Der Generalanwalt am EuGH: (altes) HOAI Preisrecht auch zwischen Privaten nicht mehr anwendbar!
Am 04.07.2019 hatte der Europäische Gerichtshof (kurz EuGH) festgestellt, dass das zwingende Preisrecht der HOAI 2009/2013 gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstößt. Die Rechtsprechung der deutschen Oberlandesgerichte, ob das zwingende Preisrecht der HOAI in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten weiterhin anwendbar sei, war gespalten. Der Bundesgerichtshof entschied die Frage ebenfalls nicht und legte sie entsprechend dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. In diesem Verfahren hat der Generalanwalt vor dem EuGH am 14.07.2021 seine Schlussanträge gestellt. Seiner Auffassung nach sei das betreffende zwingende Preisrecht auch zwischen Privaten nicht mehr anwendbar.
In diesem Fall geht es um ein typisches Problem des Unionsrechts. Grundsätzlich entfaltet eine EU-Richtlinie - im Gegensatz zu einer EU-Verordnung - Rechtswirkungen nur auf die jeweiligen Mitgliedsstaaten, nicht aber gegenüber Privaten (keine horizontale Wirkung). Der Mitgliedsstaat muss die EU-Richtlinie daher erst auf Ebene des nationalen Rechts umsetzen. Eine Ausnahme hiervon besteht aber, wenn die Richtlinie zur Wahrung eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts nebst eines in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union konkretisierten Grundsatzes dient.
So liegt der Fall hier. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie dient u.a. der Konkretisierung der Niederlassungsfreiheit. Zudem liegt ein Verstoß gegen die Vertragsfreiheit aus Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor. Das zwingende Preisrecht der HOAI 2009/2013 verhindert eine freie Honorarvereinbarung zwischen den Vertragsparteien. Demnach sei eine Anwendbarkeit des nationalen Rechts auch bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten nicht mehr anwendbar.
Der EuGH hat in dem Fall noch nicht entschieden. In den meisten Fällen folgt er jedoch den Schlussanträgen des Generalanwaltes. Eine Entscheidung wird daher keine großen Überraschungen bringen. Für anhängige oder zukünftige Honoraraufstockungsklagen, denen die HOAI 2009 oder 2013 zu Grunde liegen, verheißt dies nichts Gutes. Ihnen wird damit eine gewichtige Grundlage entzogen werden.