Man könnte etwas lernen

Was ein „Reisekofferprofessor” ist, mag man ahnen, was dagegen MAPLE/D bedeutet, weiß kaum einer. Kann das ein Grund sein, sich durch gut 800 Seiten eines Buchs zu arbeiten, das sich der Darstellung der Architekturausbildung im Europa des 20. Jahrhunderts (2. Hälfte) widmet?
Hindurcharbeiten muss man sich durch die Textesammlung, die Seiten sind buchstabenvoll und bilderarm. Diagramme, ein paar Fotos, Zeichnungen. Sieben Teile, jede Menge Kapitel und Unterkapitel, wobei bei mancher fragwürdiger Zuordnung der Unterkapitel schon einmal der Eindruck aufkommt, es sei auch dem Herausgeber zu viel geworden. Überblick bewahren oder, wie es der Rezensent gemacht hat, von Kapitel zu Kapitel treiben und sich immer wieder an Unterpunkten festlesen.
Es geht um die Rolle der Architekten, um Veränderungen (Reformen) in der Ausbildungslandschaft. Es geht um den Einfluss der Verbände (hier neben dem BDA auch die Kammern und Fachhochschulen?!) und „ausgewählte Unterrichtsmodelle”. Es geht um die Frage der Qualität in der Ausbildung und auch um die Zeit danach, die erste Zeit in der Praxis.
Das alles erscheint auf den ersten Blick systematisch geordnet, doch auf den zweiten Blick ergeben sich viele Fragen. Warum beispielsweise die Darstellung der Ausbildungs­situation in ausgewählten euro­päischen Ländern sämtlich unter ­„Reformkonzeptionen“ subsumiert werden? Warum das Gender-Thema – nach dem sehr stringenten Beitrag von Barbara Martwich vorne – im folgenden, ländervergleichenden Teil mit „Feminismus“ bezeichnet wird? Und wieso werden die Betrachtungszeiträume in eben diesem Abschnitt so sehr unterschiedlich breit/
schmal angesetzt? Warum gleichermaßen das Vergleichen durch nichtstringente Kategoriebildungen schwer, ja fast unmöglich gemacht wird? Und wo ist der „Bologna-Prozess“ abgeblieben? Manchmal ist Stimmvielfalt (der Autoren) das Beste, ohne Regie allerdings wird Vielfalt schnell zum Wirrwar.
Aber dennoch, wer Zeit hat und keine Angst vor der schieren Menge, der könnte hier etwas lernen. Über die geschlossene Welt einer Ausbildungs- und Lehrlandschaft, die zu einem Beruf führt, der mehr und mehr nicht mehr auf die Berufung setzt, sondern auf das Bewältigen von Aufgaben. Auf Problemlöser, Verantwortliche, Haftungsträger ….
Mit Namensregister. Be. K.
Ralf Johannes (Hrsg.), Entwerfen II.
Architekturausbildung in Europa seit
Mitte des 20. Jahrhunderts bis zum
„Bologna-Prozess“. ­Junius, Hamburg.2018,
816 S., ca. 400 sw-Abb.
99 €, ISBN 978-96060-500-3
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