Moschee in neuem Glanz

Bei der denkmalgerechten Sanierung der Wilmersorfer Moschee in Berlin kam der Rekonstruktion der urprünglichen Farbgebung eine besondere Bedeutung zu. Bei teils unklarer Befundlage mussten die Nutzer:innen, Architekt:innen und die beteiligten Behörden tragfähige Kompromisse finden, um ein stimmiges Farbkonzept zu entwickeln. Ein Lehrstück in sensibler Quellendeutung und bewusstem Umgang mit dem baulich-kulturellen Erbe.

Text: Marcus Nitschke

Die Ahmadiyya-Moschee in Berlin Wilmersdorf wurde 1928 eröffnet und zählt zu den ältesten islamischen Gotteshäusern in Deutschland
Foto: Jobst von Berg/ D:4

Die Ahmadiyya-Moschee in Berlin Wilmersdorf wurde 1928 eröffnet und zählt zu den ältesten islamischen Gotteshäusern in Deutschland
Foto: Jobst von Berg/ D:4


Seit ihrer Eröffnung im Jahr 1928 ist die „Wilmersdorfer Moschee“ fester Bestandteil des Berliner Architekturkanons. Die zeitgenössischen Auskünfte zu den architektonischen Grundlagen gaben jedoch leider nur sehr spärlich Anhaltspunkte zum oppulenten Farbkonzept, dass sich an orientalischen Vorbildern orientiert haben muss. Denn der Berliner Architekt K.A. Herrmann gestaltete die kleine Moschee in der Gestalt nach indischen und irakischen Vorbildern, wahrscheinlich war ihm auch der bereits 1913 in Woking nahe London erste in Europa errichtete Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde aus Lahore, heute Pakistan, bekannt. In Berlin war zunächst ein größerer Bau im Charlottenburger Ortsteil Witzleben geplant. Herrmanns Zeichnung sah ein Gebäude in orientalischer Opulenz vor, zweigeschossig mit integriertem Unterrichts- und Bibliotheksbereich, also ein vollständiges Bet- und Lehrhaus für die Bekanntmachung und Mission des Islams in Deutschland.


... und durch neue, diffusionsoffene Farben ersetzt
Foto: D:4

... und durch neue, diffusionsoffene Farben ersetzt
Foto: D:4


Die rasante Inflation in den frühen 1920er-Jahren machte das dafür angesparte Vermögen zunichte. Schließlich entstand ein kleineres Haus an anderer Stelle in Wilmersdorf, eine kompakte Moschee mit direkt anschließendem Wohnhaus für den Imam. Schnell stand die Gemeinde im Fokus der Berliner Gesellschaft und wurde zum Ort des interreligiösen Gesprächs. Ein früher Höhepunkt war die hier gefertigte, erste vollständige deutsche Übersetzung des Korans. Nach 1945 war jedoch alle Arbeit zum Erliegen gekommen und statt eines Imams kümmerten sich nur einige wenige verbliebene Gemeindemitglieder um den Erhalt des kriegsbeschädigten Gebäudes.


Der Berliner Architekt K.A. Herrmann gestaltete die kleine Moschee nach indischen und irakischen Vorbildern
Foto: Maximilian Pudenz /D:4

Der Berliner Architekt K.A. Herrmann gestaltete die kleine Moschee nach indischen und irakischen Vorbildern
Foto: Maximilian Pudenz /D:4


Zum Ende der 1950er-Jahre war endlich genug Geld aufgetrieben worden, um zumindest eine Grundsicherung der Dachkuppel und der Fassade in Angriff zu nehmen. Die farbige Gestaltung wurde außen wie innen reduziert, weiße und hellgraue Flächen bestimmten nun den Gesamteindruck, was durchaus dem Zeitgeschmack als auch den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde entsprach.

Für die Renovierung wurden – ebenso zeittypisch – Dispersionsfarben genommen, ohne sich jedoch über die bauphysikalischen Konsequenzen im Klaren zu sein. Im Ergebnis kam es durch den nicht diffusionsoffenen Anstrich zu einem jahrzehnte­langen Feuchtestau im Mauerwerk. Im Rahmen der Sanierung war daher erst einmal ein mehrjähriges Abtrocknen und Auslüften der durchfeuchteten Stellen notwendig.

Im Rahmen der denkmalpflegerischen Sanierung wurden die Fassadenanstriche vollständig entfernt und durch neue, diffusionsoffene Farben der Firma Keimfarben ersetzt. Im Innenraum stellte sich die Lage dagegen komplexer dar. Nach einigen Freilegungen durch eine Restauratorin wurde deutlich, dass für die ursprüngliche Fassung differenziertere Gestaltungsmittel eingesetzt wurden, als die Nachkriegsrenovierungen erkennen ließen. Aufgrund von chemisch bedingten Farbveränderungen, vor allem im Bereich der Grüntöne, boten die Befunde jedoch kein einheitliches Bild. Bezüglich der grafischen Aufteilung konnten einige historische Schwarzweiß-Aufnahmen etwas Aufschluss geben, ließen die Frage nach den genauen Farbtönen aber offen. Weiterführende textliche Aufzeichnungen des Architekten existierten in der historischen Bauakte leider nicht. Unterschiedliche Lichtverhältnisse in den Fotos gaben zudem keine Antwort auf die Frage, ob die ornamentalen, horizontalen Schablonenmalereien heller oder dunkler als der Untergrund waren.


Orientalische Vorbilder: Die Ornamentschablonen wurden neu gefertigt, die Stege wurden beim Auftrag der Farbe bewusst nicht nachretuschiert
Foto: Maximilian Pudenz /D:4

Orientalische Vorbilder: Die Ornamentschablonen wurden neu gefertigt, die Stege wurden beim Auftrag der Farbe bewusst nicht nachretuschiert
Foto: Maximilian Pudenz /D:4


In Abstimmung mit den Denkmalbehörden wurde schließlich ein Farbkanon festgelegt, der mutmaßlich der Ursprungsfassung am nächsten kommt. Die unterschiedlichen Farbbefunde der Türen wurden leicht harmonisiert. Für die Innenkuppel wurde, da die Feinputz-Oberfläche neu aufgebaut wurde, ein heller Grünton nach Wunsch der Gemeinde gewählt, der schon an kleineren Flächen im Bereich der oberen Betonwabenfens­ter aufgetaucht war.

Die Putzflächen der Wände wurden gemäß ihres jeweiligen Zustandes so weit als möglich erhalten, wobei der Freilegung der alten Anstriche beziehungsweise der dann noch auffindbaren Reste aus Zeit- und Kostengründen verworfen wurde. Die Ornamentschablonen wurden neu gefertigt, die Stege wurden beim Auftrag der Farbe bewusst nicht nachretuschiert.


Im Rahmen der denkmalpflegerischen Sanierung
wurden die Fassadenanstriche vollständig entfernt ...
Foto: D:4

Im Rahmen der denkmalpflegerischen Sanierung
wurden die Fassadenanstriche vollständig entfernt ...
Foto: D:4


An den Außenwänden mit ca. 225 m² Flächen wurde ein bauzeitliches Ornamentband befundet. Um dieses zu erhalten, wurden schadhafte Putzbereiche nicht erneuert, sondern stabilisiert. Aus bauphysikalischen Gründen musste dann die nachbauzeitlich aufgebrachte Dispersionsfarbe entfernt und über den erhaltenen bauzeitlichen Ornamenten ein neuer reversibler Farbaufbau aufgebracht werden, der in der fertigen Fassung der bauzeitlichen Ausführung gleicht. Zum vorsichtigem Abziehen der Farbschichten des Dispersionsanstriches, der teils mit Gips überspachtelt war, wurde Heißdampf und eine manuelle Schabetechnik eingesetzt. Anschließend wurde eine reversible und diffusionsoffene Beschichtung aufgebracht. Vorab wurden größere Unebenheiten der Kalkputzoberfläche durch Spachteln mit Kalkfeinputz ausgeglichen und Kalkglätte vollflächig mit max. 1 mm aufgetragen. Es folgte reversible Grundierung für stark saugende Untergründe, eine reversible Zwischenbeschichtung im angegebenen Farbton sowie eine Schlussbeschichtungmit Bürste. In sich geschlossene Flächen in einem Arbeitsgang absolut dünnschichtig, überlappungsfrei und gleichmäßig im Kreuzgang auftragen.


Zeitenschichten: Im Laufe der wechselhaften Geschichte der Moschee wurde das Farbschema immer wieder angepasst und übertüncht. Eine eingehende Recherche ermöglichte nun die annähernd originale Wiederherstellung der Anstriche
Foto: D:4

Zeitenschichten: Im Laufe der wechselhaften Geschichte der Moschee wurde das Farbschema immer wieder angepasst und übertüncht. Eine eingehende Recherche ermöglichte nun die annähernd originale Wiederherstellung der Anstriche
Foto: D:4


Im Ergebnis ist nun mit Mitteln der pakistanischen Gemeinde und finanzieller Unterstützung aus dem Bundesministerium für Kultur, der Stiftung Klassenlotterie Berlin, dem Landesdenkmalamt Berlin und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die älteste noch erhaltene Moschee Deutschlands wieder vollständig im Betrieb gegangen. In Vorbereitungen des anstehenden 100jährigen Jubiläums der Gemeindegründung soll das noch fehlende „Waschhaus“ ergänzt werden, in dem sich die Besucher vor dem Besuch der Moschee rituell reinigen können. Die Verhandlungen mit der Denkmalpflege über die Möglichkeit eines entsprechenden Anbaus laufen, die Finanzierung wird nur mit Spenden möglich sein und ein neuer Kraftakt werden.


Autor: Marcus Nitschke ist Geschäftsführer des Architekturbüros D:4 in Berlin
www.d-4.de
Foto: Jennifer Aengst/ D:4

Autor: Marcus Nitschke ist Geschäftsführer des Architekturbüros D:4 in Berlin
www.d-4.de
Foto: Jennifer Aengst/ D:4


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