Wie geht es mit der HOAI weiter?
Das EuGH hat die Höchst- und Mindestsätze der HOAI gekippt. Was bedeutet das für Honorarstreitigkeiten zwischen privaten Vertragsparteien? Sollen Gerichte dem EuGH-Urteil folgen?
Nachdem mit Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4.7.2019 (Az.: C-377/17) das verbindliche Preisrecht der HOAI, insbesondere die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze, für unionsrechtswidrig erklärt wurden, hat die Bundesrepublik Deutschland die Aufgabe, diese unionrechtswidrigen Zustände zu beseitigen. Weiterhin umstritten ist jedoch, welche Auswirkungen das Urteil auf Honorarstreitigkeiten zwischen privaten Vertragsparteien hat. Hier sind die Lager der bisher erkennenden Oberlandesgerichte gespalten. Gehen die einen davon aus, dass die nationalen Gerichte den Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar in Honorarprozessen anwenden müssen, mit der Folge, dass Parteien sich nicht mehr auf die Mindest- bzw. Höchstsätze der HOAI berufen können, geht die ebenso stark vertretene Gegenansicht weiterhin von der Anwendbarkeit der „alten“ HOAI bei Streitigkeiten zwischen Privaten ohne Unionsauslandbezug aus, solange der Gesetzgeber keine Abhilfe geschaffen hat. Ebenfalls von der Problematik betroffen ist der Umbauzuschlag, der – wie die Mindestsätze – der Durchsetzung einer Mindestpreisgarantie diene.
Honorarvereinbarungen sind nun auch formlos möglich
Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 8.1.2020 - 14 U 96/19 – sei nunmehr die gesamte Regelung des § 7 Abs. 1 HOAI 2013 unwirksam. Dies betreffe auch die Formvorschrift für Honorarvereinbarungen, nach der eine Honorarvereinbarung nicht mehr gelte, wenn sie nicht schriftlich fixiert und von den Vertragsparteien unterschrieben wurde. Demnach habe ein Verstoß gegen die Formvorschrift nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle keine Auswirkung mehr auf die Wirksamkeit einer geschlossenen Honorarvereinbarung. Mit anderen Worten: Auch mündlich könne nunmehr eine Honorarvereinbarung wirksam geschlossen werden. Die Beweisbarkeit im Streitfall steht auf einem anderen Blatt.
Gerichtsverfahren können ausgesetzt werden
Zu der Problematik, wie der Verstoß gegen die EU-Richtlinie zwischen Privaten wirke, fehlt bislang eine wegweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofs sowie auch – da hier wieder Unionsrecht betroffen ist – eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Auf nationaler Ebene wird am 14.5.2020 (Az. der Revision VII ZR 174/19) vor dem Bundesgerichtshof die Revision zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm verhandelt. Weitere Revisionen sind zu den Urteilen des Oberlandesgerichts Celle vom 14.8.2019 (Az. der Revision VII ZR 205/19) sowie des Berliner Kammergerichts vom 13.9.2019 (Az. der Revision VII ZR 229/19) eingelegt worden – vgl. Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 12.12.2019 https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/2019
159.html. Die Frage, die alle Architekten und Auftraggeber gleichermaßen quält, ist, wie in Honorarstreitigkeiten bis zu einer verbindlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Europäischen Gerichtshofs zu verfahren ist.
Eine Aussetzung von Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist mangels Vorgreiflichkeit nicht möglich. Was aber möglich erscheint, ist den Rechtsstreit wegen Vorgreiflichkeit des Vorabentscheidungsgesuchs (Rechtssache C-137/18) des Landgerichts Dresden an den Europäischen Gerichtshofs in analoger Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen. Dies gelte jedenfalls nach der Auffassung des Landgerichts Essen, mit Beschluss vom 20.3.2019 – Az.: 44 O 12/18. In dem Vorabentscheidungsgesuch des Landgerichts Dresden gehe es im Kern um die strittige Frage der horizontalen Wirkung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 4.7.2019, nämlich, ob sich im Rahmen eines Honorarprozesses Private bis zur Umgestaltung des nationalen Gesetzgebers noch auf § 7 HOAI 2013 stützen können.
Fazit
Eine erste Erkenntnis wird es ggf. am 14.5.2020 nach der Verhandlung des Bundesgerichtshofs zur Revision des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm geben, wenn der Bundesgerichtshof nicht auch ein Vorabentscheidungsgesuch an den Europäischen Gerichtshof stellt. Derzeit ist unbekannt, wann der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C 137/18 entscheiden wird. Bis dahin verbleibt es bei der großen Unsicherheit für Architekten und Auftraggeber bezüglich des Honorars, sodass beiden Parteien eine saubere Vertragsdokumentation ans Herz zu legen ist.