Was beeinflusst die Architektur?

Dass das Ziel einer Autorin, ein architektonisches Œuvre in seinen kulturhistorischen Zusammenhang zu stellen, mehr sei, als sonst von der Architekturgeschichte verlangt wird, diese einleitende Formulierung überrascht. Denn tatsächlich ist genau diese Inzusammenhangstellung von der Geschichtszunft zu fordern! Und wenn das, wie hier im vorliegenden Buch über Hermann Czech so derart konsequent und griffig geschieht, dann sollte man wohl anders formulieren: Eva Kuß ist mit ihrer Arbeit das gelungen, was die Beschäftigung mit einem (bedeutenden) Architektenœuvre prinzipiell verlangt, nämlich die zielgenaue Verortung der Arbeit in ihrem Zeitkontext.

In dieser ersten umfassenden und sehr ins Stichwörter-Detail gehenden Monografie zu Hermann Czech, einer umfassenden Arbeit zu seiner Biografie, seiner Architektur, den philosophischen Implikationen in seinem Werk versucht die Autorin eine „intellektuelle Biografie“. Die – und das sei gleich gesagt – ziemlich weit weg vom Heute ­irgendwo endet. Die Autorin stützt sich im ersten Teil der Arbeit, eben der Biografie, auf schriftliche Quellen aber auch auf Inhalte offenbar langer Gespräche mit dem Architekten. Diese Passagen sind – es wird erklärt, erscheint aber nicht zwingend – gefettet abgedruckt. Was den Lesefluß hindert. Hier im Biografischen entfaltet die Autorin dann auch den geschichtlichen, den kulturellen Kontext und sortiert ihre Gedanken über eine nicht stringente Chronologie wie über die schon angesprochenen Stichworte: trigon 69, die Zeitschrift Bau, Christopher Alexander, der Einfluss der „wiener gruppe“ usw. Das gibt zwar Halt im Fluß der Ereignisse, auch Orientierung in der österreichischen Kulturgeschichte, aber manchmal fragt sich der Leser, wie hier gewichtet wurde, warum dieses Stichwort hier und mit diesem Umfang kommt, ein anderes möglicherweise gar nicht oder so lang oder so kurz.

Hochspannend der dem Biografischen zugeordnete, der Projektschau vorausgestellte Essay von Elisabeth Nemeth, den diese wie in der Philosophie üblich, unter den Titel „Versuch“ stellt. Hier forscht die Dekanin der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien zum Verhältnis von Architektur und Philosophie im Werk Czechs. Dabei steht die Frage im Zentrum, inwieweit das Denken und das Sprechen über Architektur das Schaffen von Architektur selbst beeinflusst.

Im dann dritten, umfangreichen und das Buch abschließenden Teil wird das Werk des Architekten jeweils ausführlich über längere Texte, über Fotos und Pläne vorgestellt und auch hier ist es der Autorin gelungen, das Ganze im Auge zu haben. Denn mit der Lek­türe des biografischen Materials vorher ergibt sich mit dem Studium der Projekte hinten ein ziemlich dichtes Bild von einem Ausnahmearchitekten, dessen Wille, sich der (Fach)Welt zu offenbaren, gegen Null tendiert. Bei Eva Kuß allerdings schauen wir ziemlich tief. Mit Werk-, ­Namens-, Schriften- und Literaturverzeichnis. Be. K.

Eva Kuß, Hermann Czech. Architekt in Wien. Mit einem Essay von Elisabeth Nemeth. Park Books, Zürich 2018,

456 S., 246 Farb- u. 210 sw Abb. u. Pläne
68 €, ISBN 978-3--03860-001-5

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