Achtung! Es wird heiß im Büro
War das ein Sommer! Wer nicht in einem gut belüfteten, klimatisierten Büro saß, der hat die Auswirkungen der „Rekordhitze“ unbarmherzig zu spüren bekommen. Gefühlt wird es von Jahr zu Jahr heißer. Was aber bedeuten Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Hitze auf die Anforderungen an Bürogebäude für gesundes Arbeiten? Was muss der Objektplaner beachten, was eventuelle Fachplaner?
Nehmen wir als Ausgangspunkt folgenden Fall: Es soll ein Hochhaus mit gemischter Nutzung errichtet werden. Neben einem Supermarkt sollen Räume als Büros, Arztpraxen, Klinik sowie als Wohnungen genutzt werden. Das Äußere des Hauses wird durch eine Glasfassade gestaltet. Das Haus wird im März fertiggestellt und an den Bauherrn übergeben. Ab Mitte Mai wird es unerträglich warm in den Mieträumen. Es herrschen Temperaturen jenseits der 26 °C. Es hagelt Beschwerden von den Mietern, Mietminderungen und die Geltendmachung von Schadensersatz werden angedroht.
Die Haftung des Objektplaners für
mangelhafte Verschattung
Der Bauherr nimmt den Objektplaner in die Pflicht. Ist das richtig? Dieser verteidigt sich nämlich damit, die Einhaltung von speziellen Temperaturen im Rahmen seiner Planung vertraglich gar nicht geschuldet zu haben. Vor allem aber sei dies der alleinige Verantwortungsbereich der jeweiligen Fachplaner sowie der ausführenden Markisenfirma.
Das OLG Dresden (OLG Dresden, Urteil vom 28. März 2019 – 10 U 1748/15) prüfte zunächst, ob überhaupt ein Mangel an der Planung des Objektplaners vorliegt. Demnach ist nicht allein auf den Vertragstext abzustellen. Zur Ermittlung der Leistungspflichten ist es auch notwendig, alle sonstigen vertragsbegleitenden Umstände, die konkreten Verhältnisse des Bauwerks und seines Umfelds, den qualitativen Zuschnitt, den architektonischen Anspruch sowie die Zweckbestimmung des Gebäudes heranzuziehen, vgl. so auch schon BGH, Urt. v. 21.11.2013 - VII ZR 275/12, Rn. 11 m.w.N.
Wenn ein Gebäude mit einer Glasfassade ohne Sonnenschutzverglasung und ohne technische Raumlufttemperierung geplant wurde, ist es für den Objektplaner erkennbar gewesen, dass eine hohe Gefahr für die Aufheizung des Gebäudes durch Sonneneinstrahlung bestand. So kam es nur zur Ausführung von Stoffmarkisen, die aber aufgrund der Art und Ausführung sehr windanfällig und damit nicht geeignet waren, das Gebäude wirksam vor Sonneneinstrahlung zu schützen. Bei Wind konnten die Stoffmarkisen nicht ausgefahren werden und so das Gebäude nicht vor Sonneneinstrahlung schützen. Stoffmarkisen sind nicht windstabil. Darüber hinaus weisen Stoffmarkisen nur einen geringen Sonnenschutz auf.
Der Objektplaner hätte den Bauherrn auf diese Gefahr hinweisen müssen und vor allem zu einer tragfähigen Lösung, im Zweifel unter Hinzuziehung eines Fachplaners raten müssen.
Exkurs: Haftungsbefreiung durch Hinweis
Ein korrekt erteilter Hinweis kann den Architekten später vor einer Haftung bewahren. Dazu muss ein Bedenkenhinweis aber ordnungsgemäß erteilt werden. Der Bedenkenhinweis muss einen konkreten – für den Bauherrn – erfassbaren Sachverhalt aufweisen. Ferner muss das rechtliche und/oder wirtschaftliche Risiko, das sich aus dem Festhalten an der ursprünglichen Planung/Ausführung bzw. am Wunsch des Bauherrn zur Umsetzung des Bauvorhabens ergibt, so erläutert werden, dass der Bauherr auf Basis dieses Bedenkenhinweises eine einfache Entscheidung treffen kann, ob er sich bewusst dem aufgezeigten Risiko aussetzt und am ursprünglichen Plan/Idee festhält oder bereit ist, eine Änderung vorzunehmen. Nur wenn der Bedenkenhinweis so konkret ist, dass die vorgenannten Inhalte vom Bauherrn tatsächlich erfassbar sind, kann er eine spätere Haftung des Architekten ausschließen, vgl. beispielhaft BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – VII ZR 8/10. Die Beweislast dafür trägt regelmäßig der Architekt. Exkurs Ende.
Das Hauptproblem – die starke Aufheizung des Gebäudes durch Sonneneinstrahlung – sei auch Objektplanern bekannt. Ein Gebäude mit hohen Glasflächen lässt bekanntermaßen mehr Sonnenenergie hinein als wieder hinaus, sodass es unweigerlich zu einem Aufheizen des Gebäudes kommt. Ferner muss eine Kenntnis über die Windanfälligkeit von Stoffmarkisen unterstellt werden, die dazu führt, dass bei Wind gar kein Sonnenschutz besteht, da die Stoffmarkisen nicht ausgefahren werden können.
Den Objektplaner entlastet es auch nicht, dass Fachplaner eingesetzt worden sind, die die Verschattung geplant hatten. Grundsätzlich haftet der Objektplaner für die Ergebnisse eines Fachplaners nur dann, wenn der Fehler dem Objektplaner aus eigener Kenntnis hätte auffallen müssen, vgl. z. B. OLG Braunschweig, Urteil vom 16.12.2010 - 8 U 123/08. Eine gesonderte Prüfungspflicht besteht für den Objektplaner nicht. Der Objektplaner muss sich aber davon vergewissern, dass der Fachplaner oder Sonderfachmann von den richtigen Grundlagen ausgegangen ist, vgl. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 13. Aufl., Einleitung Rn. 219.
Ob der Objektplaner sich demnach richtig verhalten hat und eine Haftung entfallen kann, richtet sich nach dem Einzelfall. Im vom OLG Dresden entschiedenen Fall hatte der Fachplaner lediglich das Sonnenschutzsystem berücksichtigt und berechnet, das der Objektplaner vorgegeben hatte. Der Objektplaner hatte den Bauherrn verschiedene Sonnenschutzsysteme vorgeschlagen, wobei der Bauherr sich dann für die günstigste Lösung entschieden hatte. Eine Gebäudesimulation zur umfassenden Aufklärung über die technische Gebäudethermik hat der Objektplaner nicht angeregt. Es erfolgte auch keine detailliierte Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des Fachplaners oder einer entsprechenden Aufklärung des Bauherrn über die Folgen seiner Auswahl von Stoffmarkisen. Die Einschaltung von Sonderfachleuten entbindet den Architekten zwar nicht von seiner eigenen Verantwortung. Sofern er selbst nicht ausreichend Spezialwissen hat, hätte er dies dem Bauherrn offenlegen und die weitere Hinzuziehung von Fachplanern bzw. die Beauftragung von Fachleistungen anregen müssen. Der Objektplaner wurde aufgrund fehlender Aufklärung zu Schadensersatz in erheblicher Höhe verurteilt.
Die Haftung des Objektplaners für zu hohe Raumtemperaturen
Der Objektplaner wurde vom Bauherrn auch wegen zu hoher Temperaturen in den Klinikräumen in Anspruch genommen. Welche Raumtemperaturen das Gebäude halten können muss, ergibt sich ebenfalls – wie oben dargelegt – nicht nur aus dem Vertragstext, sondern auch daraus, welche Nutzungsart das Gebäude erfüllen soll und in welchem Umfeld sich das Gebäude befindet. Selbst wenn keine Temperaturgrenzen vertraglich vereinbart worden sind, ergeben sich diese Anforderungen aus den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Hierbei sind auch einschlägige DIN-Normen auszuwerten, soweit von ihnen ein Leitbildcharakter ausgeht und davon ausgegangen werden kann, dass der Inhalt die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergibt. Dies erfordert im Einzelfall bei einer neu erlassenen DIN-Norm mitunter eine gewisse Anwendungszeit in der Praxis, bevor auf die allgemeine Akzeptanz und damit auf eine allgemein anerkannte Regel der Technik geschlossen werden kann.
Auch die Arbeitsstättenrichtlinie oder die Arbeitsschutzrichtlinie ist nicht auf alle Sachverhalte und vorliegend nicht auf eine Klinik anwendbar. Im Ergebnis kam das OLG Dresden zu dem Ergebnis, dass für eine Klinik zur Bauzeit keine konkreten Temperaturobergrenzen existiert haben. Ein Planungsmangel wurde demnach nicht festgestellt. Interessant ist an dieser Stelle, dass dem Objektplaner kein Vorwurf darüber gemacht werden konnte, den Bauherrn nicht ausreichend aufgeklärt bzw. abgefragt zu haben, welche Temperaturen z. B. in der Klinik maximal vorherrschen dürfen. Medizinische Kenntnisse seien entsprechend nicht von einem Objektplaner zu erwarten.
Im Ergebnis haftet der Objektplaner in diesem speziellen Fall nicht für das – von der Verschattung unabhängige – Problem mit den Temperaturen in den Mieträumen. Hier wäre es für den Bauherrn ratsam – wie üblich – Temperaturgrenzen als Raumanforderungen zu definieren, die dann zu einer vereinbarten Beschaffenheit werden. Dann schuldet der Objektplaner die Planung eines Gebäudes, das diese Raumtemperaturen auch tatsächlich einhalten kann.
Haftung des Fachplaners für unzureichende Kühlung
Neben der Haftung des Architekten ist je nach Sachverhaltsgestaltung auch an eine Haftung des Fachplaners zu denken, wenn z. B. die Räume nicht angemessen gekühlt werden. Nehmen wir den Fall, dass konkrete Raumanforderungen an die Raumtemperaturen vertraglich definiert worden sind. Der Fachplaner plant für einen Bürokomplex eine Rückkühlanlage. Nach intensiven Besprechungen mit dem Bauherrn werden vom Fachplaner die Leistungsanforderungen der Rückkühlanlage festgelegt. Nach Fertigstellung stellt sich heraus, dass die Rückkühlanlage nicht dazu in der Lage ist, die Büroräume angemessen abzukühlen. Ein anschließend eingeschalteter Sachverständiger kommt zu dem Ergebnis, dass die Kühlanlage zu schwach dimensioniert ist, demnach noch nicht mal die Mindestleistung erbringen kann. Den Objektplaner trifft keine Schuld, da er die Berechnungen des Fachplaners nicht in Zweifel ziehen musste. Die fehlerhafte Berechnung war für den Objektplaner nicht offensichtlich. Die Gerichte gaben der Klage des Bauherrn gegen den Fachplaner statt und verurteilten den Fachplaner zur Zahlung, vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 05.06.2020 - 29 U 67/19; BGH, Beschluss vom 24.02.2021 - VII ZR 100/20.
Die Zukunft?
Was sollten ein Objektplaner oder Fachplaner in Bezug auf die Gebäudethermik in Zukunft bei prognostisch voranschreitender Erderwärmung bei der Planung von Gebäuden beachten, um eine spätere Haftung zu vermeiden? Wichtig ist eine genaue Bedarfsanalyse, was die Immobilie über eine konkrete Nutzungsdauer genau können soll. Wenn durch die verbauten Materialien eine hohe Gefahr besteht, dass die in den Gebäuden entstandene Wärme nicht abgegeben werden kann, muss der Bauherr entsprechend darauf hingewiesen und im Rahmen seines Budgets entsprechende Lösungsvorschläge unterbreitet werden. Wenn z. B. bei einer Ganzglasfassade eine Kühlanlage zwingend erforderlich ist, sollte konkret und verständlich darauf hingewiesen werden. Ggf. wäre dann auch von einer Glasfassade abzuraten, wenn das Budget die dafür erforderliche Verschattung und Kühlung nicht zulässt. Im Rahmen der Beratungs- und Hinweispflichten ist es elementar, den Bauherrn konkret und umfassend über die Risiken zu belehren, sodass er die Tragweite seiner Entscheidung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht auch wirklich verstehen kann. Andernfalls riskiert man einen unnötigen und womöglich sehr teuren Rechtsstreit über die Frage, ob der Bauherr tatsächlich wusste, was geplant werden sollte. Die Chance ist meist größer, dass Objektplaner oder Fachplaner nicht beweisen können, den Bauherrn ordnungsgemäß aufgeklärt zu haben und dass von den Minimalanforderungen allein aus Spargründen nach unten abgewichen worden ist.
Autor: Jochen Mittenzwey, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Gesellschafter bei MO45LEGAL Rechtsanwälte und Notare
www.mo45.de
mittenzwey@mo45.de
Foto: Jochen Mittenzwey / Privat