Die Post-Corona-Stadt
06.07.2020 |Wie sieht die Post-Corona.Stadt aus? Zusammen mit Matthias Horx (Zukunftsinstitut) diskutierten Dr.-Ing. Jan Wurm (Arup), Markus Rink (omniCon), Dr. Christine Lemaitre (DGNB) und Dr. Thomas Welter (BDA) in einem Livestream.
Die Corona-Krise war eine der größten Interruptionen des 21. Jahrhunderts. Interruptionen haben immer zwei Seiten. Sie zerstören und gleichzeitig eröffnen sie aber auch neue Räume des Denkens und des Handelns. Aus der Geschichte kennen wir solche Zeitenwenden. Das große Feuer von London im 16. Jahrhundert war eine solche. Aus ihr resultierte eine veränderte Stadtplanung. Corona hat das Zeug ebenfalls tiefgreifende Veränderungen anzustoßen, wenn wir uns unserer Verantwortung bewusstwerden.
Trotz Abstand Nähe in der Corona-Pandemie
„Corona bringt Menschen näher“, sagt Zukunftsforscher Matthias Horx an einem Nachmittag in Frankfurt zugeschaltet aus Wien. Das mag zunächst paradox klingen, doch in dieser Aussage steckt viel Wahres. Die Heimarbeit, die in den letzten Monaten ca. 56 Mio. Deutsche gezwungen durch Corona nachzugehen, hat viele Menschen in ein anderes Licht gerückt. Durch manche Videokonferenz sprang ein Kind, man sah in die Wohnzimmer, Küchen und auf die Terrassen von seinen KollegInnen und kam dabei so machen näher. Dass dabei der eine oder die andere seinen Büroarbeitsplatz schmerzlich vermisste, war durchaus verständlich, wenn der Büroarbeitsplatz versprach in Ruhe und in Konzentration arbeiten zu können. Das Büro wurde durch die Corona-Krise zu einem Sehnsuchtsort für viele. Es ist mittlerweile für viele ArbeiternehmerInnen mehr als nur ein Standort mit Tisch und Stuhl. Der informelle Austausch, der durch digitale Kommunikation nur schwer zu ersetzen ist, fehlt. Dennoch, viele Firmen werden in Zukunft ihre MitarbeiterInnen in Heimarbeit belassen und die Präsenzpflicht im Büro abschaffen – Google, Twitter (gibt es deutsche Beispiele?).
Doch was macht das mit unseren Städten?
StadtplanerInnen stehen im Zentrum dieser Transformation. Denn was passiert mit unseren Städten, wenn weniger Bürofläche benötigt wird? Was passiert mit den Büroräumen? Wie wird sich das Wohnen verändern, wenn es das Arbeiten integrieren muss? Wie wird sich die Wahrnehmung von Stadt verändern, wenn wir die Wege von der Wohnung zur Arbeit nicht mehr notwendigerweise machen müssen? Was kann und wird Stadt für uns in Zukunft sein?
Die Transformation von Stadtraum begann schon vor der Corona-Krise, gewinnt aber durch die aktuelle Situation nun eine neue Brisanz. Im Fokus dieser Bewegung der Neustrukturierung von öffentlichen Räumen steht Jan Gehl. Der dänische Architekt zeigt, wie mit kleinen Eingriffen, neue Stadträume für Menschen entstehen können – die Stilllegung des Time Squares für den Verkehr und selbstverständlich sein ambitioniertes Projekt: Die Stadt Kopenhagen, die durch Jan Gehl eine Transformation hin zu einer der lebenswertesten Städte weltweit gemacht hat.
Doch wie wird sich der Stadtraum durch Abstandsregeln und Hygienevorschriften verändern?
Darauf braucht es kluge Antworten. Während der Corona-Krise konnte man beobachten, wie wichtig es war, dass Städte ausreichend Grünflächen, Wiesen und Wälder hatten, auf die die Menschen ausweichen konnten während des Lockdowns. Das führt selbstverständlich zu Überlegungen, wie eine kluge Verdichtung in Zukunft aussehen kann, wenn der Trend der weltweiten Verstädterung anhält.
Die Antwort scheint so naheliegend. Weniger Versieglung von Flächen in Innenstädten, weniger Büroflächen, mehr Grünflächen, mehr Radfahrwege, mehr öffentlicher Stadtraum. Doch bei alldem darf nicht vergessen werden, das mit all diesen Veränderungen Wertschöpfungsketten verknüpft sind. Aber auch das kann gelingen, denn Corona hat gezeigt, dass wir die Werkbank Welt, wie wir sie zurzeit nutzen, anfällig ist – Lieferketten wurden unterbrochen, was zu Materialengpässen führte. Wie sich dies auf die Bauwirtschaft auswirkt, wird zurzeit durch Studien versucht zu belegen. Die Auswirkungen wird die Branche voraussichtlich ab dem 2. Halbjahr 2020 zu spüren bekommen. Eine Zuwendung zu glokaler Wertschöpfung wäre ein wichtiger Schritt, um Wertschöpfungsketten weniger anfällig für Störungen zu machen.
Die resiliente Stadt
Wir benötigen resiliente Städte, eine Stadtgesellschaft, die die Fähigkeit besitzt, Krisen zu bewältigen und daraus Entwicklungen für die Zukunft abzuleiten. Daraus folgt eine Architektur, die nachhaltig und adaptiv ist. Durchmischte Quartiere, in denen die Versorgung dezentral organisiert ist. Eine Infrastruktur, die alles Notwendige für das alltägliche Leben bereitstellt. Es braucht eine kluge Verdichtung mit mehr Grünflächen. Stadtkommunen sind nun angehalten, klug zu investieren, um in Zukunft bestehen zu können. Wir sollten darüber nachdenken, ob unsere Städte in Zukunft resilient sein sollten oder vielmehr anpassungsfähig. Das wäre die Fähigkeit, sich auf geänderte Anforderungen und Gegebenheiten der Umwelt einstellen zu können. Das wäre doch erstrebenswert. Die Adaptabilität der Städte zu stärken.