Kunst am Bau?
Die Deutsche Bundesbahn stellt sich Kunst vor ihren wichtigsten Bahnhof und setzt damit (ungewollt) ein Zeichen für die Verkehrswende 05.05.2023 |Ende April wurde sie der Öffentlichkeit übergeben: die aus Leitplanken hergestellte Skulptur „Vertical Highways" der Berliner Künstlerin Bettina Pousttchi. Die steht, mit rund 6 m Höhe nicht gerade klein, im Kontrast zur umgebenden Bebauung nicht gerade groß, seit dem 26. April auf der Südseite des Berliner Hauptbahnhofs. Nicht gerade mittig davor, wie der fantastisch spiegelnde Glaskasten The Cube, eher schüchtern am Rand in Richtung Hotelviertel westlich des Haupteingangs.
Im Gegenüber (The Cube) gespiegelt: "Vertical Highways" von Bettina Pousttchi
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Dort, auf die Ecke der monumentalen Treppenanlage des Bahnhofs, soll sie der künstlerische Auftakt von „Station to Station" sein, einer Kunst- und Konzertreihe der Deutschen Bahn, die deren angekratztes Image aufpolieren helfen soll (dass „Station to Station" der Titel eines David Bowie Albums ist, hat die Bahn offenbar nicht gesehen!). Dass man das mit CI-roten, irgendwie aufgerollt und gefalteten Leitplanken macht, die offenbar Reste sind einer Straßensanierung/-schließung ist eine Petitesse, die noch so gar nicht angekommen zu sein scheint im Feuilleton: Die infrastrukturell gesehen desolate Deutsche Bundesbahn weisst auf eine mögliche Zukunft hin, die den Rückbau von Straßeninfrastrukturen und deren Dematerialisierung andeutet. Wohin das führen könnte? Wohl nicht in den Bau neuer Gleisanlagen (zu wenig Mengen im Blech, zuviel Asphalt und Beton), eher wohl in Mahnmale, Erinnerungsorte wie die „Vertical Highways".
"Vertical Highways", eine DB-rote Leitplankenverknotung, die vor dem gmp-Fassaden-Kunstwerk gen Himmel schießt
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Die sollen für zehn Jahre vor dem Hauptbahnhof stehen, mindestens, so die Bahn. Vielleicht, weil man noch nicht genau weiß, ob in zehn Jahren bereits die „Horizontal Highways" Schienen wieder in dem Zustand sind, in dem sie sein müssen, wenn das Unternehmen Kunden halten oder gar dazugewinnen will?
Die DB Deutsche Bahn stellt sich Kunst vors Haus, die offenlässt, ob man hier dem Individualverkehr ein schönes Menetekel entgegenhalten möchte
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Die in Mainz geborene Bettina Pousttchi lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte an der Kunstakademie in Düsseldorf und absolvierte das Whitney Independent Study Program in New York. Zu ihren Arbeiten zählen Skulpturen, Wandreliefs, Fotografien und Installationen sowie ortsspezifische Interventionen im öffentlichen Raum. „Vertical Highways" umfassen eine ganze Reihe von monchromen Skulpturen unterschiedlicher Dimensionierung.
Bettina Pousttchi arbeitet häufig im Kontext Architektur, einem größeren Publikum bekannt wurde sie mit ihrer Fassadenarbeit auf der Temporären Kunsthalle in Berlin, in der 970 Fotografien des damals bereits abgerissenen Palastes der Republik so auf den Kunstbau aufgebracht wurden, dass man den Eindruck erhielt, einer Miniaturausgabe des verschwundenen Repräsentationsbaus der DDR gegenüber zu stehen. In eine ähnliche Richtung zielte ihre Arbeit „The City" in Wolfsburg, wo sie mit Fotografien eine Scheinfassade vor das damals in der Sanierung seiende Schloss stellte.
Gekrümmt, gefaltet und am Ende immerhin noch Kunst: Leitplanken, die einmal anderen Zwecken dienten, als einem Memento vivere?!
Foto: Benedikt Kraft / DBZ