Keine Beschaffenheitsvereinbarung „nach unten" durch Vorlage von Plänen!
OLG Koblenz, Urteil vom 07.07.2022 - 1 U 1473/20; BGH, Beschluss vom 24.05.2023 - VII ZR 139/22 (Anhörungsrüge zurückgewiesen)Ein Werk ist mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Sofern nicht ein anderer Standard oder eine andere Ausführung vereinbart ist, verpflichtet sich der Unternehmer in der Regel stillschweigend zur technisch einwandfreien Herstellung des Werks. Die Unterbreitung von Bauplänen an einen bautechnischen Laien lässt nicht den Schluss zu, dass dieser mit einer Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik einverstanden ist. Hierfür bedarf es einer ausdrücklichen vorherigen Aufklärung auch bezüglich der zu erwartenden Folgen für die tatsächliche Benutzbarkeit.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte plante im Jahr 2014 die Errichtung eines Mehrfamilienhauses sowie dessen Veräußerung in Form von Wohnungseigentumseinheiten. Nach einer Begehung des Baugrundstücks am 19. Juli 2014 erwarb der Kläger mit notariellem Vertrag in dem seinerzeit noch im Planungsstadium befindlichen Objekt ein zu erstellendes „luxuriöses Penthouse in einer „exklusiven Stadtvilla“. Zu der Wohnung gehörten zwei PKW-Abstellplätze in der Tiefgarage.
Bestandteil des notariellen Vertrages waren u.a. die Baubeschreibung sowie die Baupläne, die als Anlage beigefügt waren. Der Kaufpreis für die gesamte Wohnung betrug 540.000,- Euro und für jeden Stellplatz 17.500,- Euro. Das anschließend errichtete Objekt wurde als Wohnungseigentumsanlage konzipiert.
Im Baugenehmigungsverfahren bewilligte die örtliche Baubehörde eine Abweichung des Gefälles der Rampe zur Tiefgarage von 15% auf 24%. Die in der Folgezeit erstellte Rampe der Tiefgarageneinfahrt besaß auf ganzer Länge eine Breite von 2,75 m sowie eine über das zulässige Maß hinausgehende Neigung. Im Bereich der Tordurchfahrt betrug die Rampenbreite auf einer Länge von 24 cm nur 2,50 m. Zwischen den in der Tiefgarage vorhandenen Stellplätzen wurden aus statischen Gründen Betonsäulen angebracht.
Der Kläger verlangte die Herstellung einer Durchfahrtsbreite von durchweg 2,75 m für die Tiefgaragenzufahrt, die Erreichbarkeit der an ihn veräußerten Stellplätze mit einem Fahrzeug der oberen Mittelklasse mit nicht mehr als drei Fahrzeugbewegungen sowie die Korrektur der Neigung der Rampe von 24% auf höchstens 15%. Der Beklagte berief sich darauf, dass die tatsächliche Ausführung der Tiefgarage den Plänen entspreche, auf die im Bauträgervertrag Bezug genommen sei. Darüber hinaus sei die tatsächliche Benutzbarkeit besprochen worden. Im Rahmen des anberaumten Ortstermins war der Beklagte persönlich aber nicht in der Lage, ein Mittelklassefahrzeug relativ einfach auf einem der Stellplätze einzuparken. Der Sachverständige stellte ergänzend fest, dass das im Fahrzeug installierte Warnsystem bereits ab Beginn des Einparkens einen Dauerton abgab.
Die Entscheidung:
Wegen der zu engen Einfahrt und der sehr eingeschränkten Befahrbarkeit der erworbenen Stellplätze gewinnt der Kläger auch in zweiter Instanz. Ihm stehe aus dem Bauträgervertrag gegen den Beklagten ein - werkvertraglich zu beurteilender - Anspruch auf Herstellung einer Tiefgaragenzufahrt mit einer durchgängigen Durchfahrtsbreite von 2,75 m zu. Nach § 633 Absatz 2 Satz 1 BGB sei ein Werk mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit habe. Die Rechtsprechung gehe davon aus, dass sich der Unternehmer, sofern nicht ein anderer Standard oder eine andere Ausführung vereinbart sei, in der Regel stillschweigend zur technisch einwandfreien Herstellung des Werks verpflichtet sei. Das erfordere in der Regel die Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik, wie vorliegend sogar ausdrücklich vereinbart. Das Werk müsse diesen Regeln entsprechen; andernfalls läge auch ohne Schaden oder ohne konkrete Beeinträchtigung der Funktion ein Mangel vor. Die Beachtung der anerkannten Regeln der Technik werde flankiert von der Einhaltung der gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen.
Die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen umfassen alle Regelungen des privaten und öffentlichen Rechts, wie beispielsweise die Bauordnungen der Länder, Brandschutzvorschriften, das Wasserhaushaltsgesetz, das Bundesimmissionsschutzgesetz sowie die Wärmeschutzverordnung oder die Energieeinsparverordnung. Der Auftraggeber könne somit erwarten, dass der Auftragnehmer bei der Herstellung des Werks sämtliche öffentlich-rechtliche Vorschriften einhält. Es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass im Bereich der Tordurchfahrt die Durchfahrtsbreite der Rampe auf einer Länge von 24 cm nur 2,50 m beträgt. Dies stelle einen Verstoß gegen § 3 Garagenverordnung Rheinland-Pfalz und die dort geforderte Mindestbreite von 2,75 m dar. Die Missachtung der Vorgaben der Garagenverordnung begründe einen Sachmangel.
Nach der Verordnung müsse die Breite von Rampen von Mittel- und Großgaragen mindestens 2,75 m betragen. Bei der streitgegenständlichen Tiefgarage mit fünf Stellplätzen handele es sich um eine sogenannte Mittelgarage. Die Zufahrtsbreite betrage im direkten Rampenbereich (auf einer Länge von 24 cm) 2,51 m, d.h. die Mindestbreite von 2,75 m werde nicht eingehalten. Der Kläger musste nicht aus den Bauplänen ersehen, welche gravierenden Folgen für die tatsächliche Benutzbarkeit bei deren Umsetzung gegeben sind. Solange nicht eine ausdrückliche und vorherige Aufklärung erfolgt sei, darf der Erwerber von einer Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik ausgehen.
Praxishinweis:
Zur technisch einwandfreien Herstellung des Werks gehört die Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Andernfalls liegt auch ohne Schaden oder ohne konkrete Beeinträchtigung der Funktion ein Mangel vor. Die Beachtung der anerkannten Regeln der Technik wird flankiert von der Einhaltung der gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen, wozu auch die Vorschriften der jeweiligen Garagenverordnung gehören.
Größe und Erreichbarkeit von (Tiefgaragen-)Stellplätzen beschäftigen die Gerichte seit vielen Jahren. Für SUV-taugliche Stellplatzanlagen wird eine Breite von 2,70 m empfohlen; dieses Maß sollte bei der Anpreisung von "Luxus" nicht unterschritten werden. Andernfalls muss klipp und klar darauf hingewiesen werden, dass nur "Smart"- Einstellplätze veräußert werden. Den Anspruch des Klägers auf Herstellung der Rampenneigung wies das Gericht allerdings ab, weil diese Herstellung dem Beklagten unmöglich ist; Nachbesserungspflichten haben nach der BGH-Rechtsprechung dort ihre Grenze, wo eine nicht unwesentliche Veränderung der Grundsubstanz und der Konzeption des Werks im Raum steht.