Jüdisches Synagogenzentrum Potsdam
Synagogenzentrum mit „Haus Einsiedler“ (rechts)
Foto: Benedikt Kraft
Ende gut alles gut?! Wenn ein Bauvorhaben auch einen politischen Willen zu artikulieren hat, kann es schwierig werden, auch in Potsdam. So wurde bereits 2005 in einem Staatsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und dem jüdischen Landesverband Brandenburg der Neubau einer Synagoge vereinbart. Ende 2008 gab es einen begrenzt offenen Realisierungswettbewerb, dessen Sieger der Entwurf des Berliner Büros Jost Haberland war. Die Planungen wurden bis zur Baugenehmigung und den ersten Ausschreibungen durchgeführt. Dann kam es zum ersten Streit innerhalb der jüdischen Gemeinden, vordergründig ging es um die Gestaltung der Fassade und die Nutzung der Innenräume. Hauptkontrahenten waren der Landesverband West der jüdischen Kultusgemeinden sowie der Landesverband der jüdischen Gemeinden Brandenburg. 2011 wurde vom damaligen Ministerpräsidenten ein Projekt-Stopp verfügt.
Erst sieben Jahre später nahm man die Planung wieder auf, nun allerdings mit der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) als Partnerin, die auch die spätere Trägerschaft übernahm. Die Grundsteinlegung erfolgte am 8. November 2021, beinahe auf den Tag genau 83 Jahre nach der Entweihung des Gotteshauses in der Pogromnacht 9./10. November 1938. Niedergebrannt wurde das Haus nicht, erst ein Luftangriff auf Potsdam am 14. April 1945 beschädigte die Synagoge schwer. 1954 wurde sie dann komplett abgerissen. An ihrer Stelle – auf der Ostseite des „Platzes der Einheit“ – steht heute ein aus der Fassadenflut in den Platzraum gerückter, anonymer Mehrgeschosswohnungsbau.
Der Neubau der Synagoge, dem ein Bestandsgebäude aus DDR-Zeiten weichen musste, steht nun gut 300 m Luftline entfernt in Richtung Süden, an der Schlossstraße. Er hat vier Obergeschosse und ist vollständig unterkellert. Da die Gründungstiefe des Gebäudes unterhalb der der Nachbarbebauung liegt, war eine besondere Fundamentsicherung dieser Häuser erforderlich.
Die Fassade zur Schlossstraße ist räumlich gestaffelt. Der Synagogenraum kragt um einen Meter in den Straßenraum aus. Als Fassadenmaterial wurde sandfarbener Ziegel mit einer entsprechenden Fugenfarbe gewählt.
Die Eingangssituation wird durch einen 2-geschossigen Bogen gebildet. Dahinter befindet sich die notwendige Sicherheitsschleuse vor dem Foyer als zentraler Verteiler. Räumlich verbunden mit dem Foyer ist der multifunktional konzipierte Veranstaltungssaal, der auch als Besuchercafé gedacht ist. Im Untergeschoss befindet sich die Mikwe, das Tauchbad. Die Mikwe wird aus rituellen Gründen mit Regenwasser gespeist. Ebenfalls sind hier Jugendraum untergebracht, Technik- und Lagerräume sowie die zentrale Toilettenanlage und die Garderobe der Synagoge.
Im 1. OG ist der Synagogenraum ein 3-geschossiger Zentralraum, er wird über ein Glasdach mit Zenitlicht versorgt. Zusätzlich bilden sieben Bogenfenster und die Frauenempore den optischen Rahmen für das religiöse Zentrum des Baus. Im 2. und 3. OG gibt es einen sogenannten „Aktivitätsraum“ mit integrierter Teeküche, eine Bibliothek, den Musikraum, den Kunstraum und Büros. Im 4. OG ist das Verwaltungszentrum mit weiteren Büroräumen und einem Besprechungsraum untergebracht. Auf der Dachterrasse finden religiöse Veranstaltungen statt, wie z. B. das Laubhüttenfest.
Man wird den Stadtbaustein Synagoge alias Synagogenzentrum als Teil der Bemühungen Potsdams sehen können, die Innenstadt mehr oder weniger zu rekonstruieren, oder sie doch zumindest mit einem historischen Flair zu beleben. An den Neubau des religiösen Zentrums anschließend gibt es mehrere Variationen über ein bauhistorisches Thema, u. a. „Haus Einsiedler“ oder die „Kommandatur“, die Teil eines Neubaublocks ist (Baufeld III), auf dem vor Jahren noch die Hochschul- und ehemalige Lehrerbibliothek ihren Platz hatte. Dass die Mittelbrandenburgische Sparkasse (MBS) den historisierenden Neubau des „Einsiedlers“ (Architektur: Dietz Joppien) kaufte und aus ihrer Filiale am Staudenhof an die Schlossstraße umzog, vollzog das endgültige Aus des Wohnblocks, der als ziemlich letzter Rest den Kulissencharakter der Potsdamer Altstadt stört und gerade abgerissen, also „zurückgebaut“ wird. Dann bleibt nur noch, das Hotel „Mercure“ am Schloss zu entsorgen.
Ende gut, alles gut? Es fehle – so Kritiker aus dem konservativen Lager gläubiger Juden – im Neubau eine Durchreiche zwischen Küche und Café, die Brüstung der Frauenempore sei zu lang und die Mikwe sei – weil für alle Geschlechter konzipiert – für Chabad-Juden nicht nutzbar. Dass etwas nicht koscher ist, in Potsdam habe ich länger schon geahnt. Be. K.