Neubau Stadtarchiv, Köln. Grundsteinlegung
Köln ist die Stadt mit den Löchern. Das zuletzt bekannteste, das „Kölner Loch“, stand einmal für den Absturz der städtischen Kulturpolitik. Heute steht in ihm am Neumarkt ein Museum. Die Löcher der archäologischen Grabungen vor dem Gürzenich sind beinahe geschlossen, hier soll endlich ein Museum ins Jüdische Viertel (Entwurf: Wandel Hoefer Lorch, Saarbrücken). Vor einem Ungersbau, dem Wallraf-Richartz-Museum, werden ebenfalls gerade Löcher ausgehoben für die Erweiterung desselben Museums (Entwurf: Christ & Gantenbein, Basel). Nur wenige hundert Meter davon entfernt gibt es ein Loch, dessen Ausmaße 2009 allen in einer sehr dramatischen Weise sichtbar wurden. Das heißt, man konnte seine Dimensionen nur ahnen, denn in ihm lag das Stadtarchiv der Stadt Köln und Teile weiterer Bebauung. An der Forschung über die Ursachen des Archiv-Einsturzes, der zwei Menschenleben kostete, sind heute noch Sachverständige beteiligt. Sie müssen sich beeilen: 2019 greifen Verjährungsfristen.
Mit in das Loch, das im Zusammenhang mit dem Bau der hier verlaufenden U 17-Strecke steht, stürzten auch sämtliche Archivalien in die Tiefe, die gut Grundwasser gefüllt war. 65 000 Urkunden ab dem Jahr 952, 1 800 mittelalterliche Handschriften, über 800 Nachlässe und mehr als eine halbe Million Fotografien versanken, wurden zerfetzt, vergraben. Damit war, auf den ersten Blick, ein großer Teil dokumentierter Stadt- und Landesgeschichte ausgelöscht.
Heute sind rund 95 Prozent geborgen, viele der nass gewordenen Akten (etwa 10 Prozent) liegen noch tiefgefroren in zahlreichen Asylarchiven im ganzen Land verstreut. Experten gehen davon aus, dass die Restaurierungsarbeiten noch Jahrzehnte dauern können. Dann sollte der Großteil des möglicherweise komplett digitalisierten Bestandes des wohl bedeutendsten kommunalen Archivs nördlich der Alpen wieder allen zugänglich sein.
Aber nicht mehr dort, wo im Augenblick noch ein Loch im Boden zu sehen ist. Ein transparenter Bauzaun zeigt dort die U-Bahn-Arbeiten und er zeigt auch zwei trockene Kränze, die die Stadt dem Andenken der beiden Opfer gewidmet hat. Dort soll der Neubau nicht hin. Und es wäre auch kein Platz an dieser Stelle, denn erstens haben sich die Platzansprüche ebenso geändert wie die Archivalienbestände in Form und Menge. Und dann wollte die Stadt die Chance nutzen, die die Katastrophe ihr irgendwie ja auch schenkte: Sie wollte ein Haus nicht allein für das Historische Archiv, es sollte auch die Kunst- und Museumsbibliothek aufnehmen.
Diesen Entschluss fassten die Stadtoberen bereits wenige Monate nach dem Einsturz am 3. März 2009. Zwei Jahre später wurde der Wettbewerb für den auf rund 86 Mio. € kalkulierten Neubau entschieden: Die Jury unter Vorsitz von Carlo Weber vergab fünf Preise und fünf Anerkennungen: 1. Preis an Waechter + Waechter, Darmstadt, 2. Preis an Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin, 3. Preis an Thomas Müller Ivan Reimann Architekten, Berlin, 4. Preis an Volker Staab Architekten, Berlin, und 5. Preis an van den Valentyn Architektur, Köln.
Aber dann begann das Projekt zu stocken. Im Rat wurden zu hohe Kosten bemängelt. Die Kritik und zahlreiche Sondersitzungen zu dieser Thematik führten dazu, dass erst 2015 der Bauantrag eingereicht wurde, der einen wesentlich abgespeckten Entwurf vorsah: Die beiden ursprünglich hier geplanten Kunst- und Museumsbibliotheken kommen jetzt nicht, dafür das Rheinische Bildarchiv. Damit einher geht die Verkleinerung der Gesamtfläche von 30 000 m² auf etwa 20 300 m². Sichtbarste Auswirkung der Flächenreduzierung um etwa ein Drittel ist die Verringerung der so genannten Mantelbebauung von vier auf drei Geschosse.
Die Grundsteinlegung auf dem freigeräumten Grundstück an der Ecke Eifelwall/Luxemburger fand statt am 17. März 2017, vis-à-vis dem mächtigen Justizzentrum aus den späten 1970er-Jahren. Für den Neubau sind jetzt 80,5 Mio. € veranschlagt, 2019 soll er fertig sein und nach der Klimaeinstellung 2020 als „Bürgerarchiv“ eröffnet werden.
Der Entwurf von Waechter + Waechter Architekten, Darmstadt, zeigt ein am Eifelwall entlang gestrecktes Volumen, dass innen zwei unterschiedlich große Höfe hat. Die werden gebildet durch den sechsgeschossigen, beinahe komplett geschlossenen Magazinbau, der 60 km Regallänge bietet. Der Mantelbau wirkt je nach Standpunkt transparent oder geschlossen. Hier sind das Foyer, Lesesäle, ein Vortragssaal, die Büros und Restauratoren-Werkstätten.
Da die Mantelbebauung ihr Raster zum Eifelwall hin orthogonal ausrichtet, entsteht auf der Stirnseite zur Luxemburger Straße ein kleiner Vorplatz. Von diesem gelangen die Besucher in das Foyer mit Blick in den ersten Innenhof und vertikal in die Obergeschosse.
Wie hieß es noch in der Wettbewerbsauslobung? Man wolle ein „einladendes, offenes und gleichzeitig hochfunktionales Haus im Niedrigenergiestandard“. Und zudem „das sicherste und modernste Archiv Europas“, so der damalige OB, Jürgen Roters (SPD). Wie es im Augenblick aussieht, könnte das gelingen, sogar in Köln. Be. K.