Buchrezension: Holger Kleine, Raumdramaturgie. Typologie und Inszenierung von Innenräumen

Das Buch, so sein Autor in der Einleitung, richte sich an „alle Liebhaber von Räumen und solche, die es werden wollen“. Das klingt vielversprechend und ist zugleich in seiner Verallgemeinerung auch ein wenig unscharf: Was erwartet uns also hinter dem Titel der umfangreichen und, das sei hier schon angemerkt, sehr detaillierten Arbeit? Das Drama einer zunehmenden Vernachlässigung bewusster Rauminszenierung? Die Gestaltung des Titels, auf dem die Raumdramaturgie in „Raum“, „Drama“ und den Rest unterteilt wurde, deutet das an.

In vier Teile ist die Arbeit aufgebaut, in der die Begriffe nur so schwirren: Verschiebung, Umkehrung, Auflösung, Akzentverschiebung, Durchgliederung, Kontraste und Verknüpfungen, Tonlagenwechsel, vermischte Atmosphären, Kameraschwenk und Eröffnungseinstellung, Dominanz, Kompensation, Subordination oder der Einladungs-Imperativ ... ein paar wenige von hunderten. Die vier Kapitel "Grundlagen der Raumdramaturgie", "Dramaturgische Modelle", "Raumdramaturgie in der Gegenwartsarchitektur" und "Allgemeine Raumdramaturgie" sind voll dieser, den jeweiligen Untersuchungsansätzen zugeordneten Begriffen, die teils der Reihe nach abgearbeitet werden, teils in gewagten Querbeziehungen und -verweisen zu Begriffen auf vorhergehenden oder noch folgenden Seiten stehen. Ein wenig drängt sich beim ersten Lesen der Eindruck auf, man sei sehr schnell verloren in der Überdichte der Begrifflichkeiten, auch in der Fülle der analytisch zeichnerischen Darstellungen von Raumdramaturgien, die der Autor mit den drei Scuole Grandi in Venedig untersucht.

Nicht ganz klar wird in dieser gigantischen Menge an möglichen Aspekten, wohin die Arbeit steuert und was wir am Ende davon haben, wenn wir als dann also gebildete Betrachter von feinsinnig ersonnenen Raumkontinua vielleicht mehr verstehen? Und zugleich als aufgeklärt Wissende dann weniger Atmosphäre spüren?! Auch wird nicht klar, ob die unglaublich dichte Analyse der historischen, aber auch der zeitgenössischen Raumdramaturgien tatsächlich einer ursächlichen Entwurfsstrategie auf der Spur sind, oder ob sie nicht eher dazu dienen, einer Theorie oder doch zumindest einer These des Autoren der Beleg zu sein?

Irgendwo lese ich dann, dass die Theorie der Raumdramaturgie nichts Unumstößliches sei. Man könne – ausgehend von der eigenen Forschung – die Interpretationsleistung raumdramaturgischer Handlungsanweisungen den eigenen Sichten auf die Begriffswelt zum Beispiel anpassen. Es werde, so die Verlagsinformation, „architekturrelevantes dramaturgisches Wissen zur Verfügung gestellt“. Ja, das stimmt. Ob das allerdings „einen neuen Blick auf beispielhafte Bauten der Gegenwartsarchitektur – von Scharouns Berliner Philharmonie über das IITStudentencenter in Chicago von Rem Koolhaas und ein Schwimmbad von Jean Nouvel bis hin zu einem Kindergarten bei Zürich von L3P Architekten – eröffnet“ muss jeder für sich selbst klären. Wenn man es tatsächlich schafft, das auch Zettelkasten seiende Meer an Begrifflichkeiten als Herausforderung anzunehmen und es zu durchrudern, ohne irgendwo hoffnungslos aufzulaufen. Be. K.

Holger Kleine, Raumdramaturgie. Typologie und Inszenierung von Innenräumen. Birkhäuser, Basel 2018, 296 S., 150 sw- u. 150 Farbabb., 69,95 €, ISBN 978-3-0356-0432-0

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