Wie schnell lässt sich eine Bauhandwerkersicherheit durch ein Gerichtsurteil erreichen?
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Teilurteil vom 16.02.2024, 21 U 65/23Die Bauhandwerkersicherheit ist in Zeiten, in denen täglich Insolvenzen – auch von großen namhaften Projektentwicklern oder Bauträgern – angemeldet werden, von größter Bedeutung für Bauunternehmer, Architekten und Ingenieure. Mit einer Bauhandwerkersicherheit (§ 650f BGB - § 648a (a.F.) BGB) können Werklohnansprüche – auch zukünftige – gegen eine Insolvenz des Auftraggebers abgesichert werden.
Wenn der Auftraggeber nicht innerhalb einer angemessenen Frist der berechtigten Forderung nachkommt, die Bauhandwerkersicherheit zu übergeben, hat der Unternehmer das Recht, den Vertrag zu kündigen oder die Leistung einzustellen. Darüber hinaus kann er seinen Anspruch auf Übergabe einer solchen Bauhandwerkersicherheit vor Gericht durchsetzen. Dies dauert normalerweise etwa drei Wochen. Der folgende Gerichtsprozess soll beschleunigt durchgeführt werden. Wenn der Unternehmer seine (auch zukünftigen) Werklohnansprüche schlüssig darlegen kann – dafür genügt die Vorlage des Vertrages, aus dem sich die vereinbarte Vergütung ergibt – soll das Gericht bereits eine Entscheidung treffen. Etwaige Mängel oder Schäden werden – solange sie zwischen den Parteien umstritten sind – nicht berücksichtigt.
Auch eine etwaige außerordentliche Kündigung durch den Auftraggeber wird vor Gericht zunächst, wie eine ordentliche Kündigung behandelt. Eine Beweisaufnahme unterbleibt, es sei denn, es ist beispielsweise umstritten, ob überhaupt ein wirksamer Werkvertrag geschlossen wurde. Wenn es keine größeren Probleme gibt, entscheidet das Gericht etwa 3-4 Monate nach Einreichung der Klage. Gegen dieses Urteil kann der Auftraggeber jedoch Berufung einlegen und sein Recht in der zweiten Instanz suchen. Solange der Auftraggeber Berufung einlegt, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Um jedoch bereits nach dem erstinstanzlichen – noch nicht rechtskräftigen – Urteil die Bauhandwerkersicherheit zu erlangen, kann der Unternehmer (Bauunternehmer, Architekt, Ingenieur) die vorläufige Vollstreckung betreiben. Der Unternehmer muss jedoch eine Sicherheit leisten, um die vorläufige Vollstreckung durchzuführen. Über die Höhe dieser Sicherheitsleistung besteht Uneinigkeit zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten. Die Bandbreite reicht von 0 € bis zu 110 % der geforderten Sicherheit. Insbesondere die Ansicht, dass der Unternehmer eine Sicherheit in Höhe von 110 % der zu sichernden Summe leisten muss, wurde heiß diskutiert. Es mutet widersprüchlich an, dass ein Unternehmer zwar einen beschleunigten Zugang zu einer Bauhandwerkersicherheit erhalten solle, um seine Werklohnansprüche vor einer Insolvenz des Auftraggebers abzusichern, nach einem erfolgreichen – aber noch nicht rechtskräftigen – Urteil jedoch den Ausgang der Rechtsmittelinstanzen (Berufung und Revision) abwarten muss, weil er sich die Sicherheit in Höhe von 110 % für die vorläufige Vollstreckung nicht leisten kann.
Dies würde bedeuten, dass ein Unternehmer selbst liquide Mittel aufwenden und für eine längere Zeit binden müsste. Andererseits ergibt sich aus dem Gesetz, dass eine angemessene Sicherheit von demjenigen geleistet werden muss, der die vorläufige Vollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil betreiben möchte. Die Sicherheit soll dabei den Schaden abdecken, der entstehen kann, wenn vorläufig vollstreckt wird, das Urteil in der Rechtsmittelinstanz jedoch aufgehoben wird und der Auftraggeber die vollstreckte Sicherheit (in bar auf dem Konto des Unternehmers) nicht zurückerhält. Es wird darüber gestritten, ob es sich um einen wahrscheinlichen Schaden handeln muss oder ob jeder denkbare Schaden bei der Bemessung der Sicherheit berücksichtigt werden sollte.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main basiert in der oben genannten Entscheidung darauf, dass nur der wahrscheinlich eintretende Schaden abgesichert werden muss. Es folgt nicht der Ansicht, dass auch im Falle eines Zugriffs von Gläubigern auf die durch die vorläufige Vollstreckung eingezogene Summe der Auftraggeber sein Geld möglicherweise nicht mehr zurückerhält und daher die Sicherheit entsprechend in Höhe von 110 % dieser Summe bemessen werden muss. Das OLG Frankfurt hält dies für sehr unwahrscheinlich. Darüber hinaus könnte der Auftraggeber die vorläufige Vollstreckung abwenden, wenn ihm die zuvor ausgeurteilte Sicherheit ausreicht. Daher beläuft sich der Schaden aus der Vollstreckung auf die Kosten der Sicherheit, die dem Auftraggeber entstehen, um die Sicherheit zu beschaffen. Das Gericht schätzt diese Kosten auf 2-3 % der Bauhandwerkersicherheit für einen Zeitraum von 5 Jahren.
Das Teilurteil über die Höhe der Sicherheit für die vorläufige Vollstreckbarkeit kann nicht isoliert vor dem BGH angegriffen werden, daher ist keine Entscheidung des BGH dazu zu erwarten.
Autor: Jochen Mittenzwey, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Gesellschafter bei MO45LEGAL Rechtsanwälte und Notare
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