Offene Angebote statt Hochglanzgestaltungsabsichten
Stadt selber machen hat Konjunktur! Das zeigten unzählige Initiativen, Gruppen und Vereine in den letzten Jahren und auch aktuell immer wieder. Womit die Projekte häufig starten, ist die Vorstellung, dass es dieses Mal doch anders ablaufen kann als nach Schema F. Und dass es doch bestimmt ein besseres Projekt wird, wenn man gemeinsam überlegt, welche öffentlichen (Innen-)Räume und Plätze wir brauchen und wie diese genutzt, entwickelt und schließlich auch betrieben werden sollen. Die temporäre Umsetzung urbaner Prototypen aktiviert die Anwohnerschaft und lokale Akteur*innen, über mögliche Zukünfte nachzudenken. Zugleich schaffen sie eine neue Ausgangsposition für die Diskussion mit städtischen und politischen Akteur*innen.
Während der Pandemie hat sich die Bedeutung zugänglicher und attraktiver Orte verstärkt – ihre Rolle für das soziale Miteinander wurde offensichtlich. Aber bereits vor der Pandemie hatten viele Projekte und Akteur*innen die Absicht, neue öffentliche Orte im Quartier und für die Nachbarschaft zu realisieren, die einen Kontrapunkt der gängigen öffentlichen Orte darstellen, sich einer kommerziellen Verwertungslogik entziehen und niederschwellig erreichbar sind. Diese Orte funktionieren eher durch ihr Programm und ihre offenen Angebote, welche sich in einem ersten Schritt als relevanter erweisen als architektonische Qualität und Hochglanzgestaltungsabsichten.
Koproduktion, also die aktive Beteiligung und Zusammenarbeit über sektorale Grenzen hinweg, schafft es, dass die Akteur*innen selbst zu Besitzer*innen des Prozesses werden. So ergänzen koproduktive Ansätze Projekte mit lokalem Wissen und verankern sie im Quartier. Sie schaffen neue Netzwerke und stärken den sozialen Zusammenhalt. Neben diesen weichen Faktoren generieren die Projekte auch einen finanziell messbaren Mehrwert für das Quartier und die Gemeinschaft vor Ort, wie Doina Petrescu et. al aufzeigen (D. Petrescu et. al: „Calculating the value of the commons: Generating resilient urban futures“). Dieser Mehrwert ergibt sich, wenn man statt einer auf rein ökonomischen Faktoren beruhenden Kosten-Nutzen-Analyse soziale Komponenten wie z.B. individuelles Wohlbefinden, Lebensqualität und Gesundheit in monetäre Größen übersetzt und in die Analyse mit einbezieht. Gleichzeitig schaffen viele Projekte eigene, bezahlte Stellen und akquirieren Förder- und Projektmittel.
Wie schaut das auf der Projektebene aus?
Die Haltestelle Fortschritt – ein 10-tägiges Pop-up-Festival, das Brachflächen temporär aktiviert und mit einem vielseitigen Programm bespielt – fand das erste Mal 2017 an einer unwirtlichen Stelle direkt am Rande der Mannheimer Innenstadt statt und zeigte unerwartete Qualitäten und Nutzungsmöglichkeiten des Ortes. Organisiert wurde es gemeinsam von Yalla Yalla! und Studio Brückner&Brückner mit der Unterstützung des Kulturamtes, des Bezirksbeirats, der Kulturellen Stadtentwicklung und des Quartiermanagements. An Ort und Stelle hat sich seitdem wenig verändert, obwohl es Stimmen gab, die den Ort weiter bespielen wollten. Was es aber gibt und auf die Initiative der Macher*innen und Förderer zurückgeht, ist ein Aktionsfonds für urbane Interventionen, der vom Gemeinderat beschlossen wurde und – mit etwas Verzögerung – im kommenden Jahr verfügbar sein wird. Mit ihm werden weitere Akteur*innen finanziell und mit Know-how unterstützt, um eigene Projekte anzugehen und umzusetzen. Man merkt, auch temporäre Projekte können zu strukturellen Veränderungen führen.
Bei der OASE Mannheim – ein vom BBSR gefördertes und auf drei Jahre ausgelegtes Projekt – steht Koproduktion im Sinne einer gemeinsamen Ideenfindung im Vordergrund. Dabei geht es um die dauerhafte Entwicklung einer zentral gelegenen Brachfläche unweit der Mannheimer Innenstadt gemeinsam mit den Anwohner*innen, städtischen Ämtern und der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft. Ausgangsgpunkt ist das Projekt ALTER, das vom dafür gegründeten Verein POW! e.V. 2018 als kulturelle Zwischennutzung einer vormals ungenutzten Restfläche gestartet wurde und zum öffentlichen Wohnzimmer des Stadtteils avancierte, zeitlich aber befristet ist. Die OASE ist mehr ein Prozess als tatsächlich Planung, der auch zum Ziel hat, ein gemeinsames Verständnis des Ortes, seiner Nutzung und Angebote zu schaffen. Ziel ist ein langfristiges und von Quartiersakteuren und der Bewohnerschaft mitgetragenes Nutzungskonzept.
Wie geht es jetzt weiter?
Während es schon zahlreiche und hochqualitative Projekte mit einem koproduktiven Ansatz gibt und die Mehrwerte ausführlich bewiesen worden sind, mangelt es gleichzeitig an strukturellen Anpassungen. Erste lokale und kommunale Entwicklungen, passendere Verwaltungsstrukturen aufzubauen, wie z.B. in Mannheim mit der Kulturellen Stadtentwicklung oder mit dem Referat für Kreative Stadt in Kiel, stimmen hoffnungsfroh. Wir sind also weiterhin optimistisch, dass die Potentiale einer koproduktiven Stadtentwicklung und der Stadt-Anders-Macher*innnen von weiteren Akteur*innen aufgegriffen und umgesetzt werden, während gleichzeitig auch notwendige strukturelle Anpassungen angegangen werden. Die Alternative dazu hat nämlich schon viel zu lange unsere Städte geprägt!