Flughafen und Schloss in Berlin?
gmp rausgeschmissen, 500 Millionen Euro teurer, die Gesellschaft Berliner Schloss will Totalrekonstruktion (des Schlosses) mit Steuermitteln 22.01.2018Was hat das Berliner Schloss mit dem Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt zu tun? Jede Menge, und dazu noch mehr, als man auf den ersten Blick denken mag.
Zunächst einmal handelt es sich in beiden Fällen um Architekturen, die noch im Bau sind beziehungsweise Projektstatus besitzen. Weil dem so ist, wird bei beiden um einen Eröffnungstermin spekuliert. Beide kosten den Steuerzahler ein erkleckliches Sümmchen, heute schon. Morgen noch mehr, im Fall des Flughafens, der in ein paar Wochen eröffnet werden sollte, jetzt aber erst am 17. März des kommenden Jahres, sollen es rund 500 Mio. Euro sein. Nicht schlecht, auch für einen Flughafen dieser Kategorie (2000 Fußballfelder groß wird er sein, so schreibt es der Betreiber auf der Homepage, eine Größenveranschaulichung, die nicht mehr greift, manche verlieren, aktuelle Ereignisse in München belegen das, schon bei einem Fußballfeld den Überblick).
500 Mio. Euro also mehr, teils der Verzögerung und damit verbundenen Regressen geschuldet, teils der Ausführung, die zu kalkulieren offenbar ein paar Experten vergessen haben. Diese halbe Milliarde soll ja ungefähr das neue Schloss kosten, für welches gerade die ersten Erdarbeiten starteten (eigentlich für die unter dem Schloss liegende U-Bahn-Röhre). Wahrscheinlich kostet es aber mehr, sehr wahrscheinlich jedenfalls, bereits die gedeckelten Kosten, die allerdings den ersten Deckel schon gelüftet haben, liegen deutlich drüber: Der Deutsche Bundestag hatte im Juli 2011 den Gesamtkostendeckel von 552 Mio. Euro auf 590 Mio. Euro angehoben.
Schlimme Zeiten, schwierige Zeiten. Soll der Schlossneubau dem Flughafen geopfert werden? Politisch wäre das logisch, der Flughafen spült Geld in die leere Landeskasse, er bringt deutlich mehr Arbeitsplätze, er wird das erste repräsentative Tor zur Kulturmetropole Berlin usw. usw. Den Schöpfern dieses Tores allerdings, der „Planungsgemeinschaft pg bbi“, der unter anderem gmp Hamburg angehört, wurde inzwischen gekündigt. Auf der Hompage von gmp ist dazu zu lesen: „Die Planungsgemeinschaft pg bbi hat – ausgenommen die Presseerklärung – noch keinerlei direkte Informationen von der Flughafengesellschaft zur Beendigung des Vertragsverhältnisses erhalten. Deshalb sehen wir uns zu diesem Zeitpunkt außerstande, Erklärungen gleich welcher Art oder welchen Inhaltes zum Fortgang des Projektes abzugeben. Wir bitten um Ihr Verständnis und von weiteren Anfragen abzusehen.“ Schlimme Zeiten, wie gesagt.
Die "Gesellschaft Berliner Schloss", die hinter dem Wiederaufbau (des Schlosses) steht, macht in diesem Zusammenhang etwas sehr Merkwürdiges, sie fordert angesichts dieser Kostensteigerung auf der Baustelle nebenan jetzt schon mal die finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand, und zwar auch an der historischen Gestaltung des Humboldtforum! Sie lesen richtig, offenbar geht die Gesellschaft davon aus, sie alleine finanziere den Wiedergänger im Herzen Berlins; da hier offenbar davon ausgegangen wird, das Schloss sei nur das Schloss als historisches Ganzes Neu, stimmt das dann ja auch.
Sie alleine hatte sich einmal dazu bereiterklärt, den kompletten historisierenden Zierat, also die Steintapeten, die Kuppel vielleicht, ein paar Innenräume etc. zu übernehmen. Jetzt klagt sie, dass es nicht angehen könne, „dass für diesen Part nur bürgerschaftliches Engagement eingefordert werde.“ Doch, lieber Vereins-Vorsitzender Klaus Jürgen Velke, es kann, denn schließlich war das Ihr Vorschlag vor Jahren. Und es war diese Karte, die gespielt wurde, als man in Berlin dem ganzen Projekt gegenüber zögerlich gewesen ist: Wir machen das, tönte es aus Ihren Reihen, 80 Mio. Euro für Sims und Statuen und Rondelle und Lisenen und Adler und Treppen und die Kuppel … Und nicht bloß die Herstellung der drei Außenfassaden und der Fassaden des Schlüterhofes im historischen Kleid, ein paar Portale und die Kuppel sollten jetzt von der öffentlichen Hand mitfinanziert werden, auch für die Ausgestaltung möglichst vieler Räume nach historischem Vorbild müsse Geld da sein, sagte Velke. Humboldt-Forum? Museum für außereuropäische Kunst? Räume für Inszenierungen von Naturwissenschaft und Wissenschaft überhaupt? Quatsch, so der Verein, brauchen wir nicht, schließlich habe eine Forsa-Umfrage ergeben, dass sich gerade Jüngere eine Wiederherstellung der historischen Ausstattung wünschten, so beispielsweise die des Schreibzimmers Friedrich des Großen, was einen „schönen Blickfang“ abgeben würde.
Ist hier nicht der Zeitpunkt gekommen, das Humboldt-Forum erst mal zu begraben und einen Zentral-Park dort wuchern zu lassen, wo bis heute noch der Idee von einer Aufklärung gehuldigt wird, die sich aus dem difusen Gefühl kultureller Überlegenheit speist und nichts anders ist – aller Wissenschaftlichkeit und Kommentierlust zu Trotz – als ein säkulares Panoptikum der scheinbar ganzen Welt? Aber ja, diese Schausammlung werden wir tatsächlich benötigen eines nicht fernen Tages, wenn sich die Feste Europa hermetisch abgeriegelt hat gegen das Fremde, das dann in diesem Panoptikum seine schaurig schöne weil aseptische Wirkung in Vitrinen und auf interagierenden Displays entfalten kann; entwurzelt, entführt, vorgeführt. Beim Humboldt-Forum können wir noch zurück oder anders, beim Flughafen geht es nur noch nach oben ... das ist so, bei funktionierenden Lufthäfen. Be. K.