Wie viel Rechtsberatung darf ein Architekt betreiben?
(BGH, Urteil vom 11.02.2021 – I ZR 227/19)
Wieder einmal hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit der Frage zu befassen, was ein Architekt darf und was nicht. Die Tätigkeit einer Architektin im Widerspruchsverfahren stelle jedenfalls keine erlaubte Rechtsdienstleistung dar.
Die Beklagte, eine Architektin, hatte im Auftrag der Grundstückseigentümer eine Bauvoranfrage hinsichtlich der Nutzung eines Grundstücks gestellt. Diese wurde von der Stadt negativ beschieden. „Namens der Grundstückseigentümer“ legte sie Widerspruch ein. Die zuständige Baubehörde der Stadt wies diesen zurück. Anschließend machte die Beklagte gegenüber der Stadt Kostenerstattungsansprüche für das Widerspruchsverfahren geltend. Als die Klägerin, die Rechtsanwaltskammer der Stadt, davon erfuhr sah sie das Verhalten der Architektin als unerlaubte Rechtsdienstleistung an und verlangte von ihr, nach erfolgloser Abmahnung, dies in Zukunft zu unterlassen. Die Beklagte war hingegen der Auffassung, dass ihr diese Rechtsberatung als Architektin erlaubt sei.
Das Landgericht sah das ebenso wie das Oberlandesgericht anders und verurteilte die Beklagte. Die Revision der Architektin zum BGH hatte zwar Erfolg, aber nur, weil der Unterlassungsantrag der Klägerin zu ungenau formuliert war.
Der BGH machte aber deutlich, dass die Klägerin die Beklagte bei einem korrekt formulierten Unterlassungsantrag wegen Erfüllung des § 3a UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) hätte in Anspruch nehmen können.
Bei der Tätigkeit der Architektin, die Grundstückseigentümer im Widerspruchsverfahren zu vertreten und entsprechende Kostenerstattungsansprüche geltend zu machen, handele es sich nämlich um Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 3 RDG (Rechtsdienstleistungsgesetz), die der Erlaubnis bedürften. Eine solche Erlaubnis habe die Architektin nicht. Mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens habe sie eine konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen vorgenommen, die über die bloße schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgehe. Eine derartige Rechtsdienstleistung, für die die Architektin keine Erlaubnis nach dem RDG hat und auch nicht erhalten kann, könne nur dann erlaubt sein, wenn sich dies gemäß § 1 Abs. 3 RDG aus einem anderen Gesetz ergebe oder eine erlaubte Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG darstelle.
Weder das Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) noch das Architektengesetz oder die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) enthalten hierfür konkrete Regelungen. Die Tätigkeit der Architektin stelle auch keine erlaubte Nebenleistung dar.
Zwar müssten Architekten in vielfacher Hinsicht auch rechtliche Vorschriften beachten. Denn der Architekt ist sachkundiger Berater und Betreuer auf dem Gebiet des Bauwesens und muss über nicht unerhebliche Kenntnisse des Vertragsrechts, des BGB und der Vorschriften der VOB/B verfügen. Die Beratungs- und Betreuungstätigkeit des Architekten diene dazu dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern. Im Rahmen der Grundlagenermittlung etwa habe ein Architekt deshalb Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber dem Auftraggeber, die sich auch auf öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht beziehen. So könne eine Beratung darüber geschuldet sein, ob sich ein Gebäude - wie im vorliegenden Fall - in Ermangelung eines Bebauungsplans gemäß § 34 BauGB (Baugesetzbuch) in die nähere Umgebung einfüge und eine Bauvoranfrage zu empfehlen sei. Die Betreuungs- und Beratungspflichten der Architekten könnten dabei auch rechtsberatende Elemente enthalten. Denkbar sei dies insbesondere dann, wenn im Zuge der Betreuung und Beaufsichtigung von Fertigungs- und Mängelbeseitigungsansprüchen für den Bauherrn Ansprüche gegenüber dem Werkunternehmer geltend zu machen sind.
Aus all dem folge jedoch nicht, dass zum Tätigkeitsbild der Architekten bezogen auf Fragen des öffentlichen Rechts mehr als die fachliche, technische Begleitung und gegebenenfalls damit zusammenhängende Empfehlungen rechtlicher Art gehöre. Denn ein Architekt sei eben nicht der Rechtsberater des Bauherrn.
Der BGH hat mit dieser deutlichen und sauber begründeten Entscheidung einmal mehr deutlich gemacht, dass der Architekt sich auf eine beratende Rolle zu beschränken hat.
Mit einer Vertretung im Verwaltungsverfahren würde er jedoch darüber hinausgehen und das ist ihm nicht gestattet.
Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.