"Wilde" Planungswettbewerbe sind unzulässig
VK Südbayern, Beschluss vom 29.04.2024 - 3194.Z3-3_01-24-4Die Durchführung eines Realisierungswettbewerbs nur in Anlehnung an die Richtlinie für Planungswettbewerbe 2013 (RPW 2013) stellt einen Verstoß gegen § 78 Absatz 2 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) dar. Wenn der Auslober die RPW 2013 als veröffentlichte einheitliche Richtlinie seinem Realisierungswettbewerb zugrunde legt, dann ist ein Abweichen von den Regelungen der RPW nur mit der Zustimmung der Architektenkammer möglich.
Der Sachverhalt:
Die Vergabekammer hatte über einen Nachprüfungsantrag zu einem nichtoffenen Realisierungswettbewerb zu entscheiden. Mit Wettbewerbsbekanntmachung schrieb der Antragsgegner einen nichtoffenen Realisierungswettbewerb aus. Ziel des Verfahrens war es, ein Architekturbüro zu finden, welches das Projekt entsprechend der Aufgabenstellung hochbau- und landschaftsplanerisch begleitet.
Der Antragsgegner gab hierzu an, dass der Wettbewerb "in Anlehnung" an die RPW durchgeführt wird. Auf eine Beteiligung der Architektenkammer verzichtete er. Die Antragstellerin machte unter anderem geltend, dass der Wettbewerb nicht mit der Architektenkammer abgestimmt und registriert worden sei, wodurch die fairen Verfahrensbedingungen eines RPW-Wettbewerbs ausgehebelt würden. So sei beispielsweise das Preisgeld zu niedrig berechnet und entspreche nur ca. 25 % der Preissumme, die sich bei regulärer Berechnung durch die Kammer ergeben würde. Dies stelle einen Verstoß gegen § 77 Absatz 2 VgV dar. Darüber hinaus seien die Referenzanforderungen so gewählt, dass geeignete Architekturbüros mit für die Aufgabe angemessenen Hochbaureferenzen keine Chance auf die Teilnahme hätten. Es würden Großbüros bevorzugt werden.
Der Antragsgegner vertrat die Auffassung, dass eine Verpflichtung zur Anwendung der RPW für die Vergabestelle ausweislich § 78 VgV nicht bestehe. Dementsprechend bestehe für die Vergabestelle keine Verpflichtung, den Wettbewerb entsprechend der Regelungen der RPW auszugestalten oder bei der Architektenkammer zu registrieren. Die Regelung in § 78 Absatz 2 Satz 3 VgV habe lediglich eine Hinweisfunktion.
Auch seien die von der Vergabestelle vorgesehenen Mindestreferenzen und Auswahlkriterien vergaberechtskonform. Das Preisgeld orientiere sich an der Bauaufgabe und dem im Rahmen der Auslobung geforderten Bearbeitungsaufwand. Insbesondere vor dem Hintergrund erheblicher Reduktionen des Leistungsumfangs sei das veranschlagte Bearbeitungshonorar bzw. die ausgelobten Preisgelder angemessen im Sinn des § 79 Absatz 1 VgV bemessen worden.
Die Entscheidung:
Die Vergabekammer hat der Auffassung der antragstellenden Architektin im Rahmen eines rechtlichen Hinweises zugestimmt. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Insbesondere sei die Antragstellerin gemäß § 160 Absatz 2 (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) GWB antragsbefugt. Der Antragstellerin könne aufgrund ihres schlüssigen Vortrags schon nicht zugemutet werden, eine Teilnahmeberechtigung für ein Verfahren einzureichen und damit zugleich ein Einverständnis mit den zugrundeliegenden Verfahrensbedingungen zu geben, dass ihrer Ansicht nach gegen im GWB und der VgV enthaltene Vergabegrundsätze verstoße. Die Antragstellerin sei, jedenfalls was die fehlende Angabe der Eignungs- und Auswahlkriterien in der Bekanntmachung betreffe, mit ihrem Vorbringen nicht präkludiert.
Es könne von der zunächst nicht anwaltlich vertretenen Antragstellerin nicht erwartet werden, dass diese den vorliegenden Sachverhalt als Verstoß gegen Vergabevorschriften einordnen konnte. Die Durchführung des Realisierungswettbewerbs nur in Anlehnung an die RPW 2013 stelle einen Verstoß gegen § 78 Absatz 2 VgV dar. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Vorgehensweise stehe nicht im Einklang mit dem Vergaberecht. Es sei vorliegend bereits nicht ersichtlich, welche veröffentlichten einheitlichen Richtlinien der Antragsgegner konkret dem Realisierungswettbewerb zugrunde legen möchte. Soweit er eigene Richtlinien für die Durchführung von Planungswettbewerben entwickelt habe, was jedenfalls die Formulierung "in Anlehnung an die RPW 2013" suggeriere, dann müssten diese veröffentlicht sein. Eine Mitteilung in der Wettbewerbsbekanntmachung nach § 78 Absatz 3 Satz 2 VgV genüge hierfür nicht.
Wenn der Antragsgegner hingegen die RPW 2013 als veröffentlichte einheitliche Richtlinie seinem Realisierungswettbewerb zugrunde legen möchte, dann sei ein Abweichen von Regelungen der RPW nur unter den Voraussetzungen von § 2 Absatz 4 Satz 3 RPW 2013 möglich. Es sei jedoch anhand der vorgelegten Verfahrensakte nicht ersichtlich, dass das Einvernehmen mit der Abweichung von der zuständigen Architektenkammer im Vorfeld eingeholt worden sei. Ein nur in Anlehnung an die RPW 2013 ausgestalteter Realisierungswettbewerb, bei dem weder eine eigene veröffentlichte einheitliche Richtlinie noch die RPW 2013 Anwendung finden solle, verstoße jedenfalls gegen vergaberechtliche Grundsätze.
Zudem liege ein weiterer Vergabeverstoß vor, der die Rückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Wettbewerbsbekanntmachung unumgänglich mache. Der Antragsgegner habe die Eignungskriterien nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht. Vor diesem Hintergrund müsse nicht geprüft werden, ob die Eignungskriterien einer inhaltlichen vergaberechtlichen Prüfung standhalten würden und ob ein etwaiger Verstoß gegen die Verpflichtung zur Bereitstellung der Auslobungsunterlagen vorliege, da der Antragsgegner bereits aus den genannten Gründen bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten wäre, das Verfahren in das Stadium vor Wettbewerbsbekanntmachung zurückzuversetzen.
Praxishinweis:
Die Vorgabe, dass Planungswettbewerbe nach einheitlichen veröffentlichten Richtlinien durchzuführen sind, hat einen guten Grund. Mit ihr soll Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geschaffen werden. Die RPW 2013 sind hier das Mittel der Wahl und müssen grundsätzlich unverändert angewandt werden. Soll eine Abweichung erfolgen, so ist das Einvernehmen der zuständigen Architektenkammer herbeizuführen.
Nach dem rechtlichen Hinweis der Vergabekammer hob der Antragsgegner den Wettbewerb auf und reichte zum Nachweis die an die Bewerber ergangene Nachricht über die Aufhebung des Verfahrens ein. Darin wurde mitgeteilt, dass die Vergabestelle entschieden habe, den Wettbewerb aufzuheben, da die Ausschreibungsbedingungen angepasst werden müssten. Die Vergabestelle prüfe, ob die Realisierung des Vorhabens unter Anpassung der Ausschreibungsbedingungen mit neuen Vorgaben/Prämissen erfolgen könne. Sofern die Vergabestelle eine Neuausschreibung der Leistung vornehme, werde dies öffentlich bekannt gegeben.
Letztlich hat die Vergabekammer so die Autonomie des Berufsstandes gestärkt.