht. Wer aber passt eigentlich auf, dass der Bauüberwacher keine Fehler macht oder überhaupt seinen Überwachungspflichten ausreichend nachkommt? Reicht es aus, wenn der Bauherr seine Verantwortung auf den Architekten überträgt und sich danach nicht weiter kümmert? Im vom Landgericht Stuttgart entschiedenen Fall war es wie folgt:

Ein Bauherr beauftragte einen Architekten mit der Bauüberwachung. Es sollte ein Wohnhaus errichtet werden. An der Grundstücksgrenze stand eine Pumpenanlage des Nachbarn, die drückendes Wasser auf dem Kellergeschoss des Nachbarn pumpen sollte. Diese Pumpenanlage wurde durch die Bauarbeiten schwer beschädigt und fiel in der Folge aus. In den Keller des Nachbarn trat Wasser und schließlich ein Schaden von 87.000,00 € ein. Vereinfacht zusammengefasst nahm der Nachbar den Bauherrn auf Schadensersatz in Anspruch. Die spannende Frage war, ob der Bauherr sich durch die Beauftragung des Architekten mit der Bauüberwachung entlasten konnte? Das Landgericht war der Auffassung, dass Bauarbeiten aufgrund ihrer erheblichen Gefahrenneigung für Leib, Leben und Eigentum Verkehrssicherungspflichten des Bauherrn begründen. Diese Verkehrssicherungspflichten könne der Bauherr an geeignete Dritte übertragen. So auch hier geschehen mit der Beauftragung des Architekten als Bauüberwacher. Der Bauherr wird bei der Übertragung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten aber nicht gänzlich frei und kann gar untätig bleiben. Vielmehr müsse er den von ihm eingesetzten Dritten dahingehend überprüfen, ob er überhaupt im Sinne der Verkehrssicherungspflichten tätig  geworden ist. D.h. nach dem Landgericht Stuttgart müsse der Bauherr seinen bauüberwachenden Architekten dahingehend überprüfen, ob er Vorkehrungen getroffen hat, Gefahren der Baustelle für z.B. den Nachbarn zu vermeiden. Dies müsse bei an der Grundstücksgrenze errichteten technischen Anlagen nach der Auffassung des Landgerichts auch Bauherren erkennen, die baufachliche Laien sind.

Eine spannende Entscheidung, die aber in erster Linie den Bauherrn betrifft, der sich bei Inanspruchnahme im Schadensfall nicht so einfach entlasten kann. Ferner spielt die Entscheidung auch in einem Regressprozess zwischen Bauherrn und beauftragten Architekten eine Rolle, da sich zu recht die Frage des Mitverschuldens stellt.


Foto: Privat

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