Vom Abfall zum Produkt: Lehm

Wir hören, wir lesen es immer wieder: Baumaterial ist eigentlich immer vor Ort. Im Aushub der Baugrube, meistens jedenfalls. Lehmiger Boden, der in gar nicht so fernen Zeiten auch in dieser Region Baumaterial war. Heute bewundern wir die Häuser der Lehmbauer Martin Rauch u. a., die sich direkt aus dem Boden bedienen und wunderbare Architekturen darstellen. Einzelfälle?

Tatsächlich verhinderte bisher u. a. die Normierung von Bauprodukten die Umsetzung größerer Projekte, größerer Mengen, denn der Baustoff Lehm ist trotz aller bekannter wie auch geliebter Eigenschaften verpönt: pflegeintensiv, der Erosion­ ausgesetzt und damit vergänglich, auch ärmlich und ständig in Gefahr, Planer:innen und Bauherrschaft zu überfordern. Das greift nun ein bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) angesiedeltes und mit 324 000 € ausgestattetes Lehmbau-Forschungsprojekt auf – auch vor dem Hintergrund der in diesem Monat erscheinenden DIN 18940, die die Anwendung von tragendem Lehmsteinmauerwerk bis einschließlich Gebäudeklasse 4, also Gebäudehöhen bis zu 13 m zulässt. Das Projekt ist konkret bei dem Unternehmen Kimm-Baustoffe im hessischen Wabern angesiedelt. Hier werden traditionelle Baustoffe unter meist dicken Lehmschichten gefördert, der Lehm bleibt dabei reiner Abraum.

Ob und wie man aus diesem Material mittels einer industriellen Herstellung großformatige Lehmsteine für tragendes Mauerwerk bei gleichbleibender Qualität produzieren könnte, soll nun erforscht werden. Beispielsweise mit den bereits etablierten Formpressverfahren der Kalksandsteinindustrie, die mit mehr als 80 Standorten in Deutschland über die entsprechende Infrastruktur verfügt. Forschungspartner ist das Clay Expert Center der Materialforschungs- und -prüfanstalt Weimar, eines der führenden Institute im Bereich der Forschung und Entwicklung von Lehmbauprodukten und -bauweisen. Zum Wissenstransfer wird das Clay Expert Center Weiterbildungsformate für Fachkräfte aus der Architektur und dem Ingenieurwesen entwickeln und anbieten. Potenzial für Lehmsteine ist definitiv da, nicht nur wegen der positiveren CO2-Bilanz, allein 70 % der Wohnungen in Deutschland werden in Mauerwerksbauweise errichtet. Be. K.

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