Aus der Rechtssprechung

Mehraufwand führt zu Wertsteigerung: Keine Haftung für Baukostenüberschreitung!

OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 - 10 U 1092/20, BGH, Beschluss vom 29.09.2023 - VII ZR 219/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Der planende Architekt hat die Vorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerks und dessen ihm bekannte Kostenvorstellungen bei der Erstellung der Planung zu berücksichtigen. Macht der Auftraggeber eines Architektenvertrags Schadensersatz wegen Baukostenüberschreitung geltend, muss er die tatsächlich entstandenen Baukosten substantiiert darlegen. An einem Schaden des Auftraggebers fehlt es, wenn der zu seinen Lasten gehende Mehraufwand zu einer Wertsteigerung des Objekts geführt hat.

Der Sachverhalt:

Der klagende Auftraggeber erwarb im Jahr 2006 ein Grundstück und beabsichtigte, darauf eine Pension mit 65 Gästebetten und einer Wohneinheit im Dachgeschoss zu errichten. Zu diesem Zwecke wandte er sich an den beklagten Architekten, mit dem er bereits in den Jahren 1996/97 gemeinsam den Umbau und die Einrichtung einer anderen Pension durchgeführt hatte und bat diesen, Architektenleistungen zu übernehmen. Der beklagte Architekt, der bereits im Jahr 2004 im Alter von 69 Jahren in den Ruhestand getreten war, stimmte dem nach längeren Verhandlungen zu und erstellte in 2007 und 2008 für seinen Auftraggeber Kostenschätzungen mit den Gesamtkosten für die Errichtung der Pension in Höhe von ca. 1,9 Mio. Euro. Im Jahr 2009 übersandte der Architekt seinem Auftraggeber eine neue Kostenschätzung in Höhe von ca. 2,7 Mio. Euro. Im Jahr 2013 wurde das Bauvorhaben mit kostenerhöhenden Änderungen durch den Auftraggeber fertig gestellt und in Betrieb genommen. Daraufhin verklagte der Auftraggeber den Architekten auf Schadensersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung des Architektenvertrags. Der Auftraggeber ist der Auffassung, er habe dem Architekten einen festen Finanzierungsrahmen von 1,7 bis 1,8 Mio. Euro als Vertragsgrundlage vorgegeben. Die erstellten Kostenschätzungen seien grob fehlerhaft. Der Architekt habe die entstehenden Baukosten unzutreffend ermittelt bzw. die Kosten nicht kontrolliert und den Auftraggeber nicht rechtzeitig auf die Kostenüberschreitung hingewiesen.

Die Entscheidung:

Ohne Erfolg! Dem beklagten Architekten könne bereits keine Pflichtverletzung des Architektenvertrages nachgewiesen werden. Die Kostensteigerung des Objekts beruhe auf dem Umstand, dass der Kläger offensichtlich nicht nach den ursprünglichen Planungen und den Kostenschätzungen aus den Jahren 2007 und 2008 gebaut habe. Die finanzierende Bank habe erst gegen Ende des Bauvorhabens erfahren, dass eine andere Kubatur gebaut als geplant und von der Bank genehmigt wurde. Im Übrigen wich die Ausstattung des Bauvorhabens auch von den ursprünglichen Planungen und Kostenschätzungen ab, da der Kläger mit einer besseren Ausstattung gebaut habe. Insoweit könne dahinstehen, ob die Kostenschätzungen aus diesen Jahren unzutreffend ermittelt wurden, denn es sei gerade nicht nach diesen gebaut worden. Darüber hinaus seien die tatsächlich entstandenen Baukosten vom Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert dargelegt worden. Das Vortragen von Kosten unter Verweis auf eine Anlage und ein Verweis auf eine Kostenschätzung für noch weitere Kosten sei allein nicht ausreichend, um die tatsächlich anfallenden Baukosten zu belegen.

Darüber hinaus habe der Kläger keinen kausalen Schaden für die von ihm behauptete Baukostenüberschreitung vorgetragen. Bei Überschreitung einer mit dem Architekten vereinbarten Bausumme könne zwar ein Schaden in den überschießenden Baukosten bestehen. Der Bauherr erleide insoweit jedoch keinen Schaden, als der zu seinen Lasten gehende Mehraufwand zu einer Wertsteigerung des Objekts geführt habe. Um einen dementsprechenden kausalen Schaden festzustellen, sei die Vermögenslage des Bauherrn mit und ohne Pflichtverletzung des Architekten zu vergleichen. Angaben des Klägers zum Wert des im Ergebnis errichteten Objektes habe dieser nicht gemacht. Entgegen der Ansicht des Klägers könne demnach ein Zinsaufwand und die Vorfälligkeitsentschädigung sowie Anwaltskosten nicht ohne weiteres als Schaden angesehen werden.

Im Übrigen trage der Kläger die Beweislast dafür, dass der Beklagte den Kläger nicht über Kostensteigerungen informiert hat. Diesen Nachweis habe der Kläger jedoch nicht erbracht. Vielmehr gehe das Gericht davon aus, dass der Beklagte (gegenbeweislich) nachgewiesen habe, dass er den Kläger vor Baubeginn auf die anfallenden höheren Kosten hingewiesen habe. Der Beklagte habe durch Vorlage der Kostenschätzung mit Faxkennung, die unstreitig die Faxnummer des Klägers trägt und ausweislich des Sendeberichts auch ordnungsgemäß versandt wurde, den Zugang des Faxschreibens hinreichend nachgewiesen. Die pauschale Behauptung des Klägers, dass er keine Kenntnis von dem Fax gehabt hätte, reiche demgegenüber nicht aus. Auch vor diesem Hintergrund sei eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht nachgewiesen.

Praxishinweis:

Die vorliegende Entscheidung macht zweierlei deutlich:

Zum einen, welchen „dornigen Pfad“ der Auftraggeber in der Regel für die erfolgreiche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Baukostenüberschreitung gehen muss. Denn auch wenn er es geschafft hat, den Nachweis zu erbringen, dass bestimmte Kosten als Obergrenzen einzuhalten waren, kann er am potentiellen Einwand des Architekten scheitern, dass ein Schadensersatzanspruch aufgrund entsprechender Wertsteigerung ausscheidet. Führt eine entsprechende Wertsteigerung grundsätzlich zum entsprechenden "Verlust" des Schadens und damit zum Ausschluss des Anspruchs, erkennt die Rechtsprechung diese Konstellation als Fall des sogenannten Vorteilsausgleichs an. Eigentlich sollte das selbstverständlich sein: Erhält man für seine erhöhte Leistung auch entsprechend mehr, ist ein „Schaden“ grundsätzlich nicht entstanden.

Zum Zweiten wird deutlich, dass der Versender eines Telefax-Schreibens dessen Zugang hinreichend nachweist, wenn er das versendete Schreiben mit Faxkennung und einem Sendebericht mit OK-Vermerk vorlegt. Die pauschale Behauptung des Empfängers, das Telefax-Schreiben sei nicht bei ihm eingegangen, reicht als Einwand dann nicht aus.

Auch wenn also die Klage des AG scheinbar aus formalen Gründen scheiterte, machte das Gericht deutlich, dass dem Kläger auch materiell kein „Schaden“ entstanden war. Es ist doch sehr erfreulich (und leider nicht immer selbstverständlich), wenn Urteile dem Gerechtigkeitsgefühl entsprechen!

x

Thematisch passende Artikel:

Bauvorhaben ist „Herzenssache“: Kein Schadensersatz trotz höherer Kosten!

Der Sachverhalt: Die Kläger:innen verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen Baukostenüberschreitung. Im Jahr 2009 beabsichtigten die Kläger den Umbau eines Wasserturms zu Wohnzwecken. Die...

mehr
Rechtsprechung

Ist die Kostenschätzung falsch, zahlt der Architekt!

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.04.2020 – 8 U 92/18, nachgehend BGH, Beschluss vom 10.02.2021 – VII ZR 80/20 -Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Ein Bauherr beauftragte einen Architekten zunächst mit der Erstellung zweier Kostenschätzungen betreffend eines Wohngebäudes. Eine Kostenschätzung sollte die Sanierung und den Umbau des Gebäudes,...

mehr
Rechtsprechung

Haftung für Baukostenüberschreitung

OLG Hamm, Beschluss vom 17.09.2020 - 17 U 75/19; BGH, Beschluss vom 04.08.2021 - VII ZR 166/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Es geht um eines der wohl häufigsten Probleme bei Bauprojekten. Der Bauherr beauftragt den Architekten mit der Planung eines Gebäudes. Dabei gibt er Baukosten vor, die bei der Planung einzuhalten...

mehr
Rechtsprechung

Sind die Kosten überschritten, haftet der Architekt!

Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 31.05.2021 – 13 U 105/10; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2021 – VII ZR 608/21

Zugegeben, der vom Oberlandesgericht Hamburg entschiedene Fall - und auch die Mehrheit der Fälle in der Praxis - lief deutlich komplizierter. Der Auftraggeber hatte versucht, sich mit der Einrede...

mehr
Rechtsprechung

Werden die Baukosten überschritten, muss dies noch kein Schaden sein (OLG Oldenburg, Urteil vom 7.8.2018, Az. 2 U 30/18)

Stuttgart-21

In unserem letzten Artikel hatten wir das jüngste Urteil des Kammergerichts zurVoraussetzung einer Kostenobergrenze als Beschaffenheitsvereinbarung vorgestellt. In diesem Artikel gehen wir auf ein...

mehr