Flakon aus Glas
Hauptverwaltung der Channoine Cosmetics
Für die Hauptverwaltung eines Kosmetikkonzerns in Vaduz entwarf Architekt Matthias Müller einen blau schimmernden, kristallinen Quader. Der gläserne Flakon besteht aus 112 Prismen, in deren Relief aus dreieckigen Gläsern sich umliegende Bergkämme und Häuser spiegeln.
Vaduz, Hauptort des Fürstentums Lichtenstein, liegt im Rheintal, flankiert von schneebedeckten Bergkämmen. Die traumhafte Lage inspirierte Architekt Matthias Müller zu einem ungewöhnlichen Glasbau: der Hauptverwaltung des Konzerns Channoise Cosmetics. Wie lassen sich schroffe Bergwelt und vornehme Kosmetik zusammenbringen?, fragte sich Müller und entdeckte schnell eine Gemeinsamkeit: „Die Strukturen eines Parfumflakons und der Schneekristalle in den Bergen sind sich im Grunde ähnlich, ebenso ihre Wirkung im Licht.“ Die Grundlage für den Entwurf war geboren: ein Glaskristall.
112 Glasprismen – 44 pro Längs-, 12 pro Stirnseite – kleiden den schlanken, viergeschossigen Quader entlang der Hauptstraße von Vaduz. Die blau schimmernden Prismen kragen bis zu 80 cm weit aus. Sie setzen sich aus jeweils acht ungleichseitigen Dreiecken zusammen, in denen sich umliegende Häuser und Berge spiegeln.
Die beiden Haupteingänge unterbrechen als keilförmige Einschnitte die kristalline Struktur. Ein Foyer mit Glastreppe und Galerien verbindet zwei Büroflügel. Zentrale Kerne bündeln Sekretariat, WCs und Teeküche und gliedern den offenen Grundriss. Zusätzlich steifen zwei Treppenhäuser und Aufzüge das Stahlbetonskelett aus, dessen Ortbetondecken von Betonstützen getragen werden. Die Speichermasse des Betons wird zum Heizen und Kühlen genutzt.
Die zweischalige Fassade übernimmt neben Witterungsschutz und thermischer Trennung auch einen Teil der Be- und Entlüftung. Bis zu 40 % der Zu- und Abluft können im Sommer über Zargenöffnungen und Drehflügel ausgetauscht werden. Die raumhohen Türflügel der dreifachverglasten Innenfassade lassen sich zudem manuell bis zu 12 cm weit öffnen. Im Fassadenzwischenraum schützen konkav-konvex gewölbte Lamellenstoren vor Blendung.
Den gestalterischen Abschluss bildet die spektakuläre Außenschale: Vier konstruktiv gleiche, aber aus unterschiedlichen Glasdreiecken zusammengesetzte Prismen strukturieren die einfachverglaste Fassade. So entsteht ein dreidimensionales Relief, dessen Wirkung sich je nach Standort und Sonnenstand verändert. Jedes Prisma ist 4,6 m hoch und 3,3 m breit. Mit einem CNS-Laser millimetergenau gefräste, umlaufende, abgeschrägte Zargen aus rostfreiem Edelstahl halten die Gläser. Die Glasfirma fertigte zuvor ein 1:1-Muster eines Glasprismas, an dem die Architekten die Lichtwirkung beurteilen konnten. Anschließend wurden die Prismen im Werk vorgefertigt und per Autokran montiert.
Die dreieckigen Gläser sind mit den Stahlzargen verklebt, so dass auf sichtbare Pressleisten weitgehend verzichtet werden konnte.Stattdessen nehmen Unterkonstruktion, Glas und Klebefugen die Windlast auf (Structural-Glazing). Einzig rings um jedes Glasprisma sichern 3 mm breite Glashalter die Scheiben.
Auch die Unterkonstruktion bleibt von außen unsichtbar. Die rund 13mm dicken VSG-Gläser wurden an den Rändern der Innenseite schwarz emailliert. So lenkt nichts vom bizarren Muster der Glasprismen ab, die das Licht der schräg einfallenden Sonne wie Eisgletscher reflektieren. In den Abendstunden erscheint der Glasquader dagegen wie ein Leuchtkasten: LED am Fußpunkt der Innenfassade werfen farbiges Licht gegen die weißen Decken und lassen den Baukörper im Dunkeln erstrahlen. Michael Brüggemann, Mainz