Aus der Rechtsprechung

Ohne schriftliche Vereinbarung gilt Umbauzuschlag von 20 Prozent

OLG Naumburg, Urteil vom 16.05.2024 - 2 U 96/23

Ein durch Tonabbau künstlich entstandener Ententeich, der zur Ableitung von Mischwasser genutzt wird, ist ein Ingenieurbauwerk. Die Vergrößerung eines solchen Teichs um mehr als 10% und eine Nutzungsänderung als Zwischenspeicher für Regenwasser ist eine Umgestaltung mit wesentlichen Eingriffen in den Bestand und damit ein Umbau. Ohne schriftliche Vereinbarung gilt ein Zuschlag von 20% als vereinbart.

Der Sachverhalt:

Ein Zweckverband und ein Ingenieurbüro schlossen im Jahr 2014 einen Vertrag über die Leistungsphasen 1 bis 9 des Leistungsbilds Ingenieurbauwerke für das Bauvorhaben „Umwidmung eines Ententeichs“. Vertragsgegenstand war die Erstellung und Einreichung der erforderlichen Unterlagen für einen Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung zur Umwidmung des Ententeichs von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage. Als Honorar wurde ein Pauschalhonorar vereinbart. In der Honorarabrechnung berechnete das Ingenieurbüro für die Grundleistungen sowie für die örtliche Bauüberwachung jeweils einen Umbauzuschlag von 20 %. Das Landgericht stimmte dieser Berechnungsweise zu. In der Berufung hingegen vertritt der Zweckverband die Auffassung, dass die erstmalige Umgestaltung einer bestehenden Fläche zu einer Freianlage keinen Umbau darstelle. Zudem habe keine besondere Mehrbelastung vorgelegen, die einen Zuschlag rechtfertigen würde.

Die Entscheidung:

Das Berufungsgericht folgte dieser Auffassung nur teilweise. Im vorliegenden Fall liege eben doch ein Umbau des Teiches vor, welcher die Abrechnung eines Umbauzuschlags begründe. Diese Frage sei ausschließlich unter Berücksichtigung der Legaldefinition des Umbaus in § 2 Absatz 5 HOAI 2013 zu beurteilen. Dieser lautet:

„Umbauten sind Umgestaltungen eines vorhandenen Objekts mit wesentlichen Eingriffen in Konstruktion oder Bestand."

Dem Zweckverband sei allerdings darin zu folgen, dass allein der Umstand, dass der Teich als Gegenstand der beim Ingenieurbüro in Auftrag gegebenen Planung von Umgestaltungen einer von Menschenhand geschaffenen Struktur, ein künstlich angelegtes Stillgewässer und kein natürliches Gewässer sei, noch nicht ausreiche, um von einem Umbau im Sinne dieser Definition auszugehen.

Als vorhandenes Objekt sei nur ein Objekt im Sinne von Teil 3 der HOAI 2013 anzusehen. Übertragen auf den Fall des Leistungsbildes Ingenieurbauwerk müsse es um die Umgestaltung entweder eines Gebäudes oder eines vorhandenen Ingenieurbauwerks oder einer vorhandenen Freianlage gehen. Letzteres entspreche der Auffassung des Zweckverbands, dass der Umbau einer Freianlage im Sinne von § 39 Absatz 1 HOAI 2013 voraussetze, dass die Freifläche bereits eine (geplante) Freianlage sei.

Der Ententeich sei, wie unter anderem auch dem gerichtlichen Gutachten zu entnehmen sei, dadurch entstanden, dass durch Tonabbau eine Vertiefung geschaffen worden sei, die sich nach und nach mit Grundwasser, Regenwasser und Schmutzwasser gefüllt habe (sog. Abgrabungsgewässer). Er sei vom Zweckverband selbst bereits zur Ableitung von Mischwasser genutzt worden und habe über einen Ablauf (sog. Mönch) verfügt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob oder gegebenenfalls nach welchen rechtlichen Vorgaben die Anlage des Teiches geplant worden sei, sondern allein darauf, dass der künstlich entstandene Teich als Anlage des Wasserbaus genutzt und in das System dieser Anlagen des beklagten Zweckverbands integriert worden sei und darüber hinaus über einen regulierten Ablauf verfügt habe. Der Ententeich sei eine – nicht genehmigte – Anlage des Wasserbaus gewesen, habe zum System der Wasserableitung gehört und sei deswegen als ein bereits vorhandenes Ingenieurbauwerk anzusehen.

Die geplanten Eingriffe in den Bestand des Teichs seien auch als erheblich zu betrachten. Die Bewertung der Eingriffsintensität erfolge anhand des Ausmaßes der Veränderung am Bestand. Quantitativ gelte ein Eingriff als wesentlich, wenn er 10 % bis 20 % des Bestands betreffe. Qualitativ liege eine wesentliche Veränderung vor, wenn die Änderungen zu grundlegenden Nutzungsanpassungen führten. Im vorliegenden Fall solle eine größere Wasserspeicherkapazität geschaffen und das bestehende Mischsystem in ein Trennsystem umgewandelt werden, bei dem das Regenwasser nach Zwischenspeicherung im Teich kontrolliert und gedrosselt in einen Vorfluter abgeleitet werde. Gemäß § 2 Absatz 5 HOAI handle es sich dabei um einen Umbau eines vorhandenen Objekts. Da keine schriftliche Vereinbarung über einen Umbauzuschlag getroffen worden sei, gelte ein Zuschlag von 20 % als vereinbart (§ 6 Absatz 2 Satz 4 HOAI 2013).

Praxishinweis:

Zur Abgrenzung von Ingenieurbauwerken und Freianlagen ist im Einzelfall entscheidend, ob eine gestalterische Planung im Vordergrund steht (dann Freianlage) oder ob der Schwerpunkt auf einer ingenieurtechnischen Planung liegt. Dies gilt ebenso für die Abgrenzung zwischen Freianlagen und Verkehrsanlagen. Die Einstufung als Ingenieurbauwerk erscheint in diesem Fall jedoch zutreffend. Zu beachten ist allerdings, dass die Zuschlagsregelung des § 6 Absatz 2 Satz 4 HOAI 2013 erst bei einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad Anwendung findet. Daher ist im Einzelfall auch eine Zuordnung zur entsprechenden Honorarzone zu prüfen.

Unverständlich ist in diesem Zusammenhang allerdings die Anwendung eines Umbauzuschlags bei der örtlichen Bauüberwachung. Gemäß Anlage 12 Nummer 12.1 HOAI handelt es sich dabei um eine besondere Leistung. Die Regelungen des § 6 HOAI 2013 sind jedoch grundsätzlich nur für die Vergütung von Grundleistungen anwendbar. Die Zuschlagsregelung des § 6 Absatz 2 Satz 4 HOAI 2013 kann daher für besondere Leistungen nicht gelten.


Fotos: privat

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