Schlosspalast?

Zehn Thesen zur Rekonstruktion und ein Projektleiter für die Agora Humboldtforum

In den letzten Monaten ist es still geworden um die Rekonstruktionsgeschichte im Herzen Berlins. Den Projektbetreibern Schlossrekonstruktion mag das recht sein, lässt sich doch so ganz ungestört am einem Milliarden-Projekt weiterbasteln, dessen Realisierung in gefälschter Schlossfassade eigentlich nur die wollen, die den Palast nicht mehr sehen konnten.

Doch nicht nur in den Werkstätten für den Fassadenschmuck wurde fleißig weitergehämmert, auch die Expertenanhörungen und -tagungen zum Thema Rekonstruktion rissen nicht ab. So trafen sich im Frühjahr 2010 Macher, Unterstützer, Skeptiker, Gegner und Kenner des Vorhabens in der schön gelegenen Villa Vigoni am Comer See. Die Ergebnisse der Expertentagung an exklusivem Ort wurden vor Tagen nun vom Chef der Potsdamer Schlösserstiftung, Hartmut Dorgerloh, in der Berliner Humboldt-Universität vorgestellt. Nicht einfach nur so, es mussten schon „zehn Thesen“ sein, Thesen, die eine Rekonstruktion des Berliner Schlosses fachlich aber sicher auch „ethisch“ unangreifbar machen sollen. Sie sind - aus kunsthistorischer Sicht formuliert - eine Arbeitsgrundlage, um über das Wie zu beraten.

Der Ort, so das Expertenresumee, stehe „nicht allein für Staatsautorität, sondern auch für Welterkundung und Aufklärung.“ (These 1) Nicht allein für Staatsauthorität, aber ganz sicher doch. Zumal ja die „Welterkundung“, die damals durchaus im Zusammenhang mit kolonialem Selbst- und Fremdverständnis gestanden hat, sehr nahe am Staatsauthoritären hängt. „Seine zukünftige Funktion soll auch an die Idee des Volkshauses anknüpfen und einen Ort für alle Kulturen der Welt schaffen.“ Das Schloss soll sich – aber wie bitte schön formalisiert – an den Palast der Republik anlehnen?

These zwei fordert, die historischen Schlosskeller im westlichen Bereich in den Neubau einzubeziehen und sichtbar zu machen. Eine Forderung, die seitens des planenden Architekten schon mit dem Hinweis aufgenommen wurde, dass hier Korrekturen nötig werden und das Ganze schon mal viel teurer würde. Ebenso sollen, so These Nr. 3, erhaltene Fragmente wiederverwendet werden, durch Wiedereinbau am 'historischen Ort', museale Präsentation oder 'sachgerechte Lagerung'. These Nr. 4 fordert Anstrengung, ist gegen Billiges und Surrogate gerichtet: „Die Fassadenrekonstruktionen müssen nach bestem Wissen und Vermögen in höchst möglicher Qualität, historischer Materialität und Ausführung/Technik durchgeführt werden.“ Von formalen Reduktionen wird abgeraten, eine „Schlossbauhütte“ soll her. Dass die Fassadenarbeiter des Herrn von Boddien mit der Fassadenrekonstruktion überfordert sind, darauf hatten schon vor Jahren Fachleute hingewiesen; überfordert auch im Hinblick auf Mengenausstoß!

Und dann das: Moderne Teile sollen modern aussehen; Treppenhäuser, Durchgänge, Innenportale gehören zur Rekonstruktionsaufgabe, auch in den Obergeschossen sollen historische Grundrisse berücksichtigt werden. Was nichts anderes heißt, als die ohnehin schon dem Historischen angepasste Planung des Architekten noch weiter einzuengen auf die wie auch immer interpretierte historische Wahrheit! Ausstellungsexperten haben hier längst Bedenken geäußert, dass selbst in den teils bereinigten Grundrissen die geplanten Ausstellungen nicht möglich seien. Darüber hinaus verschärften die Experten die Forderung nach (pseudo) Authentizität mit ihrer Forderung, die Kuppel zu rekonstruieren, wie auch die Möglichkeit der Rekonstruktion wichtiger Raumfolgen nicht zu verbauen. Aber es sei auch Raum 'für zeitgenössische künstlerische Gestaltungen' vorzusehen. Ja, aber wo nur?!

„Das Bauwerk“ (wieso nicht das Schloss?!), heißt es abschließend, „soll in seinen Bauabschnitten in optimierter zeitlicher Abfolge und jeweils in sich stimmig realisiert werden.“ Das überrascht dann doch, hier wird auch das Konzept von Kuehn Malvezzi, die im Schlusswettbewerb mit einem hochdotierten Sonderpreis ausgezeichnet worden sind, propagiert, eben nur so viel fertigzustellen – das dann aber richtig –, wie es die Finanzen und das Vermögen (der Handwerker zum Beispiel) erlauben.

Dass mit Beachtung der zehn Thesen der Bau erheblich teuer wird, als die vom Bund gedeckelten 552 Mio. €, davon ist auszugehen, war immer auszugehen. Offenbar in Sorge, der Bund könne hier pragmatischer denken als die Schlossfraktion, erscheinen die so genannten Thesen dann wie das Schwecken einer Fahne: Achtung, nur nicht billig bauen und lieber erst 2030 fertig werden … wenn die meisten der Abgeordneten, die der Rekonstruktion zustimmten, längst im wohlverdienten Pensionsalter angekommen sind?

Während mit den so genannten zehn Thesen der Rekonstruktinosapparat zu erneuter Kalkulation und möglicher zeitlicher Splittung der Realisierung aufgerufen wird, wird auf anderer Ebene das Humboldt-Forum als zentrales Element im Schloss weiter forciert. Schlossbefürworter und Staatsminister Bernd Neumann stellte etwa zeitgleich im Alten Museum Berlin Martin Heller als Projektleiter für die Agora Humboldtforum vor. Heller soll bis zur Grundsteinlegung im Sommer 2013 das inhaltliche Konzept zusammen mit dem Nutzer und unter Einbeziehung der Stiftung Berliner Schloss entwickeln und dazu exemplarisch auch Veranstaltungen präsentieren. (siehe den Redeausschnitt des Ministers im beiliegenden PDF).

Es geht also doch noch voran, die Frage ist nur, wohin? Be. K.

 

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