Rechtsprechung

Wer sich Bedenken verschließt, haftet allein!

LG Flensburg, Urteil vom 17.12.2021 – 2 O 278/20 (nicht rechtskräftig)

Das Landgericht Flensburg hat im vorliegenden Verfahren entschieden: Weist der ausführende Werkunternehmer den Architekten schriftlich auf einen Planungsfehler hin, so ist dies jedenfalls im Innenverhältnis zwischen dem Architekten und dem ausführenden Gewerk ausreichend, um eine von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichende Haftungsverteilung zu rechtfertigen und die Haftung vollständig auf den Architekten zu verlagern. Dem Verfahren lag der folgende, vereinfacht dargestellte Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten aus übergegangenem Recht einen Gesamtschuldnerausgleich geltend.
Die Klägerin ist die Haftpflichtversicherung einer Baugenossenschaft. Eine WEG beauftragte die Baugenossenschaft im Jahr 2012 mit der Erbringung von Architektenleistungen im Zusammenhang mit der Flachdachsanierung an ihrer Immobilie. Die Baugenossenschaft erstellte insbesondere einen Sanierungsplan. Die WEG beauftragte sodann die Beklagte durch VOB/B-Bauvertrag mit der Durchführung der von der Baugenossenschaft geplanten Sanierungsarbeiten an der Dachkonstruktion. Die Beklagte führte diese Arbeiten aus. Die Beklagte meldete gegenüber der Baugenossenschaft schriftlich Bedenken an. Die entsprechend der Planung ausgeführte Art der Dachsanierung hielt die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (ENEV) nicht ein. Die WEG führte gegen die Baugenossenschaft einen Vorprozess. Die Kammer verurteilte die Baugenossenschaft, an die WEG 93.000,00 € nebst Zinsen zu zahlen und stellte die Schadensersatzpflicht der Baugenossenschaft im Hinblick auf Folgeschäden fest. Die Kammer ging dabei im Hinblick auf die Nichteinhaltung der Vorgaben der ENEV von einem Planungsfehler der Baugenossenschaft aus.
Die Baugenossenschaft verkündete in dem Vorprozess der hiesigen Beklagten den Streit, woraufhin diese dem Vorprozess auf Seiten der Baugenossenschaft beitrat. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die hälftige Erstattung der in dem Vorprozess ausgeurteilten Beträge, die die Klägerin an die WEG zahlte.

Zu Unrecht!


Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung (hier des hälftigen Betrages in Höhe von 46.500,00 €)

Es könne dahinstehen, ob das Werk der Beklagten aufgrund der fehlenden Einhaltung der Vorgaben der ENEV mangelhaft ist oder ob die Beklagte einen gegenüber der WEG als Bauherrin ausreichenden Bedenkenhinweis im Hinblick auf diesen Umstand erteilt habe. Denn jedenfalls stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte einen mündlichen Bedenkenhinweis erteilt hat, der im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu einer alleinigen Haftung der Klägerin führe.
Auch wenn § 4 Abs. 3 VOB/B vorsehe, dass eine Bedenkenanzeige schriftlich zu erfolgen habe, sei ein mündlicher Bedenkenhinweis nicht gänzlich unbeachtlich, sondern könne gegebenenfalls zu einem anspruchsausschließenden Mitverschulden des Auftraggebers führen. Aus Sicht der Kammer komme es nicht darauf an, ob die Beklagte den Bedenkenhinweis vorliegend direkt gegenüber der Bauherrin oder gegenüber der Klägerin erteilt habe und ob die Klägerin gegebenenfalls für die Entgegennahme eines Bedenkenhinweis für die Bauherrin bevollmächtig sei. Denn vorliegend sei nicht zu entscheiden, ob die Haftung der Beklagten gegenüber der Bauherrin vollständig entfalle, sondern über das Innenverhältnis der Haftung zwischen Klägerin und Beklagter. Bei der Nichteinhaltung der ENEV handle es sich um einen Planungsfehler der Klägerin, der sich in dem Gewerk der Beklagten lediglich realisiert habe. Es habe vorrangig der Klägerin oblegen, die Bauherrin über die geeigneten Maßnahmen zu beraten und über Vor- und Nachteile der gewählten Lösung aufzuklären. Wenn daher die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen habe, dass die gewählte Lösung nicht fachgerecht sei, weil die Vorgaben der ENEV nicht eingehalten werden, so sei dies jedenfalls im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ausreichend, um eine von § 426 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Haftungsverteilung zu rechtfertigen und die Haftung vollständig auf die Klägerin zu verlagern.

Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen: Es kann schlicht nicht sein, dass der Bauherr für eine fehlerhafte Planung des Architekten, (mit) zu haften habe, nur weil ihm das Bedenken des ausführenden Unternehmens nicht schriftlich mitgeteilt wurde. Gleichgültig, was im Vertrag steht, hat es eben doch „fair“ zuzugehen. Und das heißt hier, dass derjenige, der den Fehler gemacht hat (nämlich der Architekt), auch alleine dafür einzustehen hat.
Wurde ein solcher Planungsfehler (im Vorprozess) gerichtlich festgestellt, hat es dabei zu bleiben!

Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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